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Auf der Suche nach wilden Müllablagerungen Unterwegs mit Abfallberatern der Bremer Stadtreinigung

Antje Zlomke und Rainer Schnepf sind Abfallberater der Bremer Stadtreinigung, seit Anfang 2019 gibt es das Projekt. Ihre Aufgabe: wilde Müllkippen aufspüren und über die richtige Entsorgung beraten.
21.03.2021, 21:00 Uhr
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Von Helke Diers

Obwohl sie zwei Hosen übereinander trägt, friert Antje Zlomke. An besonders kalten Tagen seien es manchmal sogar drei Hosen gewesen, sagt sie. Zlomke und ihr Kollege Rainer Schnepf sind als Abfallberater der Bremer Stadtreinigung (DBS) unterwegs. Die meiste Zeit verbringen sie draußen, im Kontakt mit Passanten und Anwohnern - und immer auf der Suche nach wilden Müllablagerungen.

An diesem Morgen sind sie als erstes in der Bürgermeister-Smidt-Straße unterwegs. Schnepfs und Zlomkes Bereich ist Bremen-Mitte. Zwei große Säcke mit Bauabfällen sind an einen Baum gelehnt, darum herum verteilt Plastiktüten, blaue Säcke, Einwegkaffeebecher. Die Abfallberater haben die Stelle mit einem weißen Flatterband markiert. „Wir ermitteln“ steht darauf. „Hier ist einer der Hotspots“, sagt Schnepf. „So nennen wir Ecken, die besonders auffällig sind.“ Andere Hotspots seien bestimmte Bereiche im Viertel oder in Gröpelingen. „Gestern war ich schon einmal mit einer Kollegin hier. Da waren die 300 Liter Restmüll, der jetzt hier oben liegt, noch nicht vorhanden“ berichtet Zlomke. Sie kommt zu einer Art Naturgesetz des Mülls: Wo bereits Müll liege, komme noch mehr hinzu.

Die Berater sind seit Anfang 2019 in vier Teams im Stadtgebiet unterwegs. Ihre Aufgabe: Kontrolle und Beratung. „Wir sind die Schnittstelle zwischen Bürgern, den Fundstücken und unseren Kollegen“, sagt Schnepf. Die Kollegen werden den Müll in nächsten Tagen einsammeln - und ermitteln, ob das angrenzende Gebäude ordnungsgemäß mit Mülltonnen versorgt ist. Der Abfallberater berichtet von einem neuen Projekt: Ein Transporter soll angeschafft werden, um wild entsorgte Säcke einzusammeln und den Müll nach Hinweisen auf die Verursacher zu untersuchen. „Das soll verstärkt zu Ordnungswidrigkeitsanzeigen führen“, sagt Schnepf. „Wir möchten beraten und unterstützen, wie es besser gehen kann.“

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Schnepf berichtet über Apartmenthäuser mit häufigen Mieterwechseln und Menschen, die wenig über Müllentsorgung wüssten. Manche wüssten zudem nicht, dass sie mit der Miete bereits Müllgebühren bezahlt hätten. Er erzählt von großen Mietshäusern, in denen Bewohner keinen oder nur einmal wöchentlich Zugang zu den Mülltonnen hätten. „Es gibt Eingangsbereiche, da erschreckt man sich. Und es gibt Umstände, da ist kein Klingelschild mehr funktionstüchtig. Menschen, die einen solchen Eingang betreten müssen, um in ihre Wohnung zu kommen, haben häufig auch kein großes Interesse daran, ihr Umfeld pfleglich zu behandeln“, meint er. Die Abläufe der Müllentsorgung seien Menschen aus unterschiedlichen Gründen häufig nicht geläufig - auch sprachliche oder kulturelle Hürden spielten eine Rolle.

Zlomke und Schnepf laufen weiter durch die Große Weidestraße. Große Häuser, keine Vorgärten, wenig Grün, abgeklebte Fenster. An einem Gehwegpoller lehnen mehrere schwarze Säcke, teilweise sind sie aufgerissen. Pizzakartons, Essensreste und Verpackungen quellen hervor. Es geht quer durch alle Abfallarten. Man kann erahnen, wie es hier in ein paar Tagen riechen würde. Die Säcke müssten in der Nacht abgelegt worden sein, meint Zlomke. Sie notiert den Fundort auf einer Liste und schätzt den Umfang. Ein Anwohner sagt im Vorbeigehen: „Schlimm ist das hier, dafür habe ich keine Worte.“ Er wünscht den beiden Müllberatern noch einen schönen Tag.

In ihren Fahrradtaschen haben die Berater mehrsprachige Flyer dabei: Piktogramme zeigen, wie Bio-, Rest- und Papiermüll getrennt werden, was in den Gelben Sack gehört und was Sperrmüll ist. Sieben Gespräche werden Zlomke und Schnepf am Ende des Tages geführt haben. 3000 Beratungen aller Teams waren es im vergangenen Jahr. Fast 250 illegal abgestellte Abfälle wurden von den Verursachern wieder eingesammelt, zeigt die DBS-Statistik.

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Die Pandemie hat sich auch auf die Müllentsorgung ausgewirkt: Viele Bremerinnen und Bremer haben ihr Zuhause entrümpelt. Einiges davon ist im öffentlichen Raum gelandet. Ein Hotspot seien die Containerplätze, sagt Schnepf. Dort will die Stadtreinigung demnächst gezielt eingreifen: mit mehrsprachigen Schildern, verkürzten Reinigungsintervallen und mehr Kontrollen. In den vergangenen zwei Jahren seien außerdem 224 zusätzliche Abfallbehälter aufgestellt worden. Dazu kämen sogenannte Saisonbehälter und Großcontainer für die warmen Tage in Grünanlagen und an Badeseen.

Schnepf zeigt auf eine Unterführung. Dort habe er die seltsamsten Funde gemacht: Coca-Cola-Kühlschränke, einen 25-Kilo-Sack Stärke, einen Lattenrost und eine Patronenhülse. Der Berater kann nur spekulieren, wie es zu diesem Mix gekommen ist.

Nachdem die aufgerissen Müllsäcke registriert sind, gehen die Abfallberater in Richtung Hauptbahnhof. Neben einem Baum entdecken sie einen ausrangierten Ventilator und eine Kaffeemaschine. Wilde Müllkippen gebe es häufig an Bäumen, Pfählen oder Zäunen. So auch die nächste Fundstelle am Breitenweg. Vor einer Baustelle stehen rot-weiße Absperrgitter mitten auf dem Gehweg, schwarze Müllsäcke, Lebensmittelreste und Plastiktüten lehnen daran. Der Besitzer des angrenzenden Wettbüros habe schon versucht, das Problem zu lösen - ohne Erfolg. Mithilfe der Berater habe sich nun geklärt: Die Absperrungen kommen zurück auf die Baustelle. Das verhindere dann hoffentlich einen erneuten Müllhaufen, sagen sie.

Obwohl er mehr Müll sieht, als die meisten Menschen der Stadt, will Schnepf Bremen nicht darauf reduzieren. „Die meisten Ecken, Straßen und Stadtsituationen sind fein und schick. Ich finde Bremen hat so grüne und schöne Ecken, die man in den Fokus nehmen sollte“, sagt er.

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Mehr als 3000 Beratungsgespräche

Neun Abfallberaterinnen und Abfallberater sind für die Bremer Stadtreinigung (DBS) im Stadtgebiet unterwegs. „Das Feedback, das wir für unsere Arbeit erhalten, ist in aller Regel sehr positiv. Ziel ist ein offener Austausch, in dem wir abfallwirtschaftliche Zusammenhänge verständlich vermitteln möchten. Wir klären unter anderem über korrekte Trennung, gesetzliche Vorgaben, Leerungsintervalle und unsere Leistungen auf, sind aber genauso offen für Vorschläge zur Verbesserung, die wir im Nachgang prüfen und umsetzen können“, sagt Meike Ahrens-Drost, Referatsleitung Leistungscontrolling bei DBS. Im vergangenen Jahr führten die Berater über 3000 persönliche Gespräche. Die Zahl der gemeldeten illegalen Müllablagerungen sei von 2019 zu 2020 um ein Drittel zurückgegangen.

Im vergangenen Jahr wurden nach Angaben der Stadtreinigung rund 170.000 Gespräche geführt und circa 65.000 schriftliche Anfragen bearbeitet. Der Kundenservice ist wochentags (derzeit von 10-16 Uhr) unter 0421/361-3611 oder unter info@dbs.bremen.de zu erreichen. Internetseite: die-bremer-stadtreinigung.de.

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