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Schnürschuh-Theater-Spielzeit Premiere für "Über Menschen"

Mit der Premiere nach dem Roman "Über Menschen" von Juli Zeh beginnt die 29. Spielzeit am Schnürschuh Theater. Das Motto "Gut: Mensch" soll Anlass sein, zu hinterfragen, ob es naiv ist, gut zu sein.
28.09.2023, 05:00 Uhr
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Von Margot Müller

Die neue Spielzeit im Schnürschuh Theater startete mit der Inszenierung des Romans „Über Menschen“ von Juli Zeh. Ein mutiges Unterfangen für das kleine Ensemble, diesen Bestseller mit Themen wie Landflucht, Rechtsextremismus, Rassismus, sozialen und wirtschaftlichen Ängsten der Gesellschaft auf der Bühne umzusetzen. Der Premierenabend zeigte, dass es gelungen ist. Mit gefühlvollen Szenen, Livemusik, teilweise witzigen Dialogen und sehr menschlichen Handlungsweisen wurde das Publikum in den Bann gezogen.

Frühjahr 2020: Dora ist aus Berlin in ein altes Haus aufs Land gezogen. Sie sucht mehr Freiheit bei weniger Stress und mehr Idylle. Den Lockdown und ihren Freund, der als Öko-Aktivist und mit der Corona-Pandemie seine Berufung findet, lässt sie hinter sich zurück. Mit einem Spaten versucht Dora verzweifelt ein Gemüsebeet anzulegen, so beginnt das Stück. Das Bühnenbild ist schlicht mit Bildprojektionen gestaltet, dazu zwei Garten-Klappstühle sowie ein Fahrrad und ein Musiktresen.

Ein Weltbild gerät ins Wanken

In dem brandenburgischen Dorf Bracken scheint die Welt zunächst geordnet, wenn auch befremdlich für die junge Werbetexterin, die von hier im „Homeoffice“ weiterarbeitet. Für ihre Agentur gestaltet sie eine Gut-Mensch-Kampagne. In dem Dorf kleben AfD-Sticker an den Türen und der Nachbar Gote stellt sich als „Dorfnazi“ vor. Er hasst Ausländer und war seinerzeit beteiligt an den Ausschreitungen gegen Migranten in Rostock, war im Gefängnis und ist wegen schwerer Körperverletzung verurteilt und auf Bewährung. Gote lebt in einem Bauwagen, während in seinem verwahrlosten Wohnhaus nur die kleine Tochter Franzi wohnt.

Doras Weltbild scheint wohlsortiert. Sie ist eine Großstädterin, die grün wählt, sich für den Beruf aufopfert und mit Stoffbeuteln zum Einkaufen geht. Doch in Bracken passt das nicht mehr zusammen: „Hier kann man sich nicht so leicht über Menschen erheben. Wirst dich dran gewöhnen müssen“, erklärt der andere Nachbar Tom, der dort mit seinem Freund einen Blumengroßhandel betreibt. Sie leihen Dora ein Fahrrad.

Grundstücksmauern und politische Barrieren

Franzi liebt ihren Vater Gote und Doras Hündin, und diese Tierliebe wird zur ersten Brücke zwischen den Grundstücken über die Mauer und die politische Barriere hinweg. Die nachdenkliche Dora (emotional gespielt von Jennifer Toman) stellt sich die Frage: „Wie viel Abstand braucht eine Linksliberale zum nächsten Neonazi, um in Frieden leben zu können?“

Aber die beiden kommen sich irgendwie näher. Der mürrische Gote zimmert unaufgefordert ein Bett für Dora, stellt Stühle in ihren Garten, raucht am Abend an der Mauer mit ihr eine Zigarette. Als alle wissen, dass Gote schwer erkrankt ist, veranstaltet das Dorf ein Fest für ihn, mit Musik und Tanz. So findet Dora heraus, dass man sich über Nachbarn besser eine Meinung bildet, wenn man sie persönlich „als Mensch“ kennenlernt.

Menschliche Probleme nehmen kein Ende

Doras Vater ist Chirurg und unterstützt seine Tochter finanziell. Er kommt auch kurzfristig nach Bracken, um Gote mitzunehmen in seine Klinik nach Berlin. Er will dem von ihm sogenannten Sportsfreund eine Medikation zur Linderung des Hirntumors verordnen. Dennoch endet das Stück schließlich wieder mit menschlichen Problemen, dem Krebstod und Begräbnis von Gote.

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Pascal Makowka, der künstlerische Leiter am Schnürschuh Theater, hat es gut geschafft den Roman von Juli Zeh zu reduzieren und dramaturgisch für die Bühne umzusetzen. Seine Regie macht deutlich, dass man Werte wie Toleranz, Mut und Selbstverständnis an sich selbst prüfen muss. Der Roman stand wochenlang oben auf den Bestseller-Listen und wurde erst kürzlich als Theaterstück an den Münchner Kammerspielen uraufgeführt. Nun folgen weitere Inszenierungen in ganz Deutschland, jeweils in eigenen Fassungen.

Erste Premiere der neuen Spielzeit

Neben Dora wird auch die zweite Hauptfigur Gote großartig dargestellt von Helge Tramsen. Die kleine Franzi präsentiert Gundi Schulze überzeugend im weißen Tüllrock. Holger Spengler glänzt in mehreren Rollen, genauso wie Björn Jentsch, der auch für die Musik zuständig ist. Am Ende der Premiere tosender Applaus vom Publikum.

Das Stück führt die 29. Spielzeit des Schnürschuh Theaters an. Das Motto „Gut: Mensch“ soll laut Programmvorschau Anlass zum Hinterfragen sein. Ist es naiv, gut zu sein? Sind Menschen überhaupt fähig, gut zu handeln?

Info

Das Stück „Über Menschen“ wird im Schnürschuh Theater, Buntentorsteinweg 145, ab sofort immer sonnabends um 19.30 Uhr aufgeführt. Karten gibt es unter Telefon 55 54 10 oder bei Nordwest-Tickets im Pressehaus, Martinistraße 43. Alle Infos zu dieser und den weiteren Inszenierungen des Theaters gibt es unter www.schnuerschuh-theater.de im Internet.

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