Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Studiengang-Umzug Nautiker am Bremer Flughafen gestrandet

Der Studiengang Schiffsmanagement der Hochschule Bremen zieht um. Dagegen regt sich Widerstand vonseiten der Studenten, die sich respektlos behandelt fühlen. Der Asta wirft dem Rektorat gar Nachlässigkeit vor.
25.04.2022, 10:00 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Von Gerald Weßel

Es ist das Ende einer Ära: Der Nautikstudiengang der Hochschule Bremen (HSB) mit derzeit knapp 150 Studentinnen und Studenten ist umgezogen. Vom angestammten, 1958 eingeweihten Standort an der Werderstraße nahe dem Planetarium geht es zum Flughafendamm in die ehemaligen Räumlichkeiten der Lufthansa-Verkehrsfliegerschule (LAT). Je nachdem, wen man fragt, ist der Wegzug von der Weser ein sinnvoller Schritt in die Zukunft der Hochschule oder ein didaktisch sinnloser Affront gegenüber maritimer Bildungstradition. Auf der einen Seite stehen die bildungssenatorische Behörde sowie die HSB und auf der anderen die Studenten des in Gänze genannten internationalen Studiengangs Ship Management und Nautical Sciences.

Die HSB verfolge damit die Leitidee, ihre fachlichen Bereiche erstmalig örtlich zusammenzuführen, wie sie schriftlich gegenüber dem STADTTEIL-KURIER angibt. „Dadurch werden die Möglichkeiten für die Verbesserung der inter- und transdisziplinären Zusammenarbeit geschaffen und weiterentwickelt.“ Geplant sei, dort künftig die maritimen Studiengänge (Ship Management – Nautical Sciences, Schiffbau und Meerestechnik, sowie Shipping and Chartering) und die Studiengänge des Schwerpunktes Luft- und Raumfahrt benachbart unterzubringen. Die Nautikstudenten haben den Anfang gemacht. Die Senatorin für Wissenschaft und Häfen unterstützt mit dem geplanten Ankauf des Gesamtgeländes der LAT die Möglichkeit, in einem nächsten Schritt die technische Ausstattung der betroffenen Studiengänge zukunftsorientiert und technologisch auszubauen. Wissenschaftsstaatsrat Tim Cordßen-Ryglewski (SPD) unterstreicht dies gegenüber dem STADTTEIL-KURIER: „Der Gebäudekomplex der ehemaligen Fliegerschule der Lufthansa bietet hervorragende Entwicklungsmöglichkeiten für die Hochschule Bremen.“ Die einstige Heimat der Nautiker wird alsbald von den rund 3000 Studentinnen und Studenten der Fakultät Wirtschaftswissenschaften genutzt werden.

Asta kritisiert Hochschule Bremen

Die fakultätsübergreifende Interessenvertretung der Studenten an der HSB, auch genannt Asta, kritisieren abseits des Umzuges an sich vor allem die aus ihrer Sicht schlechte Kommunikation der Hochschule: „Wir wurden erst gehört, nachdem alle Verträge unterschrieben waren und der Umzug bereits begonnen hatte“, wirft Asta-Vorstand Jerome Geisinger der HSB vor. „Es ist respektlos, so mit uns und vor allem derart mit den Nautikstudierenden umzugehen.“ Die Hochschulleitung entgegnet, dass man die Bedenken der Studenten ernst nehme und sie zum frühestmöglichen Zeitpunkt in den Prozess eingebunden habe. Heißt: Im März, wenige Tage vor dem Vorlesungsbeginn im April und dem damit endgültig vollzogenen Umzug fand ein Treffen statt.

Lesen Sie auch

Viel zu spät finden nicht nur der Asta, sondern auch Kelly O’Grady und Maxim Sell, beide angehende Schiffsoffiziere im sechsten von acht Semestern. Sie hätten vor gut einem Jahr erstmals Gerüchte bezüglich des Umzuges von angehenden Lufthansa-Piloten vernommen. Im Vorfeld des Treffens im März habe dann im Januar ein Professor am Rande einer Vorlesung fallenlassen, dass man ab April am Flughafen unterrichten werde.

Jenseits des Unmutes ob des Rausschmisses aus dem eng mit maritimer Tradition verbundenen Bau sowie der Kommunikation des Vorhabens, haben die Nautikstudierenden allerdings auch handfeste Sorgen. Denn so verbleiben die Simulatoren zum Training der Schiffsführung vorerst am alten Standort. Ihr Umzug werde zudem einige Monate in Anspruch nehmen, da diese abseits des Ab- und Wiederaufbaus neu zertifiziert werden müssten, wie Sell erklärt. Die HSB und Staatsrat Cordßen-Ryglewski geben keinen Zeitplan preis, haben aber klare Pläne für den neuen Standort am Flughafen: Es soll ein innovatives maritimes Simulationszentrum entstehen.

Studenten müssen pendeln

Doch die Studierenden vermissen auch ihre Bibliothek, den Kartenraum sowie die Nähe zum Planetarium. In Letzterem findet zwar nur ein Kurs im Studiengang zur Navigation nach den Sternen statt, doch das nun erzwungene Pendeln zu Simulatoren, Bibliothek und zum Kartenstudium wiegt laut Sell und O’Grady schwer. Zudem könne man an der LAT nur als Gast bei der Lufthansa in die dortige Mensa gehen, dies sei weit teurer als an der Werderstraße.

Lesen Sie auch

Die Hochschule Bremen räumt zwar selber ein, dass man „dringende Flächenbedarfe“ habe, weshalb die nun anfänglich bezogenen 5600 Quadratmeter am Flughafendamm auch sehr willkommen seien. Doch Geisinger wirft hier der Hochschule Nachlässigkeit vor, da diese Flächenknappheit mit Absicht herbeigeführt worden sei. „Die Hochschulleitung hat verschlafen, sich rechtzeitig darum zu kümmern, wie die während der Pandemie angestiegenen Studentenzahlen nun in Präsenz unterzubringen sind.“ Doch aktuelle Zahlen, die die HSB auf Anfrage zur Verfügung stellt, belegen diesen Vorwurf zumindest derzeit noch nicht. Daraus ist nämlich ersichtlich, dass die Studenten zwar wieder mehr werden, nachdem 2019 ein zwischenzeitlicher Tiefstand von etwa 8450 Studenten erreicht wurde, doch 2021 studierten dennoch nur knapp 8700 an der HSB. Eine offizielle Zahl für 2022, die das Argument des Astas eventuell untermauert, gibt es so noch nicht – allerdings auch keine, die die von der Hochschule genannten akuten Flächenbedarfe klar belegt.

Asta-Vorstand Jerome Geisinger weiß, dass der von ihm bedauerte Umzug kaum umzukehren ist, doch für ihn ist aus diesen Geschehnissen vor allem ein Schluss zu ziehen: „Wir müssen hieraus einen Präzedenzfall schaffen, wie es nicht geht“, fordert er für die Zukunft transparente Kommunikation vonseiten des Rektorats der HSB. „Wir müssen das partizipatorische Konzept leben, nicht nur davon sprechen.“

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)