Wenige Tage vor dem angestrebten Beginn der Hauptverhandlung hat das Oberlandesgericht (OLG) Bremen drei Mordverdächtige aus der Untersuchungshaft entlassen. Ursache ist, dass das Landgericht den Prozess nicht rechtzeitig genug beginnen konnte. Gemeinschaftlich sollen die Männer im April 2020 einen 46-Jährigen aus der Neustadt getötet, zerstückelt und anschließend an unterschiedlichen Orten vergraben haben. Die Staatsanwaltschaft stufte die mutmaßlichen Täter im vergangenen Jahr als dringend tatverdächtig ein. Die übergeordnete Behörde – die Generalstaatsanwaltschaft – bezweifelt dies aber inzwischen. Laut Thorsten Prange, Vorsitzender Richter am Landgericht, könnten die umfangreichen Ermittlungen auch damit enden, dass keiner der drei Männer auf der Anklagebank landet.
"Im Verlauf der Ermittlungen sind zum Beispiel rund 3500 Whatsapp-Nachrichten aufgetaucht, die derzeit noch ausgewertet werden", sagte Prange am Mittwoch. Nach der Aussage einer der Verdächtigen konnte die Polizei im vergangenen Jahr ein Leichenteil im Bremer Umland finden und nahm die beiden anderen Männer fest. Laut Jan Stegemann, Pressesprecher des Landgerichts, geht es auch darum, wie glaubwürdig dieses mutmaßliche Teilgeständnis war. Probleme bereitet den Ermittlern, dass noch immer nicht alle Leichenteile gefunden sind. Eine erneute Suche am 11. April blieb erfolglos.
Frist abgelaufen
Das OLG begründete seine Entscheidung, die Verdächtigen auf freien Fuß zu setzen, aber nicht mit Zweifeln am dringenden Tatverdacht. Die Aufhebung der Haftbefehle erfolgte, weil die Männer zu lange ohne Prozess in Untersuchungshaft saßen. Dafür gibt es eine gesetzliche Frist von sechs Monaten. Diese war für einen Beschuldigten am 19. April verstrichen, für die zwei weiteren am 30. April. Aus Sicht des OLGs hätte das Landgericht in der ersten Februarwoche über die Eröffnung der Hauptverhandlung entscheiden können. Absprachen darüber begannen aber erst ab dem 14. April. Das OLG sah deshalb den Grundsatz verletzt, schnell über die Zukunft der verdachtsweise Inhaftierten zu entscheiden.
Laut dem Vorsitzenden Richter Prange kam dies auch durch die hohe Belastung des zuständigen Schwurgerichts zustande. Zum 1. Januar sollte dieses eigentlich intern entlastet werden. "Das neue Verfahren ging dann genau einen Werktag vor dem Greifen der Entlastung bei der Kammer ein", erklärte er. Das Landgericht könne die Zuständigkeiten nicht beliebig verändern, sondern immer nur zum Stichtag 1. Januar. Für ein Reagieren sei das neue Verfahren zu kurz davor eingegangen, per Automatismus sei es wieder bei dem eigentlich überlasteten Schwurgericht gelandet.
Kritik von Richterbund und CDU
Der Bremische Richterbund forderte in diesem Zusammenhang am Mittwoch eine bessere personelle Ausstattung von Gerichten und Staatsanwaltschaften. "Seit Jahren weist der Bremische Richterbund darauf hin, dass Gerichte und Staatsanwaltschaften mehr Personal benötigen", erklärte der Vorsitzende Andreas Helberg. "Die Frage, ob ein Untersuchungsgefangener weiter in Haft bleibt oder nicht, darf nicht davon abhängen, dass nicht genügend Richter und Staatsanwälte zur Verfügung stehen.“
Die CDU-Bürgerschaftsfraktion spielte den Ball in das Feld von Justizsenatorin Claudia Schilling (SPD) und forderte eine sofortige Aufklärung der Entlassungsumstände. „Es ist ein Skandal, dass schlichter Personalmangel in der Justiz erneut dazu geführt hat, dass das Gerichtsverfahren gegen mutmaßliche Mörder nicht eröffnet werden konnte und die Männer dadurch jetzt auf freiem Fuß sind", kritisierte der Abgeordnete O?uzhan Yazici. "Unsere Fraktion hat umgehend eine Sondersitzung des Rechtsausschusses der Bremischen Bürgerschaft beantragt.“