Dass es in Bremen in diesem Jahr noch Stars Konzerte in der ÖVB-Arena geben wird, hält Hans Peter Schneider, Geschäftsführer der Messegesellschaft M3B GmbH, für unwahrscheinlich. Auch was Publikumsmessen angeht, ist er skeptisch. Das bundesweit geltende Verbot von Großveranstaltungen bis mindestens zum 31. August setzt der Messe-Branche zu. „Wenn bis November nichts geht, wird unser Minus eher bei acht als bei sechs Millionen Euro liegen“, sagt Schneider. „Ich gehe derzeit von einem Worst-Case-Szenario aus.“
Noch härter wird die Corona-Pandemie die Deutsche Messe AG in Hannover treffen. Großkaliber wie die Hannover Messe und die IAA sind abgesagt, laut NDR drohen 100 Millionen Euro Verlust. Der Ausstellungs- und Messe-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft (Auma) prognostizierte Mitte April für Deutschland allein aufgrund der bisherigen Absagen Verluste in Höhe von mehr als neun Milliarden Euro für die Wirtschaft, die von Messen profitiert, sowie 1,48 Milliarden Euro an Steuerausfällen. Sollten die im Frühjahr verschobenen Messen im Herbst nicht stattfinden, fiele der Schaden deutlich höher aus. In Gefahr, so der Auma, seien rund 76 400 Arbeitsplätze.
„Ich hoffe, dass wir spätestens im Februar 2021 wieder normale Messen machen können“, sagt Schneider. Die Einnahmeverluste in diesem Jahr belaufen sich in den Monaten März bis Mai auf insgesamt 2,7 Millionen Euro, alleine im Mai hätten sonst die derzeit auf Ende September verschobene Stückgut-Messe „Breakbulk“ und der „Deutsche Wundkongress“ rund 1,7 Millionen Euro in die Messe-Kasse gespült. Normalerweise liegt der Umsatz der Messe bei rund 23 Millionen Euro im Jahr. Um nicht in akute Liquiditätsschwierigkeiten zu geraten, hat die M3B bereits angekündigt, einen Kredit in Höhe von rund zehn Millionen Euro im temporären Cash-Pooling Bremens zu beantragen
Komplett verwaist sind die Hallen derzeit nicht: Die Corona-Ambulanz belegt die Hallen 5 und 6, Halle 7 die Bremische Bürgerschaft für die Zusammenkunft des Parlaments. Dafür erhält die M3B eine fünfstellige Summe pro Sitzungswoche, laut Schneider „kostendeckend und ein bisschen darüber hinaus“. Die Bestuhlung bleibt aufgebaut, Tagungsmöglichkeiten angefragt haben bereits auch der Findorffer Beirat und eine Steuerberater-Gesellschaft. Schneider: „Wir versuchen das, was derzeit möglich ist.“
Alternative Konzepte
Grundsätzlich hält der Messechef Tagungen und Kongresse für ein begrenztes Fachpublikum früher wieder machbar als Konzerte, Events wie die abgesagte Quotenfete und Publikumsmessen wie "Hanselife" oder "Fisch & Feines". Auch ob auf der traditionellen Freimarkt-Party in Halle 7 im Oktober gefeiert werden kann, müsse man sehen. "Wir müssen abwarten, was der Gesetzgeber dann erlaubt", sagt Schneider. "Vor allem bei den Massenveranstaltungen bin ich skeptisch." Ein Teil des M3B-Teams arbeite derzeit an alternativen Konzepten wie beispielsweise Online-Formaten für Messen. Der ursprünglich für Anfang Mai geplante Kongress "Leben und Tod" ist als solches Format gelaufen, "bringt uns natürlich aber keinen Umsatz", sagt Schneider.
Kurzarbeit angemeldet hat die M3B bislang nicht, laut Schneider wäre das aufgrund der unterschiedlichen Auslastung der Abteilungen – auch Großmarkt und Ratskeller sind Teile der Gesellschaft – auch betriebsrechtlich und mitbestimmungstechnisch nicht ganz einfach. Ganz vom Tisch ist sie allerdings nicht. „Wir sind offen in der Diskussion mit der Belegschaft“, sagt der Chef. Zuletzt hatten rund 30 Messe-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter zusammen mit Schneider als Organisator bei der Bremer Aufbau Bank bei der Bearbeitung der Anträge auf finanzielle Unterstützung ausgeholfen.
Möglich, dass sie erneut zum Einsatz kommen, wenn in Kürze die neuen Förderprogramme des Bundes anlaufen. Die Länder dringen laut Kai Stührenberg, Sprecher von Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Linke), allerdings darauf, dass der Bund die Verteilung der Hilfen zentral, beispielsweise über die Kreditanstalt für Wiederaufbau, organisiert. „Der Aufwand für die Länder wäre sonst enorm“, sagt Stührenberg.
Auch der Verband der Messebauer stellt eine düstere Prognose auf. Jan Kalbfleisch, Geschäftsführer des Fachverbands Messe- und Ausstellungsbau, befürchtet, bundesweit könnten rund 250.000 Menschen ihren Job verlieren, weil vielen Betrieben die Liquidität ausgehe. Auch der Bremer Messebauer Andreas Zöllner hat das Jahr 2020 bereits abgehakt. „Bis Mitte Februar haben wir noch gebaut, dann war Schluss“, sagt er. Kündigen musste er niemand, aber die 40 Subunternehmer, mit denen er normalerweise arbeitet, bekommen nun keine Aufträge mehr von ihm. Zöllner: „Ich habe zum Glück Rücklagen, aber 800.000 Euro Umsatz für das Jahr sind auf null gesetzt und damit auch rund 70.000 Euro Steuern.“
Schwierige Zukunft Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Linke) hatte sich am Donnerstag mit Vertretern von Clubs, Konzertagenturen, Theatern und Varietés getroffen. Dabei ging es um finanzielle Aspekte, das Überleben der Unternehmen und Ansätze für eine Zukunft unter veränderten Bedingungen. Nach Einschätzung der Teilnehmenden werde es 2020 keine Konzerte mehr geben können, auch das erste Quartal 2021 sei unsicher, heißt es in einer Mitteilung.