Wer ständig in der Bremer Innenstadt unterwegs ist, dort lebt und arbeitet, bekommt jeden Tag mit, was zwischen Wall und Weser gelingt und was eher nicht. Das Kleine und Große, die Details und die Strukturen. Zuletzt, das ist jedem klar, ist es nicht gut gelaufen. Ganz zuletzt überhaupt nicht, als die Schließung von Galeria Kaufhof bekannt wurde und es entsprechende Berichte auch über Karstadt Sports gab. Nicht zu vergessen und ganz wichtig, sogar elementar: das Scheitern der Neubaupläne auf dem Sparkassengelände am Brill. Lauter Hiobsbotschaften, trotzdem aber nur ein Ausschnitt des gesamten Dilemmas. Der Innenstadt geht es dramatisch schlecht, sie steckt tiefer denn je in der Krise, und langsam fehlt die Fantasie, wie dieser Trend aufgehalten werden kann.
Doch fangen wir im Kleinen an, das in der Summe ja auch schon wieder Großes ist. Christian Weber, bis zu seinem Tod Bürgerschaftspräsident, hatte beklagt, dass ihm in Bremen unter den Verantwortlichen in Politik und Verwaltung zu wenig Menschen unterwegs sind, die Bremen wirklich lieben. Auf eine Art, dass sie in die Ecken schauen und sich kümmern. Die etwas tun, wenn zum Beispiel die Wallanlagen an den Wochenenden vermüllt sind.
Die es nicht ertragen, wie sich der Wochenmarkt auf dem Domshof präsentiert: zerfleddert, wenn nur wenige Stände da sind. Wie eine Wagenburg, wenn es viele sind und die Händler ihre Transporter mitten auf dem Platz abstellen. Der Präsident hatte viel dagegen versucht, immer wieder Initiativen gestartet, doch es half nichts, zu stark war die Bräsigkeit der mutlosen Akteure.
Baustellen, die nie enden
Solche Beispiele ließen sich endlos fortsetzen. Billigheimer-Veranstaltungen und Werbeaktionen rund ums Rathaus. Wer lässt so etwas zu? Baustellen, die nie enden. Für eine davon ist die Handelskammer verantwortlich, sie hat fast zwei Jahre mit ihren Gerüsten einen wichtigen Eingang zum Domshof zugestellt. Jene Kammer, die sich sonst stets um das Bild der Innenstadt sorgt. Alles Dinge, die ohne viele Umstände besser zu handhaben wären. Passiert aber nicht.
Dann die strukturellen Probleme. Sie sind durch Corona wie unter einem Brennglas deutlich zum Vorschein gekommen. Der Einzelhandel, besonders die Textiler, erlebt die stärkste Krise seit Jahrzehnten. Esprit, Gerry Weber und einige mehr haben ihre Filialen in der Innenstadt bereits geschlossen. Bei anderen wie Appelrath-Cüpper zum Beispiel, das noch kein Jahr in Bremen ist, droht das ebenfalls. Ein Aderlass. Und wenn das Ergebnis kein Leerstand ist – es gibt so viel davon wie noch nie, berichten Makler –, dann rücken Ramschläden nach. Oder es zieht, wie in der einstigen 1-a-Lage an der Sögestraße, ein Drogeriemarkt ein, der dort eigentlich nichts zu suchen hat.
Die Ursache dieser Entwicklung ist sattsam bekannt. Der Online-Handel gräbt den Ladenbetreibern das Geschäft ab, für sie bleibt immer weniger übrig. Zum Einkaufen in die Stadt – kann man noch machen, doch in Zukunft muss viel mehr dazukommen, um Menschen anzulocken. Bremen hat in seinem Zentrum unbestritten Pfunde, mit denen es wuchern kann: die Lage am Fluss, der wunderschöne Marktplatz, das Weltkulturerbe Rathaus und Roland, der Schnoor, die Böttcherstraße. Im Prinzip auch die Wallanlagen. Es fehlt aber die Quirligkeit, vor allem am Abend. Cafés, Kneipen, Bars, die länger geöffnet haben und nicht an der Schlachte liegen, wo das schon funktioniert. Es fehlen die besondere Angebote, ausgefallene Geschäftsideen, Kunst und Kultur.
Der Bürgermeister hat jetzt zu einem Innenstadt-Gipfel eingeladen. Höchste Zeit. Nur darf nicht wieder nur palavert werden. Notwendig sind klare Verabredungen. Im Kleinen wie im Großen. Machen, anpacken, sofort, und wenn es so schnell nicht geht, wenigstens schon mal den Rahmen setzen. Es ist gut, dass Bremen in der Innenstadt für mehr Wohnungen sorgen will. Das ist einer der Schlüssel. Den anderen hat Kurt Zech in der Hand. Seine Pläne für die City müssen endlich konkret werden, sonst schaffen sie nur Unsicherheit und wirken wie Gift.