Eine Zeit lang sah es so aus, als ob die Baustelle im ehemaligen Lloydhof am Ansgarikirchhof nicht so recht vorankommt, doch nun wird offenbar der Turbo eingeschaltet. Im Dezember übernimmt die Wirtschaftsförderung Bremen (WFB) ihre Mietflächen in dem rot geklinkerten Gebäudekomplex. Auf den etwa 7700 Quadratmetern werden nach Angaben der WFB gut 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter untergebracht. Das Unternehmen ist bislang auf drei Standorte verteilt. Nach Plan läuft auch die Fertigstellung des Apartmenthauses mit 50 Einheiten auf 2000 Quadratmetern und der Bau von Wohnungen auf 1600 Quadratmetern. So teilt es der Investor auf Nachfrage mit. Apartmenthaus und Wohnungen sollen bis zum 30. Juni kommenden Jahres an die Mieter übergeben sein.
Zuletzt hatte es Gerüchte gegeben, der Lloydhof stünde wieder zum Verkauf. Gekoppelt mit den zögerlichen Baufortschritten und den abgespeckten Ausbauplänen ergab das ein Bild, das Zweifel weckte. Der Projektentwickler, die süddeutsche Firma Denkmalneu, sieht dafür freilich keinen Grund. „Wir bauen das Ding und werden unsere Ideen verwirklichen“, versichert Thomas Scherer, geschäftsführender Gesellschafter von Denkmalneu. Wie schon in Leipzig und Dresden soll das Ergebnis ein sogenanntes Lebendiges Haus sein, eine Mischung aus Gastronomie, Einzelhandel, Büro, Wohnen und Hotellerie. Aktuell sei nicht geplant, den Lloydhof zu verkaufen, schon gar nicht in der Bauphase. „Aber natürlich steht jedes Gebäude wegen Corona auf dem Prüfstand“, sagt Scherer.
Die Bauarbeiten umfassen derzeit den Trockenausbau der ersten drei Obergeschosse und die Aufstockung des hinteren Gebäudeteils um zwei weitere Geschosse. Bislang nur wenig passiert ist im Erdgeschoss. Die etwa 3000 Quadratmeter große Fläche war früher sehr kleinteilig genutzt worden und sollte nach den ursprünglichen Plänen von Denkmalneu einem einzigen Mieter übergeben werden, zum Beispiel einem Fitnessstudio. Daneben sollte auch noch Gastronomie einziehen. „Mittlerweile sind wir aber für alles offen“, erklärt Scherer nach fast drei Jahren erfolgloser Suche. Die klassischen Konzepte seien wegen der Pandemie und des Umbruchs in den Innenstädten vollkommen zum Erliegen gekommen, und für einen neuen Markt sei die Situation noch zu frisch. „Die Frage ist doch: Wie sieht die Handelsfläche nach Corona aus?“
Mit der WFB hatte Denkmalneu einen zeitlichen Korridor vereinbart, in dem die Büroflächen übergeben werden – frühestens im Dezember, spätestens im Frühjahr kommenden Jahres. Jetzt ist es gleich der erste Termin geworden. „Wir sind froh, dass der Zeitplan Bestand hat, das ist in Corona-Zeiten ja nicht selbstverständlich“, sagt WFB-Sprecherin Juliane Scholz. Die städtische Gesellschaft zieht auf fünf Obergeschossen im „Lebendigen Haus“ ihre drei bisherigen Standorte zusammen: die Bremer Touristik-Zentrale in der Findorffstraße, Bremen Online in der Faulenstraße und den WFB-Stammsitz im Kontorhaus am Markt.
Das Kontorhaus hat die Stadt an Christian Jacobs aus der Bremer Kaffeefamilie verkauft. Der Unternehmer kann das denkmalgeschützte Gebäude an der Langenstraße erst dann wie geplant umbauen, wenn die WFB ausgezogen ist. Das geschieht jetzt genau nach Plan. Jacobs will in den kommenden Jahren das sogenannte Balge-Quartier entwickeln. Dazu gehören neben dem Kontorhaus die historische Stadtwaage, das bereits fertiggestellte Johann-Jacobs-Haus an der Obernstraße und das Essighaus in der Langenstraße, das demnächst abgerissen und einem Neubau weichen wird. Übrig bleibt vom Essighaus lediglich die historische Fassade, ergänzt um historische Repliken.
Weitere Informationen
Statt Abriss ein Neuanfang
Der Lloydhof hat eine mehr als 40 Jahre alte Geschichte hinter sich. Er ist ein Bürohaus, in dem zuletzt die Umweltbehörde saß, und ein Geschäftshaus, das in den Monaten vor der Übernahme durch den Projektentwickler Denkmalneu als sogenanntes City-Lab genutzt wurde – Bremer Gründer durften für wenig Miete ihre Geschäftsideen ausprobieren. Das Konzept hatte keinen großen Erfolg, weil die Lage nicht gut genug war: mitten in der Stadt, aber wie in einem Kaninchenloch versteckt.
Damals war der Lloydhof in städtischem Besitz; Bremen hatte ihn für 25 Millionen Euro von einem Immobilienfonds der österreichischen Sparkasse gekauft. Ziel war, an der Stelle ein großes Einkaufszentrum errichten zu lassen. Dazu kommen sollte die Fläche vom Parkhaus am Brill, doch die Pläne für das City-Center platzten, als der letzte Interessant, ein Investor aus Portugal, abgesprungen war.
Vor drei Jahren hat die Stadt den Komplex wieder verkauft. Der Preis: 21,5 Millionen Euro. Von da an plante Denkmalneu das „Lebendige Haus“ – ganz so, wie vorher in Leipzig und Dresden, wo die Projekte bereits fertig sind und laufen. Für den Um- und Ausbau in Bremen hat Denkmalneu mit 35 Millionen Euro kalkuliert.
Gleich zu Anfang gab es Verzögerungen, weil die Stadt noch Nachbesserungswünsche bei der Gestaltung der Fassade hatte. Später wurden die Pläne merklich gestutzt – zu teuer, hieß es, und baulich schwierig. So wird es keinen spektakulären Dachaufbau mehr geben, jedenfalls nicht so, wie die in einem Wettbewerb gekürten Architekten das vorgesehen hatten: keine Dachterrasse, riesengroß und öffentlich zugänglich. Auch keine Sky-Bar hoch über der Innenstadt. Das ist jetzt alles Makulatur. Ergebnis ist beim Dach, dass die prägnanten Giebel frei stehen bleiben werden und das neue Dach erst gut zehn Meter dahinter aufragen wird. Das „Lebendige Haus“ behält damit zumindest in der Außenansicht stark die Anmutung des alten Lloydhofes.