Es ist nicht unbedingt ein kirchlicher Prachtbau oder ein Fall für die Denkmalpflege, dennoch strahlt das Gemeindezentrum Guter Hirte mit dem markanten Glockenturm in der Forbacher Straße einen gewissen Charme aus. Nach 61 Jahren wird das Gebäude aber etwas Neuem weichen müssen.
Im Vergleich zu anderen Kirchengebäuden ist das Gemeindezentrum noch sehr jung. Es ist in der Tat ein Produkt der jüngeren deutschen Geschichte. Im und nach dem Zweiten Weltkrieg flohen viele Deutsche aus den ehemaligen Ostgebieten in den Westen, suchten sich eine neue Heimat. Auch in der sogenannten Eisenbahnersiedlung fanden einige von ihnen Zuflucht. In den 50er-Jahren waren annähernd 3000 Menschen am Bahn-Ausbesserungswerk angestellt.
Gemeindegründung in den 60er-Jahren
Doch den Menschen im östlichen Hemelingen fehlte etwas: eine Kirchengemeinde. Damals sammelte Diakon Walter Dornhöfer eine Gemeinde, man traf sich in einer hölzernen Barackenkirche. 1962 wurde die Gemeinde unter den Namen "Gemeinde des Guten Hirten" selbstständig und der Bau des Gemeindezentrums mit Kirchensaal und Glockenturm begann.
Ungefähr 2500 Mitglieder habe die Gemeinde damals gehabt, sagt Pastor Stefan Sarod, der über das Gelände und durch das Gebäude führt. An seiner Seite Hund Emil. "Jetzt sind es unter 600", schätzt Sarod. Weniger Gemeindemitglieder, weniger Arbeit für den Pastor. Tatsächlich ist das Stundenkontingent von Sarod in den vergangenen Jahren geringer geworden. Im Oktober ist dann nicht nur Schluss für das Gemeindezentrum, sondern auch für Sarod als Pastor im Guten Hirten. Der Kirchenbeamte wird andere Aufgaben in der Evangelischen Kirche übernehmen.

Bleibt er erhalten? Die Zukunft des markanten Kirchturms der Gemeinde ist noch nicht entschieden. Abriss oder Erhalt sind denkbar.
Vor Ort werden ihn wohl einige vermissen. Das zeigt sich beim Rundgang um das Zentrum: ein kurzer Schnack mit zwei älteren Damen beim Gassigehen mit ihren Hunden, Emil kläfft. Dann hält ein Auto, ein junger Mann beugt sich zur Beifahrerseite, fragt, ob der Pastor seine Oma gesehen habe, die er besuchen wolle. Nein, in der Gemeinde sei sie gerade nicht, vielleicht beim Einkaufen, antwortet Sarod dem jungen Mann.
18 Jahre Pastor in Sebaldsbrück
18 Jahre war Sarod Pastor in Sebaldsbrück. Großer Wehmut ist bei ihm nicht zu spüren, eher eine Art Aufbruchstimmung. "Wahrscheinlich habe ich die erste Gefühlsregung, wenn das Gemeindezentrum weg ist", sagt er. So sei es auch bei der Kirche Ellenerbrock gewesen, seine kirchliche Heimat, wo er Gemeindemitglied war, seinen Zivildienst geleistet hat. "Jetzt fahre ich aber da vorbei und sehe, was da mit dem Mehrgenerationenhaus gewachsen ist." Beim Guten Hirten sehe er das auch.
Tatsächlich sehen die Pläne einen Verkauf des Gebäudes an einen Investor vor, der auf dem Gelände eine Kita brauen möchte. Genaue Pläne sind noch nicht bekannt, letzte Details müssen noch geklärt werden. So müssen für zwei Mietparteien in dem Gebäude noch passende Wohnungen gefunden werden. Vor zwei Jahren hatte Sarod noch die Idee von sozialem Wohnungsbau auf dem Gelände ins Spiel gebracht. Ein Gedanke, der von der Bremischen Evangelischen Kirche verworfen wurde.
Mit dem Abriss geht auch der Kirchensaal verloren. Ein beinahe düsterer Raum. Bestuhlt, mit holzvertäfelter Decke. Schmale, röhrenförmige Hängeleuchten und zum Teil bunte Glasbausteine an der Rückwand. Das Altarbild mit einer Darstellung der Bibelgeschichte vom verlorenen Sohn, rechts davon das Taufbecken aus Glas auf einem metallenen Dreibein. Links die Orgel, die wird an eine andere Gemeinde verschenkt.
Sarod kann mit einer Kita auf dem Gelände gut leben. "Ich finde, das ist dem Standort angemessen." Er geht auch davon aus, dass sich die Menschen mit dem Abschied nicht schwer tun werden. "Die Gemeinde lebt schon lange mit dem Abschiedsgedanken", sagt Sarod. Schon seit Langem war klar, dass die Kirche nicht an dem Gebäude festhalten wird. "Das Gebäude müsste grundlegend saniert werden und ist einfach zu groß", sagt Sarod. Das Haus weiter zu erhalten sei unökonomisch. "Allein der Ersatz der 30 Jahre alten Gasheizung wäre schwierig." Außerdem gebe es in der Nachbarschaft in der Christernstraße und der Sebaldsbrücker Heerstraße zwei neue Gemeindezentren.
Gemeindeleben geht weiter
"Die Menschen fallen nicht ins Nichts", sagt Sarod. Gemeint ist damit, dass die Gemeinde in der Forbacher Straße 21, gegenüber vom Gemeindezentrum, einen Eckladen angemietet hat. "Eine Ladenkirche", wie Sarod erklärt. Ab dem 1. November ist das Ladenlokal angemietet, am 1. Advent soll eine kleine Eröffnung gefeiert werden. "Das wird ein Begegnungszentrum, wo wir mit allem rüberziehen werden, was mit Senioren und Kindern zu tun hat."
Geplant seien auch Wochenandachten und regelmäßige Gottesdienste. Sarod ist überzeugt, dass dies eine gute Lösung für die Gemeinde ist. "Wir hatten schon in der Vergangenheit das Café für Gottesdienste genutzt, um Heizkosten zu sparen, das ist eine total schöne Atmosphäre, fühlt sich gemeinschaftlicher an." Wenn man so will: Die Gemeinde rückt künftig enger zusammen.
Am Sonntag, 8. Oktober, ab 10 Uhr können Anwohner und Gemeindemitglieder Abschied nehmen von dem alten Gemeindezentrum und Pastor Stefan Sarod.