Dumpfe Schläge sind zu hören aus dem verlassenen Verwaltungsbau von Thyssen-Krupp Schulte in Huchting. Der Rückbau der Inneneinrichtung hat begonnen, demnächst soll dort an der Obervielander Straße eine Kita einziehen. Es ist das Startsignal für die bevorstehende Verwandlung des vier Hektar großen Geländes, das nach der Aufgabe des Firmenstandortes neue Käufer gefunden hat. Am kommenden Wochenende stehen die Tore offen für alle, die sich für die städtebauliche Entwicklung des Areals interessieren (siehe unten).
Zwischen Sodenmattpark und Bahnschienen
Wer das Haupttor durchquert, blickt auf Lager- und Werkhallen aus unterschiedlichen Jahrzehnten, die rings um den weitläufigen Innenhof stehen. Manche sind stattliche Backsteingebäude wie eine historische Lagerhalle aus den 1930er Jahren, manche haben eine Außenhaut aus Wellblech und sind erst zwölf Jahre alt. Hinter hohen Zäunen sind Wohnhäuser sowie Bäume des Sodenmattparks zu entdecken. Auf der anderen Seite jenseits der Schienen der Bremen-Thedinghauser Eisenbahn stehen weitere Gewerbebauten in der Nachbarschaft.

Die historische Lagerhalle wurde während des Zweiten Weltkriegs gebaut. Das Backsteingebäude soll erhalten bleiben.
"Wir waren für den Standort sofort Feuer und Flamme", sagt Andreas Schürmann. Er ist einer der Käufer des Grundstücks, die extra zu diesem Zweck die Projektgesellschaft Sodenmatt gegründet haben. Die direkte Anbindung an den Sodenmattpark und die Nähe zum Einkaufszentrum Roland-Center seien sensationell, schwärmt der Investor. Der ideale Ort, "an dem wir ein tolles Angebot für Huchting machen können", sagt Schürmann. Wohnen und Gewerbe zusammen mit Gastronomie und Events – diese Mischung können er und seine Mitstreiter sich an dieser Stelle vorstellen.
Hohe Nachfrage nach barrierefreien Wohnungen
Dass die Nachfrage dafür da ist, bestätigt Dörthe Halves aus der Baubehörde. "Viele ältere Huchtinger wollen aus ihren Einfamilienhäusern in barrierefreie Wohnungen ziehen", hat sie beobachtet. Doch genau die seien Mangelware im Stadtteil. Mehrfamilienhäuser mit passenden Wohnkonzepten seien daher sinnvoll an dieser Stelle. Auch Handwerksbetriebe haben Bedarf an neuen Flächen in Huchting angemeldet. Laute und geruchsintensive Betriebe seien zwar nicht erwünscht, alles andere aber denkbar.
Ebenfalls einig sind sich Stadt und Investoren, dass zumindest ein Teil der alten Gebäude stehen bleiben soll. "Wir wollen den industriellen Charme erhalten und weiterentwickeln", erklärt Schürmann. Besonders die historische Lagerhalle hat es Stadtplanerin Halves angetan: "Hier ist so vieles vorstellbar in dieser tollen Atmosphäre", sagt sie und blickt vor Ort die meterhohen Fenster hinauf. Sport, Kultur und viele andere Nutzungen seien denkbar.
Ideen für historische Lagerhalle gesucht
Für dieses mächtige Haus und weitere Orte auf dem Gelände suchen Stadt und Eigentümer nun Ideen. Zum einen von Bürgern, die sich einbringen wollen, aber auch von Planungsbüros, die sich im kommenden Jahr während eines städtebaulichen Wettbewerbs messen dürfen. Das siegreiche Konzept wird dann umgesetzt. In der Aufgabenstellung ist zu lesen, dass es nicht nur um eine kluge Mischung aus Wohnen, Arbeit und Freizeit geht. Sondern auch darum, die vorhandenen Nachbarschaften und Angebote in Huchting mit dem Areal zu verweben.
Grüne Freiräume anstatt einer betonierten Fläche sind gefragt. Hinzu kommen neue Durchgänge für Fußgänger und Radfahrer in den Park und die Nachbarquartiere. Eine Wunschvorstellung ist auch eine neue Wegeverbindung über die Schienen durch Böses Park direkt zum Roland-Center. Das würde den neuen Bewohnern, aber auch Alteingesessenen kürzere Wege zum Einkaufen und zur Straßenbahn bescheren. "Doch das ist wohl eher ein langfristiges Projekt", dämpft Halves die Erwartungen.
Deutlich weniger Laster unterwegs
Zurzeit erarbeiten Fachleute ein Verkehrsgutachten, um herauszufinden, wie viel Verkehr der neuen Bewohner die Obervielander Straße noch zusätzlich aufnehmen kann, ohne dass es zu größeren Problemen kommt. Immerhin sind seit dem Wegzug von Thyssen-Krupp Schulte deutlich weniger Lkw vor Ort unterwegs. "Früher hatten die Anwohner gut zu tun mit den Lastern", weiß Günther Belis aus eigener Erfahrung.
Der ehemalige Lagermeister hat 20 Jahre für Thyssen-Krupp Schulte gearbeitet und ist dem Gelände als eine Art Hausmeister treu geblieben. Gemeinsam mit einem kalbgroßen Hund wacht er nun über die Abläufe vor Ort. Verschiedene Zwischennutzer werkeln in den Hallen und nutzen sie als Lager für Stahl oder Steine. Manche Mitarbeiter dieser Firmen sind alte Kollegen von Belis, die ebenfalls nicht mit zum neuen Standort ihres alten Arbeitgebers nach Rotenburg/Wümme wechseln wollten.
Belis erinnert sich noch gut an die Zeit, als der Stahl bei Thyssen-Krupp Schulte noch auf Waggons verladen wurde. Heute sind die Schienen auf dem Firmengelände mit kleinen Birken überwuchert.
Wohnen frühestens in drei bis vier Jahren erlaubt
Mindestens drei bis vier Jahre wird es wohl dauern, so schätzt Schürmann, bis das neue Baurecht dann Wohnen und weitere Nutzung jenseits von Gewerbe erlaubt. Erst dann kann die neue Entwicklung vor Ort so richtig durchstarten. Bis dahin wissen Planer und Investoren auch, welchen Lärmschutz sie wegen des Flugverkehrs für die neuen Bewohner einbauen müssen. Außerdem muss mit der Naturschutzbehörde geklärt werden, wie man möglichst behutsam einen Zugang zum Sodenmattpark schaffen kann.
Für Stadtplanerin Halves geht es um einen "versteckten Ort, den wir freilegen wollen. Aber was hier entsteht, muss auch zum Stadtteil passen."