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Müllsammelaktion Freiwillige engagieren sich für eine saubere Bahnhofsvorstadt

In der Bahnhofsvorstadt wird aufgeräumt: Freiwillige sammeln Müll und machen auf das Problem der Umweltverschmutzung aufmerksam.
26.06.2025, 05:00 Uhr
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Von Matthias Holthaus

„Ein einziger Zigarettenfilter macht einen Kubikmeter Wasser kaputt“, erklärt Ulrich Aßmann, während er mit seinem Abfallgreifer eine Kippe nach der anderen aufhebt und in seine mitgebrachte Dose legt. In Bezug auf Müll findet er: „Die westliche Bahnhofsvorstadt ist da ein wenig problematisch.“

Im Rahmen des Projekts „Quartiersentwicklung in Kleinst- & Sondergebieten“ (QEK) im Landesprogramm Lebendige Quartiere gab es bereits im November 2024 eine Müllaktionswoche. Nun stand die Neuauflage an und im „Quartier-Hier!“ der Hans Wendt-Stiftung im Doventorsteinweg versammeln sich bei hochsommerlicher Hitze vier wackere Müllsammelnde, um in der eigenen Nachbarschaft aufzuräumen. „Wir sammeln bereits zum vierten Mal“, sagt Angelika Aßmann. Und auf die Frage, ob es nicht eigentlich egal sei, ob nun Müll herumliege oder nicht, sagt sie bestimmt: „Nein. Ich möchte doch nicht die Kippen vor der Tür haben. Und ich habe auch Enkelkinder.“ Und überhaupt, der Klimawandel – „es hängt doch alles mit allem zusammen.“

Ulrich Aßmann schätzt, er habe bereits einige Badewannen voll Kippen gesammelt, „dass sich das noch nicht herumgesprochen hat“, wundert er sich. Denn über 7000 Schadstoffe sind nach Angaben des BUND-Bremen in Zigaretten enthalten, davon 50 krebserregende Stoffe. Der Großteil wird vom Filter herausgefiltert und löst sich beim Kontakt mit Wasser. Und auch der Filter selbst ist problematisch: Er besteht aus Zellulose-Acetat, einem Kunststoff. Durch Zerfaserung verbleibt der Filter über viele Jahre in der Umwelt und wird zu Mikroplastik. Doch nicht jeder Mensch ist sich dessen bewusst. „Neulich haben wir gesammelt und eine Frau hat eine Kippe direkt vor unsere Füße geworfen“, erzählt Angelika Aßmann. „Und als ich ihr sagte, dass sie da etwas verloren hätte, sagte sie, nein, die habe sie mit Absicht dort hingeworfen.“

Jula Eichhorn ist Übungsleiterin im „Quartier-Hier!“ und sammelt ebenfalls mit. „Es ist sehr sinnvoll, das zu tun, um mit diesem Thema sichtbar zu sein. Und damit die Leute einzuladen, mitzumachen.“ Aufklärung tut also not, „wir finden zu 95 Prozent Kippen“, sagt Ulrich Aßmann, während sich die Gruppe teilt und er die Vietorstraße absucht. Es sind aber nicht nur die kleinen Kippen, sondern auch die großen Müllablagerungen. Ulrich Aßmann zeigt sich ratlos, „die Leute legen den Müll vor die Tür und freuen sich, wenn es weggeräumt wird.“ Vielleicht hätten sich die Menschen etwas Neues gekauft und könnten dann nicht bis zum Sperrmüll warten. „Dann ist es aus der Wohnung raus und die Welt ist in Ordnung“, vermutet er. Genauso wie bei manch einem Raucher: „Die halten ihre Wohnung sauber, rauchen dort nicht und werfen draußen ihre Kippen weg.“ Oder falsch gefüllte Gelbe Säcke mit Pizzakartons oder Windeln: „Dann bleibt der Gelbe Sack dort stehen, bis die Ratten kommen und alles aufreißen.“ Letztendlich komme dann doch die Stadtreinigung und nehme den Müll mit: „Und die Allgemeinheit zahlt.“

Die Leute legen den Müll vor die Tür und freuen sich, wenn es weggeräumt wird.
Ulrich Aßmann, Anwohner

Im Doventorsdeich sieht es vor mehreren etwas verwahrlost aussehenden Wohnblöcken wüst aus: Neben einem Hauseingang liegt ein aufgerissener Müllbeutel, auf der anderen Seite des Eingangs fliegt noch mehr Müll herum, eine Bratpfanne liegt im Gras. „Die besonderen Hausecken erreicht man nicht, da gibt es auch sprachliche Probleme“, vermutet Aßmann. Dabei gebe es mehrsprachige Flyer von der Stadtreinigung, die über das Müllsystem informieren. Wobei er auch sagt: „Das Müllproblem läuft durch alle Schichten – junge und alte Leute, hier geboren oder als Geflüchtete hierher gekommen. Es wäre absolut falsch, das in eine Richtung zu schieben.“ An der Ecke zum Breitenweg hat jemand seinen schwarzen Schrank auseinandergebaut an die Hauswand geschoben. Daneben ein großer Karton, in dem ein kaputter Fernseher auf Abholung wartet – inklusive Fernbedienung und der Aufschrift „Schrott“.

Dabei sah das Viertel noch anders aus, als Ulrich Aßmann mit seiner Familie vor 35 Jahren in eine Nebenstraße gezogen ist. „Eine schöne, ruhige Wohnstraße, man kannte sich und unsere Kinder sind hier aufgewachsen. Früher war das toll hier, eine schöne Gemeinschaft“, erinnert er sich. „Doch jetzt versinkt man in der Anonymität. Und das Ergebnis ist, dass sich für den Müll keiner mehr zuständig fühlt.“ Während er das sagt, kommt ein junger Mann aus dem Breitenweg-Eckhaus und bringt die restlichen Schrankelemente – da könne die Stadtreinigung nichts machen, sagt Ulrich Aßmann, weil der Bereich, wo die Schrankelemente stünden, privat sei. „Doch Eigentum verpflichtet!“, findet er, „und das gehört dann auch dazu, dass man das pflegt.“

An der Ecke zur Contrescarpe trifft sich die Gruppe wieder, eine „gute Ausbeute“ nennt Ulrich Aßmann die gesammelten Kippen. „Dabei gibt es doch Handaschenbecher“, verweist Mitstreiterin Liliana Oborska auf die kostenlosen Angebote der Hans-Wendt-Stiftung oder der Bremer Stadtreinigung. Gemeinsam zieht die Gruppe nun durch die Wallanlagen. Insbesondere im Umkreis der Parkbänke, wo jeweils auch ein Mülleimer aufgestellt ist, sind viele Kippen und mancherlei Abfall zu sehen. Und direkt am Gewässer: aufgerissene Müllbeutel mitsamt herumfliegendem Inhalt. „Das kann man jetzt gar nicht leisten, das schicken wir mal zur Stadtreinigung hin“, sagt Angelika Aßmann und bedient den Mängelmelder, der unter https://bremen.mängelmelder.de erreichbar ist und der ermöglicht, wilde Müllablagerungen auf öffentlichem Grund zu melden.

Zurück im „Quartier-Hier!“ ist es Zeit für ein Fazit: „Kippen“, da sind sich alle einig, „Kippen sind ein riesiges Problem.“

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