Stadt und Land Bremen werden 2020 mindestens ein halbes Jahr lang, möglicherweise sogar bis in den Herbst hinein ohne einen regulären Haushalt wirtschaften müssen. Der derzeit gültige Doppelhaushalt für die Jahre 2018/19 läuft dann aus, und weil der Gesetzgeber noch nicht nachgelegt hat und dies bis zum 31. Dezember auch nicht schaffen wird, beginnt anschließend eine Art haushaltslose Zeit.
Die öffentliche Hand darf dann grundsätzlich nur noch unabweisbar notwendige Ausgaben tätigen, für die rechtliche Verpflichtungen bestehen. Neue Projekte mit Finanzbedarf zu beginnen oder bestehende aufzustocken, ist nach dem Haushaltsrecht nicht zulässig. Freiwillige Ausgaben wie etwa Fördermittel für Vereine, Verbände und sonstige Institutionen sind in einer haushaltslosen Zeit ebenfalls problematisch. Der Senat wird in den kommenden Monaten noch rechtliche Instrumente finden müssen, um zu verhindern, dass diese Zuwendungsempfänger wegen ausbleibender Gelder in Schwierigkeiten geraten.
Ursache des Engpasses ist die lange politische Pause nach der Bürgerschaftswahl am 26. Mai. Bis sich die neue rot-grün-rote Regierung formiert hatte, waren die Sommerferien vorbei. In einigen Senatsressorts ist das Spitzenpersonal auf Staatsräteebene auch jetzt noch nicht komplett, die Arbeits- und Planungsfähigkeit damit eingeschränkt. Vor diesem Hintergrund ruhten die Vorbereitungen für den Doppelhaushalt 2020/21 zuletzt weitgehend.
Diesen Rückstand wird man bis zum Beginn des neuen Haushaltsjahres am 1. Januar nicht aufholen können, auch wenn jetzt Tempo gemacht wird. In den nächsten Tagen sind die ersten Gespräche der Staatsräte aus den einzelnen Senatsressorts mit der Finanzbehörde angesetzt. Dabei werden die Mittelbedarfe der Ressorts abgeklärt. Darauf aufbauend, soll dann nach dem Willen von Finanzsenator Dietmar Strehl (Grüne) Anfang Oktober im Senat der sogenannte Eckwertebeschluss gefasst werden. „Das ist eine ganz wichtige Etappe bei der Haushaltsaufstellung“, sagt Bremens oberster Kassenwart. Der Eckwertebeschluss weist den einzelnen senatorischen Behörden Budgets zu, die sie dann in den folgenden Monaten weitgehend eigenständig ausgestalten können.
Bedarfe und Einnahmen können sich ändern
Natürlich wird es an der ein oder anderen Stelle noch kneifen. Finanzbedarfe können sich ändern, bestimmte Positionen auf der Einnahmeseite ebenfalls. Seine endgültige Form erhält der Haushaltsentwurf deshalb erst nach den Klausuren der Staatsräte und des Senats im Frühjahr 2020. Anschließend kommen die Volksvertreter ins Spiel. Vor der Sommerpause soll das Zahlenwerk in der Bürgerschaft in erster Lesung beraten werden.
Für die Zeit nach den Ferien – also September 2020 – rechnet Dietmar Strehl mit dem endgültigen Beschluss des Parlaments. Genauer gesagt: Er rechnete. Denn diese Auskunft stammte vom Freitag vergangener Woche. Am Montagabend haben Spitzenvertreter von SPD, Grünen und Linken bei einer Koalitionsrunde vereinbart, sich ein etwas ehrgeizigeres Ziel zu setzen. Im Beisein Strehls kamen die führenden Akteure des Bündnisses überein, einen Haushaltsbeschluss möglichst noch vor den Sommerferien 2020 zu erreichen und die parlamentarischen Beratungen, wenn es irgend geht, nicht bis in den Herbst zu schleppen. Ob sich das erreichen lässt, ist offen.
Inhaltlich setzt Dietmar Strehl auf die Schwerpunkte des rot-grün-roten Koalitionsvertrages. „Die Sanierungsbedarfe und Neubauvorhaben bei Kitas und Schulen haben hohe Priorität“, sagt Strehl, der als Nachfolger der langjährigen Ressortchefin Karoline Linnert (Grüne) erstmals eine Etat-Aufstellung verantwortet. Auch Maßnahmen zum Klimaschutz müssten im Haushalt abgebildet werden, „da bin ich ganz Grüner“. Zur Finanzierung priorisierter Maßnahmen könnten aus Strehls Sicht auch Gelder herangezogen werden, die für den geplanten, aber politisch auf Eis gelegten Bau des Offshore-Terminals Bremerhaven (OTB) geparkt sind.
„Wir werden es uns wohl nicht leisten können, diese Mittel ungenutzt liegen zu lassen“, meint der Senator. Und noch eine Botschaft Richtung Seestadt sendet Strehl aus: Die von Feuer und Havarie gebeutelte „Seute Deern“ darf finanziell kein Fass ohne Boden werden. Schon nach dem Feuer an Bord des Segelschiffs war der Sanierungsbedarf auf mehr als 30 Millionen Euro geschätzt worden. Er könne sich nicht vorstellen, sagt Strehl, dass man das Schiff zu vertretbaren Kosten vollständig saniert bekommt. Im Fall überzogener Erwartungen an bremische Projektmittel werde man ihn „bockig“ erleben.