Gröpelingen. Seit Anfang 2008 hat Lars Gerhardt Menschen miteinander ins Gespräch gebracht, Straßenfeste organisiert, Acht- und Neuntklässler mit einer jährlichen Messe beim Einstieg in den Beruf unterstützt, Fördergelder akquiriert und sich darum gekümmert, dass Gröpelingen eine moderne technische Infrastruktur hat. Nach 13 Jahren verabschiedet sich der 48-Jährige nun zum 1. April aus dem Torhaus Nord, um künftig hauptberuflich Menschen bei der Gründung inklusiver Wohnformen zu unterstützen.
Als er im Januar 2008 in Gröpelingen anfing, wollte der Diplom-Sozialpädagoge und Journalist sich insbesondere darum kümmern, Stadtteilsolidarität herzustellen, gemeinsames Netzwerken zu stärken, Gröpelingen als Stadtteil am Fluss überregional zu vermarkten und öffentliche Flächen aufzuwerten.
Keine zwölf Monate später erstrahlten in Gröpelingen als erstem Bremer Stadtteil an mehreren Bäumen an der Heerstraße mitwachsende Lichterketten. „Das war nicht unsere Erfindung, aber wir waren die Ersten, die ein entsprechendes Verfahren bei den Ämtern angestoßen haben. 2009 fragte dann aus dem Viertel jemand an, wie das mit der Beleuchtung geht“, erinnert sich Gerhardt, der 2008 außerdem damit begann, Gröpelingens größtes Stadtteilfest – den Gröpelinger Sommer – neu aufzustellen: „etwas größer und auch überregionaler.“
Derlei Veranstaltungen seien enorm wichtig, ist er überzeugt: „Feste, wo man friedlich zusammenkommt, sind die beste Möglichkeit, einen Stadtteil zusammenzubringen und nach vorne zu bringen. Eigentlich sollte es alle paar Wochen irgendwo im Stadtteil ein subventioniertes Fest geben.“ Sechsmal war Gerhardt bei der Organisation federführend verantwortlich – überregionale Musiker nach Gröpelingen zu holen, sei zunächst allerdings nicht gelungen: „2013 haben wir es wieder versucht und auf einmal ist Milky Chance gekommen, der damals gerade auf dem Sprung war und dann quasi von Gröpelingen aus auf Welttournee gegangen ist. Da hatten wir Anfragen aus Hannover und Hamburg, ob die Band tatsächlich hier spielt. MTV und Viva sind hergekommen. Danach ist das überregionale Booking dann kein Problem mehr gewesen.“
2013 entwickelte der Verein außerdem für die „Internationalen Grill-Festspiele“ beim Gröpelinger Sommer Flyer in verschiedenen Sprachen, die mittlerweile sogar der Bundesverband der City- und Stadtteilinitiativen verwendet.
„Im Stadtteilmarketing reicht es nicht, gute Ideen zu haben und Konzepte schreiben zu können. Man braucht auch ein technisches Grundverständnis, etwa für Bühnen- und Veranstaltungstechnik, Wasser oder Absperrungen“: Unter anderem dies hat Gerhardt in 13 Jahren gelernt. Technikbegeistert war er zum Glück schon immer und brachte zum Beispiel 2016 die Mängelmelder-App und etwas später Bremens schnellstes kostenloses WLAN nach Gröpelingen. Dafür hatte Gerhardt ab 2015 Kontakt mit verschiedenen Anbietern aufgenommen, sich intensiv mit technischen und rechtlichen Fragen beschäftigt und Einrichtungen und Betriebe als Kooperationspartner zusammengeholt. „Innerhalb von ein paar Wochen hatten wir den meistgenutzten Hotspot in ganz Bremen“, freut er sich darüber noch heute: „Damit wollten wir aber nicht den Stadtteil als Standort attraktiver machen, sondern es ging uns damals um digitale Teilhabe.“
Seit 2014 hatten Gerhardt und sein Kollege Emre Altinöz sich außerdem speziell um die Förderung kleiner mittelständischer Unternehmen gekümmert und im Rahmen einer Potenzialanalyse ermittelt, was das Besondere am Stadtteil ist: „Die internationalisierte Nahversorgung“. Die wirtschaftliche Entwicklung Gröpelingens unter anderem in diesem Bereich ist für Gerhardt definitiv ein Highlight, „obwohl es hier auch immer mehr Armut gibt.“
Und auch dies war nach Ansicht des gebürtigen Siegeners ein guter Wurf: Bei einem Arbeitskreis kamen Vertreter der Justizvollzugsanstalt, der Werkstatt Bremen und der Gesellschaft für integrative Beschäftigung auf den Begriff „Soziale Manufakturen“. „Ich habe gleich die Internetadresse reserviert und dann Projektmittel beantragt“, so Gerhardt. Später wurde daraus das vom Wirtschaftsressort mit Mitteln des Europäischen Sozialfonds geförderte Modellvorhaben „Soziale Manufakturen in Groß“ – etwas Besonderes, wie Gerhardt überzeugt ist. Denn es geht in dem bislang von Svenja Weber geleiteten Projekt um Produkte, die von Menschen hergestellt werden, die psychische Beeinträchtigungen oder ein Handicap haben: „Und daraus wurde eine Marke gemacht, die total positiv ist!“
Noch viel mehr Positives fällt dem scheidenden Stadtteilmanager rückblickend ein. „Für mich persönlich war es eine Zeit der Reifung und ich habe den Eindruck, dass ich nach den 13 Jahren für jedes Problem im öffentlichen Raum ein Konzept, eine Finanzierung und eine Lösung entwickeln könnte“, sagt Gerhardt. Nur eines sei leider nicht gut gelaufen: „Die Unordnung im Stadtteil ist und bleibt ein Dauer-Ärgernis. Das fängt beim Müll an und hört beim Dealen an der Heerstraße auf. Wenn das nicht in den Griff gekriegt wird, dann brauchen wir auch kein Stadtteilmarketing mehr.“
Stadtteilmarketing in Gröpelingen
Über das europäische URBAN-Programm startete 1997 ein professionelles Stadtteilmanagement, das 1999 der Verein Gröpelinger Marketing fortsetzte. Gegründet hatten ihn Menschen, die schon lange im Stadtteil aktiv waren. „Neue Arbeitsplätze, die Ansiedlung von Unternehmen, die Qualifizierung von Bewohnern und der Ausbau integrativer Dienstleistungen werden auch die soziale Situation im Stadtteil verbessern“, erklärte damals Conny Wiedemeyer, die bis heute Vorsitzende ist. Seit 2012 heißt der Verein, unter dessen Dach Einzelpersonen, Unternehmen und Einrichtungen zusammenarbeiten, Gröpelingen Marketing.