Innensenator Ulrich Mäurer hat am Dienstagmittag einen umfassenden Brandschutzbedarfsplan vorgelegt. Wo lässt sich die Bremer Feuerwehr weiter optimieren? Braucht es auf jedem Einsatz zwangsläufig einen Leiterwagen und sind alle Bremer gleich gut vor Bränden geschützt? Auf 240 Seiten bescheinigt ein externes Gutachten der Stadtgemeinde zwar eine schlagkräftige und starke Feuerwehr, sieht aber auch Modernisierungsbedarf.
Konkret hat das Beratungsunternehmen Lülf+ auf Basis von mehr als 8500 "Lösch- und Hilfsleistungsdiensten" 2024 in Bremen eine Risikoanalyse zur Wahrscheinlichkeit und Schwere von Bränden erstellt. Vor allem der Innenstadt-Bereich und der Bremer Osten sind durch ihre dichte und hohe Bebauung gefährdet. Gut 25 Jahre alte Vorgaben legen fest, dass die Feuerwehr sowohl in der Obernstraße als auch im Blockland nach zehn Minuten Fahrtzeit mit mindestens einem Einsatzfahrzeug plus Drehleiter vor Ort sein muss. Aber wird eine Drehleiter beim zweistöckigen Wohnhaus auf dem Land im gleichen Maße benötigt wie beim Hochhaus in der Stadt?
Gutachten sieht acht Minuten Eintreffzeit vor
Das Gutachten schlägt eine Neuordnung vor. Künftig gilt nicht die Fahrtzeit als Marker, sondern die Eintreffzeit. Die Uhr tickt also, sobald auf der Wache der Alarm schrillt, und nicht erst, wenn die Reifen rollen. Dann hat die Feuerwehr zehn Minuten Zeit, um vor Ort zu sein, in Risikogebieten wie der Innenstadt sollen es künftig acht Minuten sein.

Die Risikokarte von Lülf+ Sicherheitsberatung zeigt, dass vor allem die Bremer Innenstadt bei Bränden gefährdet ist.
Das erfordert direkt und indirekt rund 60 bis 70 Maßnahmen. Während vor eineinhalb Jahren eine neue Wache am Hochschulring die Abdeckung Richtung Borgfeld verbessert hat, soll die Feuerwache in Bremen-Osterholz komplett erneuert werden. Die in die Jahre gekommene Hauptwache Am Wandrahm in der Bahnhofsvorstadt platzt laut Feuerwehr-Chef Philipp Heßemer aus allen Nähten und soll modernisiert werden, die Neustädter Wache perspektivisch leicht versetzt und die Hulsberger Wache aufgeteilt werden.
Eine größere Rolle spielt laut Gutachten in Zukunft die Freiwillige Feuerwehr. Deren 19 Bremer Standorte und 700 Aktiven sollten mehr eingebunden und per Blockbeschaffung zusammen mit ihren hauptamtlichen Kollegen neues, modernes Arbeitsgerät erhalten. Die Stärke der Berufsfeuerwehr soll derweil von aktuell 750 auf 800 Personen wachsen – aufgrund des angespannten Arbeitsmarkts in erster Linie über neue Ausbildungsprogramme. In den vergangenen Jahren hatte es große Schwankungen bei der Sollstärke gegeben. Der Grund ist laut dem Papier ein bundesweiter Trend: mehr Fehltage bei den Beschäftigten, mehr Väter in Elternzeit.
Bis wann sollen die Maßnahmen umgesetzt werden und wie sollen sie finanziert werden?
Auf Nachfrage ein kurzes Schweigen, bis Innensenator Ulrich Mäurer erklärt, er gehe davon aus, dass das Gesetzgebungsverfahren Ende des Jahres starten könne. Feuerwehr-Leiter Philipp Heßemer ergänzt zwar, dass nicht alle Maßnahmen Geld kosten würden. Doch zumindest neue Wachen, Sanierungen, neue Fahrzeuge und mehr Mitarbeiter gibt es nicht zum Nulltarif.
Sven Ohrem von Lülf+ unterstreicht, dass wirtschaftliche Machbarkeit kein Bestandteil des 240-seitigen Brandschutzbedarfsplan sei. Dieser sei mehr eine Orientierung, ein Kommunikationsinstrument. Es ist auch die Antwort auf die Frage, ob acht Minuten Eintreffzeit noch realistisch sind – etwa bei einem Brand um zwei Uhr nachts, wenn auch die Einsatzkräfte auf der Wache im wahrsten Sinne des Wortes erst mal aus dem Bett und die Puschen kommen müssen. Für das Gutachten sei nicht untersucht worden, was hier die kürzestmögliche Zeit sei, so Ohrem, sondern was wünschenswert und erfahrungsgemäß machbar sei. Der nächste Schritt sei nun, die Grundlagen hierfür zu schaffen.
Bereits 2023, als die jüngste Wache der Bremer Feuerwehr eingeweiht wurde, visierte Mäurer einen Ausbau der Bremer Feuerwehr an, konnte jedoch zu diesem Zeitpunkt keine Finanzierung vorweisen. Stattdessen klagte die Gewerkschaft Verdi ein Jahr später über defekte Drehleitern. Die Deutsche Feuerwehr-Gewerkschaft in Bremen hatte Haushaltsentwürfe des Innenressorts in den Vorjahren aufgrund des niedrigen Feuerwehr-Budgets kritisiert.
Eine erste Einschätzung zu den jüngsten Plänen des Innenressorts kommt von Marco Lübke, innenpolitischer Sprecher der Bremer CDU-Fraktion. Diese Pläne seien in erster Linie "Absichts- und Willenserklärungen". Es gehe nun darum, dass diese "wichtigen Punkte", die in der Vergangenheit "kein großer politischer Schwerpunkt" gewesen seien, auch tatsächlich umgesetzt würden. Laut Gutachter Sven Ohrem ist dies bei 80 bis 90 Prozent der empfohlenen Maßnahmen sofort möglich. Bevor diese jedoch verbindlich werden und Eingang in ein Ortsgesetz finden, müssen sie noch die politischen Gremien durchlaufen.