Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Bremer Frau des Jahres „Andere zu unterstützen ist ganz normal“

Mihdiye Akbulut wird für ihr Engagement in Tenever als „Bremer Corona-Heldin“ geehrt. Die Jury zeichnet insgesamt elf Bremerinnen für ihren Einsatz aus.
08.03.2021, 05:00 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Von Silja Weißer

Bremer Frau des Jahres: Dass sie einmal diesen Titel tragen würde, hätte sich Mihdiye Akbulut nicht erträumt. Unter 27 Nominierungen hat der Landesfrauenrat in diesem Jahr gleich elf Frauen mit dieser Auszeichnung bedacht. Über der Auswahl der neunköpfigen Jury steht in diesem Jahr die Überschrift „Bremer und Bremerhavener Corona-Heldin“.

Akbulut schüttelt lächelnd den Kopf. „Ich freue mich natürlich über die Ehre und Anerkennung, aber eigentlich ist es doch selbstverständlich, anderen Menschen zu helfen.“ Und das macht die 47-Jährige tagein, tagaus.

Regelmäßiger Info-Point

Sie leitet das Sprach- und Kulturcafé für Frauen im OTe-Zentrum. Neben dieser Tätigkeit lehrt sie zum Thema Migrationshintergrund als Dozentin an der Universität. In Zeiten der Pandemie sah Akbulut aber noch mehr Aufklärungsbedarf. Tenever mit vergleichsweise hohen Infektionszahlen hat in der zweiten Welle Schlagzeilen in Bremen gemacht. Als Vertreterin des Mütterzentrums war Akbulut bei der Corona-AG vertreten, einer Kooperation mit dem Krankenhaus Bremen Ost, dem Ortsamt und dem Beirat Osterholz, der Gewoba dem Quartiersmanagement Tenever und Schweizer Viertel sowie dem Verein Bras, die dafür Sorge trugen, dass die Zahlen wieder zurückgehen. Es entstand die Idee, einen Informationsnachmittag ins Leben zu rufen, den „Corona-Infopoint“, an dem von Fachleuten aus dem Krankenhaus Bremen Ost Fragen zu Corona und Impfung beantwortet werden – mit Übersetzungshilfen in verschiedenen Sprachen. Diese regelmäßigen Treffen leitet Akbulut hauptverantwortlich.

Dass der Fragenkatalog zu Corona groß ist, erfährt sie täglich im Kulturcafé. Wie setzt man die Maske richtig auf? Warum sollten zurzeit nur maximal ein bis zwei Personen einen Fahrstuhl benutzen? Die Unsicherheit sei groß, berichtet Akbulut von ihren Erfahrungen im Kulturcafé.

Engagement im Mütterzentrum

Das Angebot des Mütterzentrums Osterholz-Tenever ist ein offener Treffpunkt für Frauen jedes Alters und jeder Nationalität. Seit zehn Jahren kümmert sich die zierliche Frau tatkräftig um die Belange von Müttern, die häufig aus anderen Kulturkreisen nach Deutschland gelangt sind und sich in dem für sie fremden Land zurechtfinden müssen. Ob es um Formulare geht, Briefe vom Jobcenter oder der Kindergeldstelle, die sie nicht verstehen, um Telefonate mit Behörden, die sie nicht führen können, oder um den einfachen Einkauf im Alltag, den es zu bewältigen gilt. Akbulut weiß, wie sich die Frauen fühlen und mit welchen Ängsten sie die neuen Herausforderungen angehen.

Sie ist an der türkischen Grenze zu Syrien aufgewachsen und erst 1985 zusammen mit ihren fünf Geschwistern nach Deutschland gezogen. Der Ortswechsel fand nicht aus freien Stücken statt. Grund waren die Kriegswirren. Durch den Vater, der bereits als Gastarbeiter im niedersächsischen Celle arbeitete, konnte die Familie problemlos nach Deutschland ziehen. Ihr wurde zunächst Münster als Wohnort zugewiesen, von dort ging es nach Lüneburg, 1992 nach Bremen.

Sprachkenntnisse hilfreich

Sprachprobleme, das Einfinden in eine fremde Kultur, sich hilflos fühlen und kein Selbstwertgefühl haben, all das ist Akbulut noch in Erinnerung. „Ich kann mich sehr gut in die Lage der Frauen versetzen und ihre Gefühle nachvollziehen“, sagt sie. Zugute kommen ihr bei der Kommunikation mit den Frauen ihre Sprachkenntnisse. Englisch, Türkisch, Kurdisch und Deutsch sind für sie kein Problem. Für Arabisch steht ihr ein Übersetzer zur Seite. In Rollenspielen übt Akbulut mit den Frauen Telefonate oder wie bei einem Notfall der Arzt gerufen wird.

Kontakte fördern Integration

Zusätzlich vermittelt sie den Teilnehmerinnen Sprachkurse, und auch die Kontakte, die untereinander entstehen, seien für die Integration der Frauen wichtig, weiß sie.

Über die Jahre ist Akbulut für viele Menschen im Stadtteil ein wichtiger Ansprechpartner in vielen Lebenslagen geworden. „Ich kann sehr schlecht Nein sagen, wenn Leute Probleme haben oder in Not sind“, gibt Akbulut zu. Vergangenen Oktober sei sie nachts um Hilfe gebeten worden. Eine afrikanische Frau habe sie angerufen, verzweifelt, da sie glaubte, dass sie ihr Kind verloren habe. Akbulut beruhigte sie und rief den Krankenwagen. Wie sich herausstellte, hatte der Achtjährige einen Fieberkrampf. „Die Situation war lebensbedrohlich.“

Seither fühlt sich Akbulut, selbst Mutter von drei Kindern, Tag und Nacht für die Menschen ihres Stadtteils verantwortlich. Das sei auch ihrer Herkunft geschuldet. „Bei uns zu Hause war es immer selbstverständlich, anderen zu helfen und füreinander da zu sein“, erzählt sie. Als sie von der Auszeichnung „Bremer Frau des Jahres“ erfahren habe, für die sie der Beirat vorgeschlagen habe, habe sie zunächst gedacht: „Quatsch, ich doch nicht. Andere zu unterstützen, ist doch ganz normal.“ Dennoch erfülle sie die Ehrung mit Stolz. „Sie ist eine große Motivation, meine Arbeit weiterhin mit Elan anzugehen.“

Info

Zur Sache

Antworten zur Pandemie

Der Corona-Infopoint in Tenever wird jeden Donnerstag von 14 bis 17 Uhr in der 1. Etage des OTe-Zentrums, Otto-Brenner-Allee 44-46, angeboten. In dieser Woche allerdings ausnahmsweise am Freitag, 5. März, zwischen 10 und 12 Uhr. Coronabedingt ist die Zahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer begrenzt. Anmeldungen sind unter der Telefonnummer 0152/06 42 67 91 bei Mihdiye Akbulut möglich. Der Corona-Infopunkt ist ein Angebot im Stadtteil, das in Kooperation angeboten wird. Mit dabei sind Fachleute des Klinikums Bremen-Ost, das Ortsamt Osterholz, der Beirat Osterholz, die Gewoba, Bras und das Quartiersmanagement.

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)