Es ist beherztem Bürgerengagement zu verdanken, dass Bremens ältestes Viertel, der Schnoor, heute noch steht. Heute ein Touristenmagnet sollte es in den 1950er-Jahren abgerissen werden und einer Hochhaus-Neubebauung weichen. Doch die gleichen engagierten Menschen aus dem Ostertor, unter ihnen der Architekt Olaf Dinné, die später mit dem damaligen Ortsamtsleiter Herbert Wulfekuhl die umstrittene Mozart-Trasse kippten, wussten auch diese Pläne des SPD-Granden und Baulöwen Richard Boljahn zu verhindern. In der Folge des von dem jungen In der Folge des von dem jungen WESER-KURIER-Redakteur Ulrich Manz aufgedeckten Baulandskandals wurde „König Richard“ schließlich entmachtet. Bereits 1959 stellte die Bürgerschaft das Quartier unter den Schutz des Schnoor-Statutes.

Denkmal für Ottjen Alldag im Schnoor.
Der promovierte Kunsthistoriker Detlef Stein und der pensionierte Studienrat Heinrich Lintze, die schon viele Stadtführungen mit kulturhistorischem Hintergrund konzipiert haben, führen nun durch den Schnoor. Dabei erläutern sie Details, die auch vielen Bremerinnen und Bremern noch neu sein dürften. Die beiden Stadtführer sind stolz darauf, dass sie bei den ersten Schnoor-Führungen rund um Ostern insgesamt rund 400 Interessierte begrüßen konnten.
Wie konnte Bremens ältester Stadtteil gerettet werden?
Los gehts am ehemaligen Antiken-Museum an der Marterburg. Gleich neben dem ganzjährig geöffneten Weihnachtsträume-Laden befinden sich die Überreste der alten Stadtmauer. Im Mittelalter sei die Balge, ein Nebenarm der Weser, an dieser Stelle der eigentliche Hauptfluss in Bremen gewesen, berichtet Lintze. Dementsprechend war der Schnoor das Quartier der Flussfischer und Binnenschiffer. Die Balgebrückstraße sowie das Balgequartier, dass der Investor Christian Jacobs im Herzen der Stadt gerade neu entwickelt, erinnern bis heute daran. In dem Arme-Leute-Viertel hatten aber auch die Müller ihren Sitz, einen Hinweis auf Mehlsäcke und Windmühlen gibt der Name Marterburg.

Bremer Familienwappen, eingelassen in eine Mauer des Schnoors.
Am Ende des Zweiten Weltkrieges sei der Schnoor dann fast nur noch von Prostituierten bewohnt gewesen, erzählt Lintze. Die Häuser verfielen zusehends, da keine Mittel für die Sanierung vorhanden waren, was zu Boljahns Hochhaus-Plänen führte, die dann doch noch vereitelt wurden. Die ärmeren Leute wurden mit dem Schnoor-Statut bei der Sanierung der alten Bausubstanz unterstützt, an 14 ausgewählten Stellen wurde eine Gastro-Schankerlaubnis erteilt, um das Viertel aufzuwerten.
Welche Bremer Originale gibt es im Schnoor zu entdecken?
Der Schnoor ist eine Fundgrube für Bremer Originale wie Georg Droste und Heini Holtenbeen, dessen Skulptur vor dem Restaurant "Kleiner Olymp", gegenüber dem ehemaligen Packhaustheater, der heutigen Komödie Bremen steht. Gefertigt hat sie, genau wie das Ottjen-Alldag-Denkmal, der Bremer Bildhauer Claus Homfeld. Heini Holtenbeen hatte, seitdem er in jungen Jahren aus einer Dachluke gefallen war, eine Gehbehinderung und ging am Stock. Er versuchte trotzdem, sein Leben zu meistern und Haltung zu bewahren. Davon zeugten seine Melone und der abgetragene, einstmals elegante Mantel. Er postierte sich im 19. Jahrhundert auf dem Marktplatz vor der Neuen Börse und fragte die Börsianer, die Zigarre rauchend in das Gebäude strömten: "Darf ich Ihnen das Problem abnehmen?". Er schnorrte aber auch mit Charme kleine Geldspenden, weiß Lintze zu berichten.

Skulptur des Bremer Originals Heini Holtenbeen vor der Gaststätte "Kleiner Olymp".
Die bewegende Lebensgeschichte von Georg Droste erzählt Detlef Stein vor dem Ottjen-Alldag-Denkmal gegenüber dem Institut für Niederdeutsche Sprache. Der plattdütsche Verteller, also Erzähler, erblindete im Alter von 20 Jahren und schilderte in seiner Roman-Trilogie das Schicksal seines anderen Ichs, Ottjen Alldag, der sein Leben als Tagelöhner fristen musste. Weniger bekannt dürfte eine weitere, kleine Skulptur sein, die "Fipps, dem Affen" von Wilhelm Busch gewidmet ist. Fipps sei, so steht es bei Busch, einstmals von einem gewissen Herrn Schmidt von Afrika an Bord eines Schiffes nach Bremen gebracht worden, um hier, beispielsweise als Friseur-Gehilfe, viel Schabernack zu treiben, erzählt Stein mit einem Augenzwinkern. Man muss schon ein wenig emporschauen, um die Bronzeskulptur des Bildhauers Peter Lehmann (auch Schöpfer der Schweine-Gruppe in der Sögestraße) an einer Backstein-Fassade am Amtsfischerhaus zu entdecken.
Wie ist die Geschichte der Kirche St. Johann?
Schlusspunkt der Führung ist die katholische Kirche St. Johann. Um 1220 kamen Bettelmönche des Franziskaner-Ordens nach Norden, um sich an der heutigen Klosterkirchenstraße niederzulassen. "Sie richteten Suppenküchen für die Armen ein und leisteten wichtige, soziale Arbeit", berichtet Detlef Stein. Da sie auch Geldgeschenke von den Familien von Verstorbenen erhielten, konnten sie um 1380 herum den Grundstein für die Kirche St. Johann legen. Mit Beginn der Reformation gab es allerdings keine katholischen Gottesdienste mehr in Bremen. In den Klosteranlagen wurde ein Hospital für Psychiatrie-Patienten eingerichtet und mit dem sogenannten Klosterochsenzug um die Freimarktszeit jährlich Geld für dessen Finanzierung erwirtschaftet. Zwischenzeitlich wurde der sakrale Raum auch als Lagerhaus zweckentfremdet. Anfang der 1820er-Jahre sei er dann zum Ende der Franzosenzeit wieder geweiht worden. Wer jetzt noch wissen möchte, was es unter anderem mit den sogenannten Spolien und dem pittoresken, architektonischen Stilmix im Schnoor oder mit der Historie des heutigen Bremer Geschichtenhauses, das früher von der Jakobus-Bruderschaft betrieben wurde, auf sich hat, dem sei eine Schnoor-Führung empfohlen.