Eigentlich kann sich Sarah Schütte das obligatorische Aufwärmen beim Training getrost schenken. Wenn die Verbandsliga-Handballerin des SV Grambke-Oslebshausen zweimal die Woche zum Üben nach Oslebshausen oder Grambke fährt, dann hat sie schon einige Kilometer auf ihrem Tacho. Die 25-Jährige wohnt im Bremer Speckgürtel in Heilshorn und legt von dort aus alle ihre Wege mit dem Fahrrad zurück. Im Sommer mit dem Rennrad, im Winter mit einem bis zu 45 Stundenkilometer flotten E-Bike.
„Ich fahre mit dem Rad pro Jahr um die 10.000 Kilometer“, überschlägt Schütte ihr sportliches Pensum mit dem Tret-Vehikel. Eine ihrer größten persönlichen Herausforderungen war in diesem Jahr die Teilnahme im Juni an der Vätternrundan in Südschweden, einer 315 Kilometer langen Rundfahrt um den zweitgrößten See Schwedens mit über 1500 zu bewältigenden Höhenmetern. Laut Veranstalter ist es der mit etwa 23.000 gemeldeten Teilnehmern weltgrößte Fahrradwettbewerb im Freizeitsport.
"Das war ein Riesenevent“, schwärmt Sarah Schütte, die die Strecke in elfeinhalb Stunden zurückgelegt habe. „Danach tat mir alles weh, ich habe die Anstrengung eine Woche lang gemerkt.“ So wenig sie sich weder vom Wetter noch von weiten Wegen bremsen lässt, so schwer ist sie auch von ihren Gegenspielerinnen zu stoppen. Die lässt sie per Körpertäuschung mal zur und dann wieder gegen die Wurfarmseite stehen. Sieht die 1,80 Meter große Spielerin eine Lücke, spaziert sie zielstrebig hindurch. 6,25 Tore wirft sie dadurch im Schnitt pro Spiel und nimmt damit in der Torschützenliste ihrer Staffel den zweiten Platz ein. „Schütti ist für uns sehr wichtig. Sie geht oft dahin, wo es wehtut, und kann immer Torgefahr kreieren. Mit ihrem Zweikampfverhalten beschert sie uns die einfachen Tore“, lobt Trainer Thies Libchen die linke Rückraumspielerin, die er im Training als ehrgeizig beschreibt.
Verletzungspech bremst Schütte
„Nur die Abwehr ist nicht ihr Steckenpferd, aber daran arbeiten wir", sagt Libchen. Dass Sarah Schütte in dieser Saison bei den Gelb-Blauen aufläuft, ist für diese ein Glücksfall. „Eigentlich wollte ich ja aufhören“, verrät die frühere Oberliga-Spielerin des TuS Komet Arsten, die dort den Ball nach einer Operation an der linken Schulter aus der Hand gelegt hatte. „So ganz konnte ich es dann doch nicht sein lassen“, schiebt Schütte hinterher.
Ihr Wechsel zum SVGO war wohldurchdacht, da der zu dem Zeitpunkt in der Landesliga spielte und sie weniger Aufwand betreiben wollte. Außerdem musste sie keine verbindliche Zusage geben, niemand hat sie dazu gedrängt. Nachdem die große Blonde ihre Armmuskulatur innerhalb eines dreiviertel Jahres endlich wieder aufgebaut hatte und sie spielbereit war, warf sie als Nächstes ein Bänderriss im Fuß zurück. Deshalb ging es bei ihr erst im Sommer dieses Jahres wieder so richtig los.
Das viermalige Training die Woche in der Saisonvorbereitung steckte die hauptberufliche Physiotherapeutin gut weg. Bei den zusätzlichen Sieben-Kilometer-Läufen, die zweimal die Woche abzuleisten waren, kam ihr wiederum entgegen, dass sie diesbezüglich top in Schuss ist. Das stellte sie allein schon in diesem Juli unter Beweis, als sie mit einer Gruppe von zehn Leuten am Burginsellauf in Delmenhorst teilnahm. Bei dem traditionellen Staffellauf geht es darum, eine 1,3 Kilometer lange Strecke binnen 24 Stunden möglichst oft zu umrunden. Mittendrin ruht sich der Rest der Staffel aus beziehungsweise schläft. „Ich bin 19-mal gelaufen“, blickt Sarah Schütte auf das Event zurück.
Ihre Mannschaft wäre in dieser Saison auch optimal ins Laufen gekommen, wenn sie nicht eine Sieben-Tore-Führung gegen den TSV Bremervörde (Endstand: 27:28) als auch einen Vier-Tore-Vorsprung gegen den Aufstiegsaspiranten Elsflether TB (24:25) wieder hergegeben hätte. In beiden Partien setzte es in den letzten Spielsekunden den bitteren K.o. „Das war natürlich blöd. Dabei hatten wir uns nach dem Bremervörde-Spiel noch gesagt, dass uns das nur einmal passieren wird. Prompt erleben wird das vier Wochen später noch einmal“, bedauert Sarah Schütte die Ausgänge. Sie rangiert mit dem SVGO zurzeit mit 4:4 Punkten in der Tabelle auf einem Mittelfeldplatz.
Später Start als Rückraumspielerin
Ob die Rechtshänderin mit der Rettungsschwimmerlizenz auch in den kommenden Partien reichlich Tore abliefern kann? Sie ist sich nicht sicher: „Das wird ja nicht so bleiben.“ Elsfleth versuchte, Schütte – vor der Kamera des von der Tribüne aus filmenden Ligarivalen SG Findorff – mit einer Sonderbewachung zu stoppen. „Die macht mir keinen Spaß, da ich meiner Mannschaft dann nicht helfen kann“, gibt sie zu. Die dadurch entstandenen Abwehrlücken wusste ihr Team jedoch durchaus zu nutzen, was folglich auch irgendwie half.
Dass Sarah Schütte überhaupt im Rückraum spielt, entwickelte sich verhältnismäßig spät. Mit etwa fünf Jahren bei der TusG Ritterhude angefangen, damals unter der Regie ihrer heutigen Mannschaftskameradinnen Katja Schumacher und Maike Krüger, spielte sie bis einschließlich der C-Jugend auf Außen. Eine Saison stand sie sogar in der C-Jugend zwischen den Pfosten, „weil wir keine Torhüterin hatten und ich am wenigsten Angst vor dem Ball hatte“, blickt sie schmunzelnd zurück. Danach wechselte sie in den Rückraum und zählte oft zu den besten Werferinnen ihres Teams – wie jetzt beim SVGO. Bei dem wünscht sich sie sich eines mit Blick auf die Zukunft: „Weitere Verletzungen dürfen mir in dieser Saison nicht mehr passieren.“