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Viertel in Sebaldsbrück Ein Buch über das Dorf mitten in Bremen

An der ehemaligen Galopprennbahn liegt das sogenannte Wilhelm-Busch-Viertel. Warum dieses als ein Dorf in der Stadt gilt und was ein berühmter Bremer Bürgermeister mit der Entstehung zu tun hat.
20.11.2023, 05:00 Uhr
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Ein Buch über das Dorf mitten in Bremen
Von Christian Hasemann

Max und Moritz, Hans Huckebein, Witwe Bolte oder Lehrer Lämpel – die Figuren des Dichters und Zeichners Wilhelm Busch sind auch fast 120 Jahre nach dem Schaffen des Künstlers noch lebendig im Gedächtnis vieler Deutscher. Lebendig ist außerdem das nach ihm benannte Wilhelm-Busch-Viertel in Sebaldsbrück. Zum 60-jährigen Bestehen des Nachbarschaftsvereins "Wilhelm-Busch-Viertel" erscheint nun ein Buch, das die Geschichte der Siedlung aufarbeitet.

Im Vereinshaus an der Ludwig-Roselius-Allee sitzen Georg Bäumer, Vorsitzender des Vereins Wilhelm-Busch-Viertel, Reiner Meissner und Marianne Grewe-Wacker. "Die Gründergeneration stirbt jetzt aus, da ist die Motivation da, das Wissen der älteren Generation zu erhalten", sagt Grewe-Wacker zu dem Buchprojekt. Zusammen mit Meissner, der im Geschichtskreis Sebaldsbrück aktiv ist, hat sie an dem Buch gearbeitet. "Wir haben mit 30 bis 40 Zeitzeugen gesprochen", ergänzt Meissner, der im Geschichtskreis Sebaldsbrück aktiv ist. Herausgekommen ist ein Buch mit 240 Seiten und 180 Abbildungen, von der Pionierzeit nach dem Zweiten Weltkrieg bis in die Gegenwart.

Das Wilhelm-Busch-Viertel liegt östlich direkt an der ehemaligen Galopprennbahn und wird im Norden begrenzt durch die Neue Vahr Süd, im Osten durch Kleingärten in Blockdiek und im Süden durch das Mercedes-Werk. Auf annähernd 43 Hektar Fläche wohnen rund 1.500 Menschen in über 560 Wohngebäuden. Auf Satellitenbildern ist zu erkennen, dass sich die Bebauung mit Einfamilienhäusern insbesondere von der Vahr deutlich abhebt. Das geht auf die Historie des Viertels zurück.

Kaisen-Erlass für Parzellengebiet

Vor dem Zweiten Weltkrieg war das Gelände von Kleingärten geprägt, nach dem Krieg aber mussten zahlreiche geflüchtete und ausgebombte Menschen untergebracht werden. Platz fanden sie auf Parzellengebieten in Bremen. Durch den sogenannten "Kaisen-Erlass", benannt nach dem Bremer Bürgermeister Wilhelm Kaisen, wurde das Wohnen in Parzellen erlaubt. Die sogenannten "Kaisenhäuser" gehen auf diesen Erlass zurück.

1949 wurde dieser Erlass aufgehoben, die bestehende Bebauung und Behelfsheime auf dem Gelände östlich der Rennbahn aber geduldet. Das Viertel wuchs weiter – illegal, denn die Wohnungsnot war keineswegs behoben. 1954 verhängte die Baubehörde dann einen Baustopp für das Viertel "Hinter dem Rennplatz" – wie es damals noch hieß. Eine Begründung: Die fehlende sanitäre Entsorgung, es fehlten die Kanalanschlüsse. Ab 1956 wurde allerdings ein Bebauungsplan aufgestellt, der 1958 verabschiedet wurde und das Gebiet östlich der Rennbahn als sogenanntes Gartenheimgebiet erklärte. Diese Sonderkategorie im Baurecht erlaubte es, ein Wohnhaus in einem Garten zu errichten, der auch für Gemüseanbau und Kleintierhaltung genutzt werden konnte. Damit wurde das Parzellengebiet zu einem Wohngebiet umgewidmet und damit auch die Erschließung mit Straßen und Wasser- und Kanalnetz möglich. In dieser Zeit bekamen die Straßen und Wege auch ihre heutigen Namen nach Figuren des Dichters Wilhelm Busch.

"Früher hatte der Verein eine andere Ausrichtung: Häuser bauen, Garten bewirtschaften, Selbstversorgung", fasst Bäumer die Geschichte des Vereins zusammen. Wer nach dem Zweiten Weltkrieg dort bauen wollte, musste auch Mitglied in einem Verein sein. Die Grundstücke maßen damals 800 Quadratmeter – um eben die Versickerung und Entsorgung auf dem Grundstück möglich zu machen.

"Heute ist das Wilhelm-Busch-Viertel das Dorf mitten in der Stadt." Eben mittenmang, nach norddeutscher Redensart. "Wir wollen die Menschen des Viertels zusammenbringen", sagt Bäumer. Feste, Treffs, Kurse, Veranstaltungen und ein Vereinsheim mit einer eigenen Bibliothek – das Vereinsleben ist offenbar auch nach 60 Jahren noch rege. 125 Mitgliedshaushalte zähle der Verein, der weiter um Mitglieder wirbt und besonders jüngere Familien ansprechen möchte.

Verjüngung im Viertel

Offenbar gelingt die Verjüngung des Viertels. "Es gibt sehr viele Kinder und Enkelkinder der Gründergeneration aus den 50er- und 60er-Jahren, die nun die Häuser ihrer Eltern und Großeltern übernehmen", sagt Grewe-Wacker. Es gebe eine ganz enge Verbundenheit mit dem Viertel. "Es ist der Charakter des Viertels, das man aufeinander aufpasst, sich gegenseitig hilft", vermutet Bäumer.

Aber ohne Aufreger bleibt auch das Leben im Dorf mitten in der Stadt nicht. "Das letzte war die mögliche Bebauung der Rennbahn, davor die Bebauung des Holter Felds durch Mercedes", sagt Reiner Meissner. Obwohl die Rennbahn direkt an das Viertel grenzt, hatte sich der Verein in die Diskussion um die Bebauung nicht eingeschaltet. Der Verein sei ein Nachbarschaftsverein und kein politischer Verein, sagt dazu Bäumer.

Die derzeitigen Pläne für die Rennbahn dürften zukünftig eine deutliche Aufwertung für das Wilhelm-Busch-Viertel bedeuten. "Der Weg über die Rennbahn wird als Bereicherung empfunden", sagt Grewe-Wacker. Mit der Umnutzung der Rennbahn könnte unter Umständen auch ein Mangel im Quartier ausgeglichen werden. "Was uns ein bisschen fehlt, ist etwas für Jugendliche", sagt Meissner. Letztlich unterscheide sich das Wilhelm-Busch-Viertel aber nicht von anderen Quartieren. Dauerthema auch im Wilhelm-Busch-Viertel ist der Verkehr. Aktuelle Themen, die in der Nachbarschaft und im Verein diskutiert werden: der Glasfaserausbau und die mögliche Anbindung an das Fernwärmenetz.

Zur Person

Dichter und Zeichner mit Selbstzweifeln

Wilhelm Busch, eigentlich Heinrich Christian Wilhelm Busch, wurde 1832 in Wiedensahl im Schaumburger Land in Niedersachsen geboren. Er gilt als einer der einflussreichsten humoristischen Lyriker und Zeichner Deutschlands. Zu seinen Figuren gehören Max und Moritz, Lehrer Lämpel und Hans Huckebein. In seinen Geschichten griff er auf satirische Formen zurück. Im Gegensatz zu seinen oft heiteren Werken galt Busch als verschlossen und ernst und lebte meist zurückgezogen. Von seinen Versuchen, sich als ernsthafter Maler zu etablieren, blieben nur Bruchstücke zurück. Die meisten dieser Werke vernichtete Busch, offenbar weil sie seinen eigenen hohen Ansprüchen nicht entsprachen. Busch starb 1908 in Mechtshausen.

Info

Das Buch "Mittenmang - Das ultimative Buch über das Wihlem-Busch-Viertel" erscheint im Dezember 2023. Es kostet 15 Euro und beinhaltet 240 Seiten und 180 Abbildungen. Buchbestellungen sind über die Email-Adresse mittenmang@wihelm-busch-viertel.de möglich. Montags am 4., 11. und 18. Dezember zwischen 18 und 2030 Uhr sowie donnerstags, 7., 14. und 21. Dezember, zwischen 16 und 18 Uhr wird das Buch außerdem in den Vereinsräumen in der Ludwig-Roselius-Allee 95 verkauft.

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