So war das nicht geplant. „Eigentlich wollte ich eine Pause machen“, sagt Patrik Czichos. In den vergangenen zwei Jahren hat der 44-Jährige auf der Bank des Frauenteams vom TuS Westerholz gesessen, und erst vor wenigen Wochen gewann er die Bezirksliga-Meisterschaft mit diesem Team. Das war anstrengend, Czichos bezeichnet sich selbst als „extremen Trainer“ und seine Arbeit als „intensiv“. Daher der Wunsch nach einer Auszeit. Dann aber erreichte ihn die Anfrage des ATS Buntentor. Der Regionalligist suchte nach einem Nachfolger für Sven Gudegast, und Patrik Czichos sah seine Chance. Er bezeichnet das Angebot als „once in a lifetime“.
Also wurde nichts aus der Pause. Stattdessen kümmert sich der neue Trainer nun in einem Team mit dem bisherigen Assistenten Maurice Kulawiak seit rund zwei Wochen um die Vorbereitung seiner neuen Mannschaft. „Ich fühle mich jetzt schon pudelwohl“, sagt Czichos. Das läge vor allem an den „Mädels“: Das neue Team ziehe mit, sei wissbegierig und „offen für Neues“. Das ist ihm wichtig. Der Trainer bringt schließlich eine etwas andere Spielidee mit. Er sagt: „Oberstes Ziel ist, dass wir mehr Tore schießen.“ Es waren 36 in der vergangenen Saison, erzielt in 22 Spielen. Das ist nicht viel. Es ist aber immer noch mehr, als die anderen Teams der zweiten Tabellenhälfte verbuchten. Der SV Werder II etwa, als Achter immerhin noch zwei Ränge vorm ATS platziert, kam auf ganze 22 Treffer.
An den eigenen Toren lag es also eher nicht, dass Buntentor einen Einbruch erlebte und zuletzt nur den ersten Nichtabstiegsplatz belegte. Nach dem Aufstieg in 2020 war der ATS zweimal Dritter geworden, dann Achter und in 2024 immerhin noch Vierter. Mit mehr eigenen Toren will Patrik Czichos gleichwohl an die guten Platzierungen anknüpfen. „Die Mannschaft hat unter Wert gespielt und soll wieder aktiver und mutiger werden“, sagt der neue Trainer. Er setzt auch dabei auf die Offenheit seiner Spielerinnen.
In gewisser Weise werden die Karten nun nämlich neu gemischt. „Alle müssen flexibel sein“, sagt Czichos. Natürlich habe er sich mit dem Kollegen Kulawiak darüber ausgetauscht, wer bislang wo eingesetzt worden sei. Aber das müsse ja nicht so bleiben. Vielleicht wird das Bemühen um ein mutiges Spiel mit dem Ball also durch die ein oder anderen Umstellung begleitet. Dann würde sich so manche Spielerin auf einer ungewohnten Position wiederfinden. Das empfinden Fußballerinnen, zumal in einem erwachsenen Alter, nicht immer als angenehm. Aber es sollte klappen. „Wir sind insgesamt flexibel aufgestellt“, findet Patrik Czichos.
Er selbst ist in jeden Fall flexibel. Sein Leben hat das erfordert, und deshalb kennt sich Czichos auch ganz gut aus mit ungewohnten Positionen. Er war ja gerade acht Jahre alt, als der erste große Umbruch anstand. Sein Vater arbeitete als Techniker und musste aus beruflichen Gründen nach Dschidda, also in die saudi-arabische Metropole am Roten Mehr. Die Familie kam mit, und so lernte Patrik Czichos recht früh ein ganz anderes Leben kennen. Er kam ja aus Bremen-Hemelingen, empfand sich als Teil einer „Arbeiter-Familie“. Nun ging er „als blonder Junge“ auf die arabische Halbinsel und besuchte dort die internationale Schule. „Dort bin ich nur auf wohlhabende Kinder getroffen“, erinnert sich der Bremer.
Er lernte schnell, wie die neue Situation zu meistern sein würde. „Mit extremer Selbstdisziplin – ich habe Gas gegeben, sonst wäre ich dort untergegangen“, erinnert sich Czichos. Seinem Bruder Rafael fehlen diese Erfahrungen. Er ist neun Jahre jünger, war also ein sehr kleines Kind zu der Zeit. Als ziemlich zielstrebig darf aber auch der jüngere Czichos gelten: Er stieg später vom damaligen Oberligisten TSV Ottersberg bis in die 1. Bundesliga auf und zählt Stationen wie den 1. FC Köln ebenso zu seiner Vita wie zuletzt Chicago Fire. „Wenn er etwas will, zieht er das durch“, sagt Patrik Czichos.
Auch er spielte einst im Ottersberger Trikot – die Familie war nach der Rückkehr aus Saudi-Arabien 1997 ins Bremer Umland gezogen. Und weil er nach dem Aufstieg in die 1. Herren eine kleine Entschädigung erhielt, wurde er im Gegenzug mit gerade Mal 18 Jahren zum Coach der D-Junioren gemacht. „Die waren gefühlt nur fünf Jahre jünger“, erinnert sich Czichos mit einem Lachen. Aber da er eben keine halben Sachen macht, wurde mit dem ungewöhnlich frühen Einstieg ins Traineramt die Grundlage für weitere Einsätze im Dienste des Vereins gelegt.
Bereits 2006 übernahm Patrik Czichos – damals erst 25 und seit einigen Jahren Berufssoldat – jedenfalls den Posten des Jugendobmanns des TSV und gründete in dieser Funktion zwei Mädchenmannschaften. Ein paar Jahre später ging die Trainerin der 1. Frauen. Weil sich auf die Schnelle niemand anderes fand, sprang Czichos ein. Eigentlich nur aushilfsweise, aber es wurden acht Jahre daraus. Bis 2018 saß er auf der Bank des TSV-Teams. Er galt nun auch als Experte im Frauenfußball. Also klopfte der TuS Westerholz zum ersten Mal an, und nach einer kurzen Stippvisite zu den Herren des Rotenburger SV II ging es wieder zurück den Bezirksliga-Frauen.
Und nun rief der ATS Buntentor. Dort trifft Patrik Czichos zwar auf gefestigte Strukturen und eine seit Jahren gewachsene Mannschaft. Aber mit einem neuen Trainer beginnt eben auch eine neue Zeit. „Wir fangen bei Null an“, sagt Czichos. Er kennt das selbst ganz gut.