Bei der Betreuung von Krippenkindern schneidet kein Bundesland so gut ab wie Bremen. Das geht aus dem neuen „Ländermonitoring Frühkindliche Bildungssysteme“ hervor, das die Bertelsmann-Stiftung am Dienstag veröffentlicht hat. Ein wichtiger Gradmesser für die positive Bilanz ist der Personalschlüssel: Bei den unter Dreijährigen kümmerte sich 2019 im Durchschnitt eine Kraft um drei Kinder – „bundesweit der günstigste Wert“, wie die Autoren der Studie anmerken. Dem entspricht die geringe Größe der Krippengruppen: Nur neun Kinder sind im Schnitt in einer Gruppe. Auf zehn Kinder kommen sechs andere Bundesländer, in Niedersachsen sind es 13.
Doch die Studie zeigt auch Defizite auf. Ausgerechnet bei der Krippenbetreuung klafft in Bremen eine enorme Lücke zwischen Betreuungsquote und Betreuungswunsch der Eltern. Knapp die Hälfte der Erziehungsberechtigten (48,1 Prozent) würde ihre unter dreijährigen Kinder gern in einer Krippe unterbringen, bei nur 28,4 Prozent geht dieser Wunsch aber auch in Erfüllung. „Mit einer Differenz von fast 20 Prozentpunkten zwischen der aktuellen Betreuungsquote und dem Bedarf zeigt sich im Bundesvergleich in Bremen neben Nordrhein-Westfalen und dem Saarland die größte Kluft“, heißt es in der Auswertung. Und die Schere öffnet sich weiter, seit 2013 ist der Bedarf um mehr als drei Prozent gestiegen.
Auch die Anzahl der Krippenkinder bewegt sich weiterhin auf einem niedrigen Niveau. Seit Einführung des Rechtsanspruchs auf einen Betreuungsplatz für Kleinkinder hat sich die Betreuungsquote der unter Dreijährigen zwar von 23 Prozent (2013) auf 28 Prozent (2019) erhöht. Gleichwohl hat Bremen mit Nordrhein-Westfalen damit laut Studienauswertung die „niedrigste Quote bundesweit“. Das beklagt auch Carsten Schlepper, Leiter des Landesverbands Evangelischer Tageseinrichtungen für Kinder. „So ein niedriger Wert ist nicht mehr bedarfsgerecht“, sagt er. Darunter litten vor allem berufstätige Eltern. „Der Krippenausbau hat sich zuletzt etwas verlangsamt, um älteren Kindern, die kurz vor der Einschulung stehen, aber noch nie in einer Kita waren, einen gewissen Vorrang zu geben“, räumte Bildungssenatorin Claudia Bogedan (SPD) ein.
Personalschlüssel entspricht den Empfehlungen
Einen guten Eindruck haben die Autoren der Studie von der vergleichsweise günstigen Personalausstattung in der Bremer Kinderbetreuung. In den Kindergärten betreut eine Kraft im Schnitt 7,5 Kinder. Damit entspricht der Personalschlüssel im Kindergartenbereich genauso wie im Krippenbereich exakt den Empfehlungen der Experten. In Niedersachsen ist das nicht so: In den Krippen muss eine Kraft im Schnitt 3,7 Kinder im Auge behalten, in den Kindergärten acht Kinder. Ein ähnliches Bild zeigt sich in den Gruppengrößen: In den Bremer Kindergärten liegt die durchschnittliche Gruppengröße bei 20 Kindern, in Niedersachsen bei 24 – empfohlen werden 14 bis 18.
Wenn sich der Personalschlüssel in Krippen und Kitas nach Einschätzung der Bertelsmann-Autoren auch „von einem bereits günstigen Niveau geringfügig weiter verbessert hat“, so beurteilen die Experten allerdings kritisch, dass für die Hälfte der Bremer Kita-Kinder nicht genügend Fachpersonal zur Verfügung stehe. „Dieser Anteil ist in Bremen neben Baden-Württemberg der geringste.“ Im Bundesvergleich sei die Qualifikation des pädagogischen Personals auf einem mittleren Niveau.
„Der Erzieherberuf muss attraktiver gemacht werden“, fordert denn auch Ilse Wehrmann, Sachverständige für Frühpädagogik. „Da haben wir zu wenig hingeguckt, wir brauchen mehr Ausbildungskapazitäten.“ Mehr Fachpersonal kann in ihren Augen aber nur ein Baustein sein, um die Kinderbetreuung in Deutschland zu reformieren. Angesichts der Vielzahl von Trägern sei eine gesetzliche Qualitätskontrolle ebenso vonnöten wie eine verlässliche Finanzierung.
„Die Kinderbetreuung muss Chefthema werden. In Bremen und genauso auf Bundesebene.“ Ähnlich äußert sich FDP-Bildungsexpertin Birgit Bergmann. Um die frühkindliche Bildung in Bremen langfristig zu verbessern, hält ihre Partei eine externe Evaluation für notwendig. „Denn nur der Blick von außen kann Verbesserungs- und Entwicklungsbedarfe aus einer weiteren Perspektive herausarbeiten.“
Digitalen Nachholbedarf meldet schon jetzt die Bremische Evangelische Kirche (BEK) an, der größte Träger von Kindertageseinrichtungen in Bremen. „Wenn 100.000 Tablets in Bremer Schulen verteilt werden können, sollten auch 1000 Tablets für Kitas in Bremen möglich sein“, sagte Landeschef Schlepper am Dienstag bei der Pressekonferenz zum neuen Kita-Jahr in der Kita der Friedensgemeinde. „Ein Tablet pro Gruppe: Das ist unsere Forderung.“ Mit einer stärkeren Digitalisierung in ihren Kitas will die BEK die Medienkompetenz der Kinder stärken. Ein medienkritischer Umgang werde mittlerweile in den Grundschulen erwartet, so Anke Bräuer, Fachberaterin für die Kita der Friedensgemeinde.