Ralf Bornhuse steht in seinem Garten umgeben von farbenfrohen und klangvollen Gewächsen wie Sanddorn, Fetter Henne und – dem heimlichen Star – seiner Stockrose. Der 62-Jährige grinst als er in seiner kleinen Oase diese Anekdote zum Besten gibt: „Als die Stockrose einen Meter hoch war, habe ich einen Stock gekauft, um sie zu stützen. Der Stock war allerdings einen Meter zu hoch. Damals habe ich mich geärgert, dass ich einen zu langen Stock gekauft habe.“ Der Hobbygärtner setzt den Zollstock an und misst. Mit 3,70 Meter ist seine Pflanze so lang wie die meisten Automodelle – dem einst zu langen Stock ist sie schon längst entwachsen.
Im Flüsseviertel der Bremer Neustadt wächst nun seit April ein Unikat in den Himmel. In der Regel werden Stockrosen etwa so groß wie ein Mensch. Hin und wieder knackt das Malvengewächs die Zwei-Meter-Marke. Wie hat es der hauptberufliche Lichtberater geschafft, die Pflanze auf fast vier Meter zu ziehen? Gut zugeredet hat er ihr jedenfalls nicht, versichert er mit einem Lächeln: „Ich lasse die Pflanzen in Ruhe wachsen und schaue nur alle drei Tage nach, ob alles heile ist.“
In Bornhuses Garten herrscht das Prinzip Wildwuchs. Damit fährt der Stockrosen-Fan nicht nur gut, sondern liegt auch im Trend. 2024 kürten der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) und weitere Umweltverbände die Garten-Stockrose zur Stadtpflanze des Jahres. Die Begründung: Die Pflanze spiegele den Trend zur Verwilderung wider. In Städten finde man sie wegen ihrer Robustheit nicht nur im heimischen Beet, sondern oft auf Bürgersteigen oder in Straßenböschungen.
Stockrosen-Fan seit Kindheitstagen
Der Bremer liebt Stockrosen seit Kindheitstagen. Seiner Familie gehört ein Bauernhaus am Jadebusen. Auf der dortigen Wiese hat er die ersten Schritte in Richtung „Grüner Daumen“ gemacht. „Die Stockrosen sind auf der Wiese aber nie größer als 1,70 Meter geworden“, betont er. Er mag die Anspruchslosigkeit der Pflanzen. „Stockrosen säen sich selber aus und brauchen nicht viel Pflege“, berichtet der Hobby-Gärtner. Alle zwei Wochen gießt er „mal einen Eimer Wasser“ ins Beet. „Wir hatten einen sehr feuchten Frühling. Möglicherweise hat das auch etwas gebracht“, vermutet er und nennt weitere mögliche Erfolgsfaktoren: „Hier wächst zum ersten Mal etwas, der Boden ist also nicht ausgelaugt. Außerdem hat die Stockrose hier Platz zum Wachsen, ist windgeschützt und steht nicht den ganzen Tag in der prallen Sonne.“
Dass das Malvengewächs in seinem Garten über sich hinauswächst, überrascht ihn aber schon. Vor zwei Jahren hat der gebürtige Bremer die selbstsäende Pflanze auf einem Blumenmarkt im Liebfrauenkirchhof gekauft. Im ersten Jahr ist sie 1,50 Meter hoch geworden, im vergangenen Jahr kam gar nichts. Bornhuse blickt ein letztes Mal amüsiert zurück: „Anfangs wusste ich nicht genau welche Pflanze das ist, weil sie zu groß für eine Stockrose war. Dann kamen die Knospen und die Sache war klar: Das ist ein verdammt großes Exemplar.“