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Lärmbelastung am Industriehafen Beirat fordert konkrete Maßnahmen

Ein Gutachten im Auftrag des Umweltressorts bestätigt die wiederholten Beschwerden von Anwohnern über Lärm aus dem Industriehafen. Doch was folgt daraus?
09.07.2021, 13:36 Uhr
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Beirat fordert konkrete Maßnahmen
Von Anne Gerling

Die Menschen in Oslebshausen sind durch den benachbarten Industriehafen regelmäßig zu hohen und gesundheitsschädigenden Lärmbelastungen ausgesetzt: Das hat wie berichtet ein Langzeit-Gutachten im Auftrag des Umweltressorts ergeben. Aber was folgt daraus? Darüber hat kürzlich der Gröpelinger Beirat in einer Videokonferenz beraten.

Straßenverkehr, Hafenbahn, Rettungsfahrzeuge, Kirchenglocken, Helikopter und Vogelgezwitscher: Die Geräuschkulisse in Oslebshausen, die Messstellenleiter Frank Heidebrunn von der Hamburger Lärmkontor GmbH vom Dach des Diako-Krankenhauses aus gemessen, aufgezeichnet und ausgewertet hat, ist durchaus beachtlich. Besonders unangenehm für die Anwohner sind dabei auffällige „Geräuschspitzen“, die Heidebrunn eindeutig einem Verursacher zuordnen konnte: Der Firma TSR Recycling, bei der es vor allem immer dann laut wird, wenn dort Schiffe vor Anker gehen.

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Dies war während der Lärmmessung genau zweimal der Fall: vom 12. bis 19. Januar und vom 20. bis 26. Februar. „Während diesen Zeiten erfolgten durchgehend (das heißt: auch nachts und am Wochenende) Umschlagsarbeiten auf dem Gelände, die die Immissionspegel nahezu durchgehend dominierten“, ist dazu im Lärmgutachten nachzulesen. Auch die am 23. Februar von 3 bis 4 Uhr lauteste aufgezeichnete Nachtstunde fiel in einen Zeitraum, in dem ein Schiff beladen wurde.

Die ohnehin relativ hohe Grundbelastung durch den Hafen werde durch TSR zusätzlich noch etwas gesteigert, bestätigt denn auch Michael Bürger aus dem Umweltressort: „Damit müssen wir jetzt umgehen.“ Sein Haus habe Gespräche mit dem Unternehmen darüber aufgenommen, wie es dort leiser werden könne – aber: „Das ist ein Seehafen, wo nächtliche Arbeiten an Schiffen stattfinden müssen. Wir können da nicht einfach Maßnahmen anordnen.“ Deshalb solle gemeinsam mit dem Häfen-Ressort ein Prozess angestrengt werden: „Wir müssen uns da Stück für Stück ranarbeiten.“

Eine Aussage, mit der sich die Gröpelinger Ortspolitiker nicht zufriedengeben mochten. „Ich hätte gerne konkrete Maßnahmen gehört, was TSR tun könnte“, sagt etwa Beiratssprecherin Barbara Wulff (SPD) und ihr Fraktionskollege Martin Reinekehr regt an, über Maßnahmen zum Schutz der Anwohner wie zum Beispiel Lärmschutzfenster nachzudenken. Dieter Steinfeld (Grüne) hat selbst schon beobachtet, wie ein Kran auf dem TSR-Gelände Metallschrott aus großer Höhe fallen ließ, was erheblichen Krach verursacht habe. Er verweist in diesem Zusammenhang auf ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Bremen zum Container-Terminal 4 in Bremerhaven, in dem 2004 grundsätzliche Regelungen aufgestellt worden seien. Nämlich, so Steinfeld: „Firmen müssen immer auf dem neuesten Stand der Technik sein und alles machen, um Lärm zu vermeiden. Wenn es dann immer noch zu laut ist, müssen die Anwohner das ertragen, weil das Interesse der Wirtschaft höher zu gewichten ist.“ Steinfeld unterstreicht dazu: „Wir sind nicht gegen die Firmen im Hafen. Wir wollen nur, dass Gesetze eingehalten werden. Schrott von einem Kran fallen zu lassen, ist ein klarer Gesetzesverstoß.“

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Das TSR-Grundstück, das aktuell in Erbpacht an die Firma vergeben ist, sollte nach Vertragsende nicht – wie zuvor in ähnlichen Fällen geschehen – von der Stadt an TSR veräußert werden, rät er außerdem und fand im Beirat eine Mehrheit für einen entsprechenden Antrag: „Das würde die Verhandlungsposition der Stadt auf jeden Fall stärken.“ Falls sich nichts ändere, müsse womöglich sogar über eine Umsiedelung des Unternehmens nachgedacht werden.

„Die Frage ist immer: Findet man ein Grundstück, wo gar keine Anwohner belastet werden?“ gibt dazu Bürger zu bedenken, der zuversichtlich ist: „Da werden sich Lösungen finden lassen.“ Schließlich gehe es vor allem darum, „die nervigen Lärm-Spitzen wegzukriegen.“ Denn eines werde man mit Sicherheit nicht schaffen, warnte er vor zu hohen Erwartungen: „Dass wir zur Einhaltung der Grenzwerte kommen. Dafür haben wir dort schon zu hohe Grundwerte. Den Schutz, den man für ein allgemeines Wohngebiet erwarten würde, werden Sie dort nicht hinkriegen.“

Der Hafen sei wichtig für die Stadt und es gelte nun mit den vor Ort gewachsenen Strukturen – hier das Wohngebiet, dort der Hafen – umzugehen und eine Lösung zu finden „wo am Ende der eine nicht so viel darf, wie er möchte, und der andere nicht den Schutz hat, den er gerne hätte: Das ist das Spannungsfeld, in dem wir uns hier als Verwaltung bewegen.“ Ein entscheidender Punkt sei, die Mitarbeiter des Metall-Recycling-Unternehmens zu sorgfältigem Arbeiten anzuhalten.

Im Herbst will Bürger sich in der Sache wieder mit dem Beirat austauschen. Und auch bei dem Anfang Juni gestarteten Runden Tisch Oslebshausen ist eine Sitzung speziell zum Thema Lärm eingeplant.

Zur Sache

Unterschiedliche Grenzwerte

Was war zuerst da – der Hafen oder die Siedlung? Dazu gibt es in Oslebshausen unterschiedliche Theorien. Fakt ist: In Oslebshausen stehen sich heute zwei Sondergebiete gegenüber, nämlich das Sondergebiet Hafen (wo es naturgemäß laut ist) und das Sondergebiet Krankenhaus (wo vom 30. November bis 1. März der Lärm gemessen wurde), für die jeweils unterschiedliche Lärm-Richtwerte gelten. Für Seehäfen gibt es keine Grenzwerte, die einzuhalten sind – legt man aber die Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) zugrunde, die im Krankenhaus-Umfeld gilt, so werden dort regelmäßig die zulässigen Grenzwerte überschritten.

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