„Über Geschmack lässt sich nicht streiten“, besagt ein Sprichwort, das im Übrigen nicht einem antiken Denker zuzuschreiben ist, sondern aus der Feder des französischem Autoren Jean Anthelme Brillat-Savarin stammt. Über Geruch jedoch lässt sich sehr wohl streiten – das ist jedenfalls der Eindruck aus der jüngsten Sitzung des Hemelinger Beirats.
In der virtuellen Konferenz wurde das mit Spannung erwartete Geruchsgutachten für das Könecke-Cola-Gelände vorgestellt. Die wichtigste Erkenntnis: Trotz der Überschreitung von Grenzwerten stehen die vielfältigen olfaktorischen Noten Hemelingens einer Bebauung nicht entgegen. Unklar bleibt, wie die schon dort wohnenden Menschen vor unliebsamen Gerüchen besser geschützt werden können.
Ein Geruchsgutachten ist eine komplexe und langwierige Angelegenheit. Über mehrere Monate haben Profi-Schnüffler im Dienste des Tüv-Nords versucht dem „Hemelinger Parfüm“, das für Anwohner vor allem eine Melange von Gerüchen einer Entkoffeinierungsanlage und einer Kaffeerösterei mit einer Spur Asphaltproduktion, einem Hauch Kohleverbrennung und einem leichten Bouquet von Lebensmittelabfällen ist, auf die Spur zu kommen.
Wetterdaten in die Untersuchung einbezogen
Dafür wurde das gesamte Areal zwischen Ahlringstraße, Hemelinger Bahnhofstraße und Am Sebaldsbrücker Bahnhof in fünf etwa gleich große Gebiete aufgeteilt und entlang dieser Flächen an insgesamt elf Messpunkten die Nase in die Hemelinger Luft gereckt. Jeder Messpunkt wurde dabei dreizehnmal für je zehn Minuten lang untersucht. „Über alle Wochentage und über Tag und Nacht verteilt“, so Niklas Kubitschke vom Tüv-Nord. Eingang ins Protokoll haben außerdem Wetterdaten wie die Windrichtung gefunden. Im Ergebnis wissen die Gutachter nun, wie oft Gerüche durch die Luft wabern.
Die Besonderheit dieser Tests: Mit einer sogenannten hedonischen Untersuchung haben die Gutachter versucht, Gerüche von Gestank zu unterscheiden. „Denn es gab Hinweise darauf, dass der Kaffeegeruch bei größerer Entfernung als angenehm empfunden wird“, sagte Kubitschke.
Geruch von Kaffee, Kohle und Asphalt
Das Ergebnis: Gerade der Kaffeegeruch der Anlage im Hemelinger Hafen werde eher als nicht störend wahrgenommen. Eher unbedeutende Randnotizen waren die Gerüche der Kohleverbrennung im Hafen und eines Abfallcontainers für Lebensmittel in der Brauerstraße. Gar keine Erwähnung fand hingegen die Asphaltproduktion im Hemelinger Hafen, die von einigen Anwohnern als störend empfunden wird.
Letztlich kommt das Tüv-Gutachten zu dem Schluss, dass in zwei Teilgebieten des Könecke-Cola-Areals die Grenzwerte der Geruchsemissionsrichtlinie (Girl) knapp überschritten werden. Dort riecht es rechnerisch an zwölf Prozent der Jahresstunden – vorgesehen ist ein Grenzwert von zehn Prozent für Wohngebiete. Das dies nun kein Ausschlusskriterium für eine Wohnbebauung ist, erklärt sich damit, dass es sich lediglich um eine Richtlinie und kein Gesetz handelt und im Übrigen von Bremen noch nicht übernommen ist. Und: „In Einzelfällen kann das aber auch anders bewertet werden; da wird Spielraum eröffnet – in einem gewissen Rahmen“, so Kubitschke.
„Wir sehen keine Probleme für eine Wohnbebauung“
Eindeutig positionierte sich Stadtplaner Ronald Risch zum Gutachten. „Wir sehen keine Probleme für eine Wohnbebauung.“ Dies sei der eindeutige Schluss in Abstimmung mit dem Gewerbeaufsichtsamt, weil geringfügige Überschreitungen hingenommen werden können. Risch machte aber auch deutlich, was ein anderes Ergebnis bedeutet hätte: „Wenn es mehr gewesen wäre, hätten wir gar nichts mehr planen können, das wäre katastrophal.“ Mit den nun ermittelten Werten liege man in der Norm und so könne das laufende Bebauungsplanverfahren auch einem möglichen Gerichtsverfahren standhalten.
So erleichtert die Beiratsmitglieder über das Ergebnis auch waren – einverstanden waren sie nicht mit allen Punkten des Gutachtens. Insbesondere die Emissionen der Coffein Compagnie an der Sebaldsbrücker Heerstraße taugten zu ganz anderen Sichtweisen. „Ich kann nicht verstehen, wie man den Geruch in irgendeiner Form als Wohlgeruch einordnen kann“, sagte Carsten Koczwara (Die Partei). Ihn erinnere der Geruch, der von der Anlage ausgehe, eher an Katzenerbrochenes. „Ich habe keine Katze“, antwortete Kubitschke. Er fühle sich eher an Erbsensuppe erinnert. „Die schon etwas länger steht“, fügte er an.
Geruchsbelästigung allgemein bekannt
Ralf Bohr (Grüne) griff weder auf Katzenvergleiche noch auf Hülsenfruchtgerichte zurück, sondern fasste seinen Eindruck in klare Worte. „Bei der Coffein Compagnie stinkt es erbärmlich, ich weiß nicht, wie man da zu einem anderen Ergebnis kommen kann.“ Das wisse jeder, der dort vorbeikomme. „Wenn auf dem Cola-Gelände mal Menschen wohnen, sind diese bei zehn Prozent der Jahresstunden mit dem Geruch belästigt und der ist eben nicht angenehm.“ Letztlich sei die Belastung nach wie vor hoch. „Und beim Emittenten hat sich nichts geändert.“
Mit dem Ergebnis des Gutachtens ist eine wichtige Hürde für die Bebauung des Könecke-Cola-Geländes genommen. Ronald Risch gab einen Zwischenstand zum Stand der Planungen. „Wir haben von Wohninvest einige Entwürfe bekommen, die sich am städtebaulichen Konzept orientieren.“ Man sei auf einem guten Weg und die ersten Entwürfe könnten voraussichtlich relativ zügig der Öffentlichkeit präsentiert werden. Der Konzern ist Eigentümer des ehemaligen Cola-Geländes und hat dort inzwischen mit Abrissarbeiten begonnen.
Über Geruch lässt sich also streiten, über Geschmack angeblich nicht. Der Autor und leidenschaftliche Koch Brillat-Savarin hätte vielleicht noch ein Bonmot zur Erbsensuppe gefunden. Zum Nachtisch lieferte er immerhin folgendes Zitat: „Ein Dessert ohne Käse ist wie eine einäugige Schönheit.“ Für Hemelingen heißt es hingegen im übertragenden Sinne vorerst: Es wird gegessen, was auf den Tisch kommt – auch wenn es halt weiter etwas streng riecht im Stadtteil.