„Die Leute sind hungrig nach Kunst, die wollen raus und sich etwas angucken“, fasst Schmuckdesignerin Danni Schwaag die Tage der offenen Ateliers zusammen. „Ich war begeistert“, stimmt Maren Krämer ein, „130 Besucher in zwei Tagen und das bei den Corona-Hygieneauflagen. Das habe ich nicht erwartet.“ Einige seien aus Hamburg und Hannover gekommen, betont die Taschendesignerin. „Lokales kaufen, das ist eben in.“ Ihre Künstlerkollegen pflichten ihr bei und zeigen sich über den großen Besucheransturm am vergangenen Wochenende gleichermaßen überrascht. Viele der Werke sind nun bis zum 11. Oktober im Kukoon-Kulturzentrum zu sehen. Jedes Atelier ist dort mit einem Ausstellungsstück vertreten.
„Es waren viele Leute aus anderen Vierteln da“, bemerkt Fotodesignerin Christiane Böttcher, und das „Wäscheklammern-Prinzip“ habe gut funktioniert. Die Klammern dienten dazu, den Besucherkreis auf die zugelassene Personenanzahl im Raum zu begrenzen. Und anhand der Besucherliste, in die sich die Gäste außerdem eintragen mussten, wusste jedes Atelier am Ende der Veranstaltung auch die genaue Besucheranzahl. Nur das Einsammeln der Klammern sei recht anstrengend gewesen. „Die Besucher neigen dazu, die Klammern einzustecken.“
Dreißig Ateliers haben an den Offenen Ateliers in diesem Jahr teilgenommen. Die meisten zum wiederholten Male und einige zudem mit Gast-Künstlern von außerhalb. Lange Wartezeiten vor den meist kleinen Atelierräumen habe es aber nicht gegeben, stimmen die Künstler überein – was wohl nicht zuletzt an dem guten Wetter gelegen habe. So zog sich eine Meile aus Kunst und Kunsthandwerk fast durch den gesamten Stadtteil. Von der Richard-Dunkel-Straße über den Buntentorsteinweg bis hin zur Kornstraße öffneten die Ateliers ihre Türen und stellten teils auch davor aus. Die Bandbreite der Sparten war dabei ebenso groß wie die der Werkstätten: Darunter waren Buchbinde- und Glaskunst, Holzarbeiten, Illustration, Fotografie, Design, Malerei, Schmuck, Skulpturen und Webkunstobjekte.
Innerhalb der unterschiedlichen Sparten wurden noch einmal so viele Materialien verwendet. „Ich bin ein Materialfreak“, sagt etwa Schmuckgestalterin Schwaag über sich. „Ich arbeite mit allen untypischen Goldschmiedestoffen, also, alles außer Gold und Silber. Viel lieber experimentiere ich mit Perlmutt, alternativen Kunststoffen oder vergessenen Stoffen wie Galalith aus den 1920er-Jahren“.
Galalith ist ein Kunststein aus Milcheiweiß, der Anfang des 20. Jahrhunderts für Gebrauchsgegenstände wie Knöpfe, Gürtelschnallen oder Besteckgriffe benutzt wurde. Für sich entdeckt habe Schwaag außerdem Emaille. Daraus fertige sie Schmuckstücke verschiedenster Formen und Größen, auch beidseitig bemalt – so groß wie ihr 800°C-heißer Spezialbackofen es eben zulasse. „Schmuck ist ein weites Feld und kann aus allem bestehen“, so die 39jährige, „und alles ist tragbar.“
Lockdown gab Zeit für Kreativität
Von heißen Temperaturen und ihren Gefahren weiß auch Glasbläserin Irene Borgardt zu berichten. Aus 2000 Grad heißem flüssigen Glas formt sie Schmuckstücke, Figuren und Ziergegenstände. Und das seit 1994. Da ließ sie sich mit ihrem Laden im Schnoor nieder. Seit 1999 sei sie aber in einem Haus im Buntentorsteinweg ansässig, wo sie lebt und arbeitet. Der Verkauf ihrer filigranen Glasobjekte finde seit 2017 aber wieder im Schnoor statt, bemerkt sie, „in der Böttcherstraße habe ich mit einer Kollegin einen kleinen Laden.“ Die Corona-Krisenzeit für ihre Kunst kreativ zu nutzen gewusst haben auch das Fotografenduo Böttcher und Tiensch alias Bundt. Seit dreißig Jahren entwickeln die selbstständigen Fotodesigner Konzepte für Privatkunden und Firmen in den Bereichen Werbe-, Reise- und Porträtfotografie. Während der Zeit des Lockdowns, als alles still stand, hätten sie sich wieder intensiver Kunstfotografie zuwenden zu können und mit Motiven aus der Natur auseinandergesetzt. „Ich habe im März Geburtstag“, erzählt Böttcher, „und bekomme immer Tulpen. Junge Tulpen sagen mir nichts, junge Menschen auch nicht. Je älter sie werden, desto schöner werden sie.“ Daher habe sie Tulpen und ihren Verfall mit der Zeit fotografisch festgehalten. Herausgekommen ist die Fotoserie „Tulpenschön“.
Die auf Leinwand aufgezogenen Fotos wirken durch die starke digitale Nachbearbeitung wie historische Ölgemälde. Thomas Tiensch habe auf ähnliche Weise aufplatzende Knospen fotografisch verewigt. „Kunst hat uns das ganze Leben begleitet“, sagt er, während der Pandemie hätten sie nun wieder Zeit dafür.
Aus der „Tulpenschön“-Serie hängt auch ein Bild im Kulturzentrum Kukoon. In der Ecke gegenüber sind Arbeiten von Borgardt, Krämer, Schwaag und weiteren Künstlerkollegen ausgestellt. Im gesamten Saal verteilt hängen Kunstwerke aus den übrigen Ateliers. Jedes Atelier ist mit einem Ausstellungsstück vertreten.
Mit dieser Werkschau im Kukoon, Buntentorsteinweg 31, möchten die Künstler Appetit machen auf die Arbeiten in ihren Ateliers. Vor allem den Kunstinteressierten, die nicht an den Tagen der offenen Ateliers teilnehmen konnten. Die Werkschau der Künstler ist noch bis zum 11. Oktober zu sehen.