Joachim Lohse: Es ist widersprüchlich, über Baustellen zu meckern und sich zugleich über kaputte Straßen zu beschweren oder eine attraktivere Innenstadt zu fordern. Das geht nicht ohne Baustellen. Und zum anderen sollte es erlaubt sein, auch mal etwas genauer hinzuschauen. Wer dies tut, wird feststellen, dass Baustellen seit Jahren einem bewährten Muster folgen: Stärkung der Infrastruktur für den Umweltverbund und Ausbau der Verkehrssicherheit insbesondere für die schwächeren Verkehrsteilnehmer.
Bei der Koordination von Baustellen gibt es momentan ordentlich zu tun. Ist der Bremen-Marathon bei den Planungen übersehen worden?Das Amt für Straßen und Verkehr hat den Marathon selbstverständlich nicht übersehen. Der Termin stand von Anfang an in der Baustellenplanung. Aber wir sind mit der Baustelle gut im Rennen und erwarten ein Wochenende mit herrlichem Sonnenschein. Obendrein sind alle Maschinen vor Ort. Darum haben wir sofort mit City-Initiative und Handelskammer Kontakt aufgenommen, um uns abzustimmen. Da ging es darum, die sichere Variante zu wählen und vom Sonnabend auf den Montag zu tauschen. Die deutlich schlechtere Variante wäre gewesen, auf ein ganz anderes Wochenende zu gehen – mit unsicherem Wetter und dem Risiko, dass sich die gesamte Baustelle womöglich bis ins wichtige Weihnachtsgeschäft hineinzieht. Man hat sich dann gemeinsam auf den sicheren Montag verständigt. Denn das Weihnachtsgeschäft baustellenfrei zu halten, war oberste Prämisse von Handelskammer und City-Initiative. Danach haben wir uns jetzt gerichtet.
Schauen Sie sich alleine die aktuelle Baustelle am Herdentor an. Dort muss das ASV Rücksicht nehmen unter anderem auf Veranstaltungen wie die Shoppingnacht, den Freimarktumzug, den verkaufsoffenen Sonntag am 28. Oktober und natürlich das Weihnachtsgeschäft. Dazu kommt der Marathon. Das muss dann in Einklang gebracht werden mit anderen Baustellen. Obendrein muss berücksichtigt werden, dass solche Baustellen ausgeschrieben werden müssen. Und dann hat natürlich auch das Wetter, aber auch Abstimmungen zwischen Baufirmen haben Einflüsse auf eine Baustelle. Das ist schon ziemlich komplex.
Waren diese Baumaßnahmen in der Innenstadt nicht abgestimmt mit den Wirtschaftsvertretern?Doch, natürlich! Bei solchen Baustellen – insbesondere mitten in der Stadt – müssen Interessen von Politik, Wirtschaft, Anwohnern und Verkehrsteilnehmern mit Ausschreibungsrichtlinien, Verfügbarkeiten der Baufirmen und vielen anderen Anforderungen auf einen bestmöglichen Nenner gebracht werden. Es gehört sich für die Beteiligten nicht, dies einerseits so mit dem ASV abzustimmen und dann trotzdem bei jeder Baustelle aufzuheulen – zumal genauso kritisiert wird, wenn nicht gebaut wird. Wenn dann aber noch wider besseren Wissens behauptet wird, dass die Planer so ein Großereignis wie den SWB-Marathon vergessen hätten, muss ich mich vor meine Leute stellen. Das Verschieben der Powerbaustelle war mit allen abgestimmt!
Droht in der Innenstadt rund um das Wochenende ein Verkehrschaos? Ist die City durch die Baustellen am Montag nicht fast abgeriegelt?
Nein, die Obernstraße ist erreichbar. Und für die Belieferung des Kaufhofs bemühen wir uns, eine Lösung zu finden, indem wir beispielsweise die Einbahnstraßenrichtung am Spitzenkiel umdrehen. Bezogen auf den Autoverkehr stehen die übrigen Parkhäuser zur Verfügung. Wenn dann Anfang Oktober an einem Montag das Parkhaus Mitte nicht zur Verfügung steht, führt das zu keiner Überlastung der übrigen Parkhäuser.
Sie muten der Stadt und den Autofahrern aber schon einiges zu mit den zahlreichen Baustellen. Oder?Natürlich ist jede Baustelle eine Belastung für viele Verkehrsteilnehmer. Aber wir sorgen mit ihnen auch für nachhaltige Verbesserungen und mehr Sicherheit. Die Maßnahme Herdentor ist zum Beispiel im Interesse aller, macht den Weg in die City schöner und sicherer für alle Verkehrsteilnehmer. Mit den neuen Fußgängerquerungen entschärfen wir unfallträchtige Stellen wie die Bürgermeister-Smidt-Brücke, genauso wie am Osterdeich und an der Bismarckstraße. Die Dobbenkreuzung haben wir barrierefrei gemacht.
Der Stern wurde für mehr Sicherheit erfolgreich umgebaut. Dazu gestalten wir in der Neustadt ein Fahrradmodellquartier und gehen jetzt – auch aus Gründen der verbesserten Sicherheit – die Discomeile an. Dazu kommen Gleis- und Kanalbauarbeiten. Und natürlich der übliche Ausbesserungsbedarf nach Frostschäden oder dem Hitzesommer. Das alles macht die Stadt sicherer, moderner und umweltverträglicher. Wer das ständig als Zumutung bezeichnet, redet den Standort Bremen schlecht. Ich freue mich, dass etwas passiert und wir hinterher für alle Menschen eine bessere Situation an den betreffenden Orten haben.
Wurden die Baustellen zeitlich vorgezogen, damit sie nicht im Wahlkampf die Stadt blockieren?Wenn das mal so einfach wäre… Das hängt doch in erster Linie davon ab, ob eine Baumaßnahme im Haushalt vorgesehen ist. Die Discomeile ist dafür ein gutes Beispiel. Und wenn dann das Geld da ist, um eine Maßnahme umzusetzen, die Bremen sicherer und ökologischer macht, versuche ich natürlich alles, das auch schnell umzusetzen. Das hat nichts mit Wahlkampf zu tun, sondern das ist moderne, verantwortungsbewusste Verkehrspolitik, die aus dem Wunsch nach mehr Aufenthaltsqualität, dem Klimawandel und dem Dieselskandal die richtigen Schlüsse zieht.
Die Fragen stellte Pascal Faltermann.Joachim Lohse (59) ist seit 2011 Mitglied der Grünen und Senator für Umwelt, Bau und Verkehr. Davor arbeitete er in Kassel, erst als Stadtrat, später als Dezernent für Stadtentwicklung. Lohse ist verheiratet und hat zwei Kinder.