Wie barrierefrei ist der Bremer Hauptbahnhof? Die Antwort hängt auch davon ab, zu welchen Zeiten mobilitätseingeschränkte Reisende dort ankommen oder abfahren wollen. Die Bremer Regierungskoalition sieht Nachholbedarf und hat einen entsprechenden Antrag für den Landtag eingereicht. Linke, SPD und Grüne setzen sich dafür ein, dass der Zugang zu Fernverkehrszügen auch nachts möglich ist. Für Rollstuhlfahrer ist in dieser Zeit der "letzte Meter", also der Übergang vom Bahnsteig in den Zug, das Problem.
Die Fahrzeuge, die die Deutsche Bahn im Fernverkehr einsetzt, sind selten bodengleich. Sprich: Beim Ein- und Ausstieg am Bahnsteig muss ein Höhenunterschied überwunden werden, der in der Regel größer ist als bei Regionalverkehrszügen und sich nicht durch eine Rampe ausgleichen lässt. Zum Einsatz kommen in den meisten Fällen Hublifte, die an den Bahnsteigen stehen und ausschließlich vom Bahnhofspersonal bedient werden. Eine Reise, bei der ein Hublift benötigt wird, müsse in der Regel spätestens am Vortag über die Mobilitätsservicezentrale (MSZ) der DB angemeldet werden, heißt es in dem Koalitionsantrag.
Einstieg mit dem Hublift nur tagsüber
„Eine Reise zu planen ist für mobilitätseingeschränkte Menschen ohnehin schon deutlich komplizierter und aufwendiger als für andere Menschen,“ erklärt Tim Sültenfuß, inklusions- und mobilitätspolitischer Sprecher der Linken-Bürgerschaftsfraktion. "Wenn dann noch Barrieren während der Reise selbst auftreten, kann eine Fahrt mit der Deutschen Bahn schnell zur Odyssee werden", sagt Sültenfuß, der selbst Rollstuhlfahrer ist. Neben der erschwerten Planung ist es in Bremen vor allem die zeitliche Beschränkung, die für Kritik sorgt. Weil das Zugpersonal die Hublifte nicht bedienen darf, müssen sich Reisende an den Arbeitszeiten des Servicepersonals orientieren. Der Ein- und Ausstieg mithilfe der Hublifte ist demnach am Bremer Hauptbahnhof nur zwischen sechs Uhr morgens und 23.45 Uhr abends möglich.
"Außerhalb dieser Zeiten bekommen Menschen mit Rollstuhl keine Hilfe durch das Personal der Bahn. Entsprechende Reiseanmeldungen werden von der Mobilitätsservicezentrale abgelehnt und Reisende darauf verwiesen, eine andere Verbindung zu nutzen", kritisieren die Bremer Verkehrspolitiker. Die Modernisierung der DB-Fahrzeuge auf einen bodengleichen Einstieg werde voraussichtlich noch Jahrzehnte dauern. "So lange können mobilitätseingeschränkte Reisende nicht auf Barrierefreiheit warten", betonen die Antragsteller. Einige neuere ICE-Züge verfügen zwar über bordeigene Hublifte – sie bilden aber in der Fahrzeugflotte eine deutliche Minderheit. Außerdem gibt es laut Sültenfuß immer wieder Probleme mit der Bedienung dieser Lifte.
Linke, SPD und Grüne fordern den Senat auf, gemeinsam mit der DB Infrago AG, der DB Sicherheit und anderen Akteuren Lösungen für das Problem zu suchen. Geprüft werden soll zum Beispiel, ob zu bestimmten Zeiten die DB Sicherheit die Bedienung der Hublifte übernehmen könnte. Zudem fordern die Koalitionäre, dass Senat, Bund und Länder sich gegenüber der DB "für einen barrierefreien Fernverkehr rund um die Uhr im gesamten Bundesgebiet" einsetzen.