Es ist so gut, auf einer Farm zu leben – das sang die Band Jefferson Airplane bereits im Jahre 1969. Und das singen eventuell auch die Tiere auf der Farm in Hemelingen im Jahre 2025. Oder vielmehr zirpen sie, denn die Firma Entosus züchtet Grillen für den menschlichen Verzehr. Und dass das alles auch spannend und schmackhaft sein kann, davon konnten sich Besucherinnen und Besucher an einem Tag der offenen Tür überzeugen.
Auf 250 Quadratmetern Farmfläche werden in der Funkschneise Grillen gezüchtet – „pro Monat bis zu drei Tonnen“, erklärt Geschäftsführer Florian Berendt bei einer der vielen Führungen an diesem Tag. In verschiedenen Kammern einer Lagerhalle stehen große, graue Kunststoffboxen, die mit Eierpappen bestückt sind, auf denen Möhren und eine Art Substrat herumliegen. Die Bewohner dieser Boxen liegen jedoch nicht faul herum, sie wuseln durch die Box, knabbern an den Möhren, fressen vom Substrat. Ein zylinderförmiger, nach oben offener Drahtkäfig beinhaltet Kokoserde: „Dort legen sie ihre Eier ab“, erklärt Berendt. „Und fünf Wochen später kann dann geerntet werden.“ 1500 frisch geschlüpfte Grillen ergeben übrigens ein Gramm, eine erwachsene Grille wiegt 0,3 Gramm.
„Wir können nahezu alles verwerten. Das Endgewicht ist auch das Schlachtgewicht", so Berendt. Die Beine allerdings werden wegen der Widerhaken nicht mitgegessen. Die Grillen kommen auf ein Rüttelsieb, die Beine fallen ab. Zuvor werden die Grillen eingefroren und getrocknet, außer, sie werden zu einer Streichwurst verarbeitet. Denn neben diversen Tütchen mit kleinen Grillen in den Geschmacksrichtungen Kräuter, Knoblauch, Chili, Salz oder Pur gibt es eben auch Streichwurst und andere Produkte. „Zum Beispiel Grillenhack, Chili con Grilli, Grillognese und Proteinshakes“, zählt Florian Berendt auf. Das hört sich erst einmal befremdlich an, doch der Geschäftsführer meint: „Wir sehen, dass die Leute offener werden. Es ist zwar neu für sie, sie sind aber interessiert.“
Eine Stufe einfacher
Seit nunmehr fünf Jahren betreibt er das Geschäft,. Damals sei es schwieriger gewesen, doch das ändere sich, durch positive Berichterstattung etwa. „Die Leute wissen, dass es Sinn ergibt“, meint er. „In einer 20-Gramm-Packung steckt zum Beispiel der Nährwert eines 100-Gramm-Steaks.“ Zwar erzeuge der Betrieb auch Insekten zur Verfütterung, doch das Herzblut stecke in der Fertigung von Lebensmitteln. „Das ist ein wenig wie Sushi“, sagt Berendt, „damals hatten die Leute auch Berührungsängste.“ Der Tag der offenen Tür sei daher wichtig – „damit die Leute wissen, was wir tun. Im vergangenen Jahr waren 200 Leute beim Tag der offenen Tür.“ Der gelernte Agraringenieur ist übrigens über andere Tiere zu den Grillen gekommen: „Ich hatte Hühner und ich fand es immer spannend, wenn sie Insekten gefressen haben. Während des Studiums habe ich mich viel mit der Thematik beschäftigt – denn Tiere mit Tieren zu füttern, um sie anschließend zu essen, geht auch eine Stufe einfacher.“

Geschäftsführer Florian Berendt (links) führt durch die Aufzuchtsfarm.
Die Lebensmitteltechnologin Melanie Christians ist seit Anbeginn bei Entosus dabei: „Am Anfang waren die Leute skeptisch, doch mittlerweile ist es besser geworden. Wobei es den Leuten leichter fällt, wenn die Insekten verarbeitet sind, etwa als Proteinriegel.“
Bolognese aus Grillen
Anna Grommes ist Besucherin des Tages der offenen Tür, hat bereits die Führung mitgemacht und findet es „sehr interessant. Man erhält einen anderen Blick darauf.“ Ihr Mann Thomas Grommes sagt: „Ich habe es noch nicht probiert, werde das aber jetzt mal machen. Wir haben Grillenhack gekauft und werden entweder Frikadellen oder Bolognese machen.“ Bisher habe er noch keine Insekten gegessen, „außer vielleicht im Salat“, Für Grommes ist klar: „Die bisherige Produktion können wir uns eigentlich gar nicht mehr leisten. Es ist Unsinn, Futtermittel anzubauen und um die Welt zu transportieren, um dann Rinder zu züchten.“ Der Anbau etwa von Soja verbrauche in den Anbauländern sehr viel Wasser, und auch die Transportemissionen würden nachdenklich machen. „Wir sind so konditioniert, Fleisch zu essen, doch wenn man darüber nachdenkt, was vernünftig ist, müsste man es sofort sein lassen.“
Michael Becker kommt aus der Neuen Vahr und hat sich vorher schon mal eine Tüte Grillen gekauft. „Die fand ich interessant und überhaupt nicht abschreckend, ein wenig wie Chips“, meint er. Das Thema finde er interessant und zukunftsträchtig. Aber: „Es ist auch eine Preisfrage, sie sind ja noch recht teuer. Sie werden ja auch noch nicht in Massen hergestellt.“ Seine Frau indes hat noch keine Insekten probiert und will es auch nicht tun. „Wenn es irgendwann kein Fleisch mehr geben sollte, gäbe es immer noch Gemüse und Obst und das würde mir reichen“, meint sie. „Das ist mir total fremd, auch in unserem Kulturkreis.“
Grillen in weißer Schokolade

Lebensmitteltechnologin Melanie Christians ist seit Anbeginn bei Entosus dabei. Es falle den Leuten einfacher Insekten zu essen, wenn sie etwa zu Proteinriegeln verarbeitet sind, sagt sie.
Norbert Jäger aus Mahndorf hat derweil die Leberwurst probiert: „Sie ähnelt der Streichwurst von zu Hause und hat neutral geschmeckt. Und auch die Grillen-Meatballs haben neutral geschmeckt – wie Mettbällchen.“ Gisela Jäger sagt, in der kommenden Woche hätten sie Straßenfest. Da werde sie die Grillen in weißer Schokolade herumgehen lassen und sehen, was die Nachbarn sagen. „Für mich selbst kommt das aber erst mal nicht in Frage. Es ist für mich auch eine ästhetische Frage, das zu essen.“
Norbert Jäger indes hat bereits vor drei Jahren mal im Supermarkt ein Mettprodukt aus Insekten gegessen, „das war aber drei Mal so teuer, da habe ich Abstand davon genommen. Ich denke aber, dass sich irgendwann die Hälfte der Bevölkerung davon ernähren wird. Das wird zunehmen, da bin ich mir sicher, auch die Fangemeinde.“