Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

"Wilder Westen" in Gröpelingen Trägerverein will die Reißleine ziehen

Das Spiel- und Gemeinschaftshaus "Wilder Westen" leistet gute und wichtige Arbeit – darin sind sich vom Beirat bis zum Bürgermeister alle einig. Warum die Einrichtung voraussichtlich trotzdem bald schließt.
10.03.2025, 05:00 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Trägerverein will die Reißleine ziehen
Von Anne Gerling

„Wir freuen uns, dass wir allen Nutzerinnen und Nutzern unserer Angebote mitteilen können, dass wir bis zum 31. März 2025 weiter gefördert werden und erst einmal nicht schließen müssen.“ So teilt es der Wilde Westen aktuell noch auf seiner Webseite mit. Und dann?

Hinter den Kulissen wird im Ortsamt, in der Bürgerschaft und im Rathaus darum gerungen, dass es ab 1. April für das Spiel- und Gemeinschaftshaus sowie für die Suppenküche an der Stuhmer Straße weitergeht. Der Beirat fordert in einem Haushaltsantrag für 2026/27 eine verlässliche Finanzierung. Im Rathaus wiederum bemüht sich Thorsten Kühn, der sich um ressortübergreifendes, stadtteilbezogenes Quartiersmanagement und Koordination der Bürgerbeteiligung kümmert, um Mittel zur kurzfristigen Überbrückung des finanziellen Engpasses aus verschiedenen Ressorts und Töpfen. Denn darin sind sich alle einig: Der Wilde Westen leistet seit Jahren wertvolle und unentbehrliche Arbeit für die Menschen im Quartier.

Lesen Sie auch

Doch die Tage der Einrichtung in ihrer jetzigen Form sind offenbar trotzdem gezählt, wie nun bei einer Sitzung des Fachausschusses Arbeit, Wirtschaft und Soziales deutlich wurde. Denn nach Jahren der Unsicherheit und vor allem mangels einer tragfähigen langfristigen Zukunftsperspektive will der Trägerverein, die Initiative zur sozialen Rehabilitation, nun die Reißleine ziehen. „Wir haben aktuell seit dem 1. Januar ein Finanzierungsloch, und bis auf Lippenbekenntnisse gibt es bislang nichts. Ich gehe deshalb momentan in Gespräche mit den Mitarbeitern“, sagt Jessica Reichstein vom Vorstand der Initiative.

Stand jetzt liegt das Defizit ihr zufolge bei 30.000 Euro. Kündigungen habe sie bislang noch nicht ausgesprochen. Klar ist: Zum 31. März endet die Finanzierung sogenannter AGH-Stellen (früher: Ein-Euro-Jobs) durch das Jobcenter, womit der Einrichtung ein wichtiges finanzielles Standbein wegbricht. Zwar ist Kühn optimistisch, Überbrückungsmittel beschaffen zu können – Reichstein zufolge hat das Bildungsressort angekündigt, dass von dort Geld kommen solle – aber: „Das ist noch nicht schriftlich, und auch von einem Haushaltsantrag kann ich jetzt keine Gehälter bezahlen.“

Sechs Mitarbeiter betroffen

Konkret betrifft dies sechs hauptamtlich beschäftigte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die aktuell noch nicht wissen, wo am 1. April das Geld herkommt, sagt Claudia Toensing, die den Wilden Westen leitet. Die Situation sei für das Team sehr belastend: „Hinter uns liegen acht Monate absolute Achterbahnfahrt, und ich kann mich immer nur wieder bei den Kolleginnen und Kollegen bedanken, dass sie sich hier trotzdem so stark engagiert haben. Wer es nicht weiß, der merkt nicht, dass wir kurz vor der Schließung stehen. Gestern haben wir hier mit 41 Kindern Fasching gefeiert und heute waren 42 Kinder da.“

Nicht auszudenken, wenn diese für die Familien aus der Nachbarschaft wichtige und verlässliche Anlaufstelle von jetzt auf gleich geschlossen würde und die bekannten Gesichter der Mitarbeiter zum 1. April plötzlich alle weg wären, findet Pierre Hansen (SPD). „Dann haben wir hier verbrannte Erde. Das würde ein Loch reißen für viele Kinder, die eh schon nichts haben.“ Zumal die benachbarte Grundschule am Halmerweg bis zum Ganztagsbetrieb noch einen mehrjährigen Weg vor sich habe, wie Beirats- und Bildungsausschusssprecher Martin Reinekehr (SPD) betonte. „Mindestens bis dahin braucht man hier ein Angebot.“

Das Ziel: Eine würdevolle Abschiedsfeier

Und auch zukünftig wird im Quartier offene Kinder- und Jugendarbeit dringend gebraucht, das steht nicht nur für Claudia Toensing außer Frage. Sie sagt: „Natürlich würden wir gerne ein Konzept entwickeln, um hier weiterarbeiten zu können. Wir können Konzepte schreiben und uns weiterentwickeln – wir müssen aber wissen, an wen das gehen soll. An welche Behörde? Wer ist der Zuwendungsgeber?“

„Es gibt ja auch noch andere Träger“, sagt vor diesem Hintergrund Jessica Reichstein. Die Frage für ihren Verein sei jetzt, ob die Einrichtung zum 1. April schließe oder zum 1. September: „Wir wollen auf jeden Fall noch eine würdevolle Abschiedsfeier organisieren. Manchmal ist es besser, etwas Neues entstehen zu lassen, als immer wieder auf die nächste Überbrückungsfinanzierung zu hoffen.“

Entsetzt reagierte auf diese Perspektive Beiratspolitiker Dieter Winge (Linke). „Wir waren als Beirat lange und intensiv mit dem Thema beschäftigt. Es gab einen Bürgerdialog, bei dem der Bürgermeister gesagt hat, es werde eine Lösung geben. Und nun sehen wir, dass wir vor einem Scherbenhaufen stehen. Die Initiative ist ein etablierter Träger und wir haben da Personal, das Gold wert ist. Da muss man sich fragen, welche Wertigkeit das hat – und auch, welchen Wert meine Beiratsarbeit hat, wenn das jetzt das Ergebnis ist.“

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)