Seit zehn Jahren ist "Barlo", wie die Menschen in Tenever ihren ehemaligen Quartiersmanager Joachim Barloschky noch immer nennen, nicht mehr das Gesicht des Wandels in Tenever, Bremens jüngsten und internationalsten Stadtteils. "Barlo" kämpft aber nach wie vor für soziale Gerechtigkeit und das Menschenrecht auf Wohnen.
Abgeschlossen sei das Kapitel Tenever für ihn, sagt Barloschky an seiner alten Wirkungsstätte Tenever, für deren Sanierung er jahrelang gemeinsam mit Bewohnern letztlich erfolgreich gekämpft hat. "Ich hatte mich gut vorbereitet und bin froh, dass ich die Aufgabe in gute Hände abgeben konnte." Diese guten Hände waren damals die von Jörn Hermening, der die Nachfolge als Quartiersmanager in Tenever antrat und inzwischen Ortsamtsleiter in Hemelingen ist.
Weiter Kontakt nach Tenever
Abgeschlossen heißt aber nicht abgebrochener Kontakt für Barloschky. "Ich habe immer noch viele Freunde in Tenever, habe ehrenamtlich in der Kita Kinderhafen gearbeitet." Seine Frau arbeitet noch immer ehrenamtlich in der Grundschule Andernacher Straße.
Seit 2004 unterrichtet Barloschky an der Hochschule Bremen und bildet Sozialarbeiter aus. Viel Energie steckt er aber in das Aktionsbündnis Menschenrecht auf Wohnen. Das Bündnis hat sich im März 2012 gegründet. Unter dem Dach der Diakonie Bremen finden sich dort unterschiedliche, von Wohnungsnot oder Wohnungslosigkeit betroffene Gruppen und Institutionen zusammen. Ziel ist, auf die schwierige Situation auf dem Bremer Wohnungsmarkt hinzuweisen.
Er sei stolz drauf, dass das Thema inzwischen in der Öffentlichkeit und der Politik sehr aktiv diskutiert werde. "2012 hat da noch keiner drüber gesprochen", sagt Barloschky. "Housing first", nennt Barloschky, der drei Kinder hat, eine Strategie, um mit der Obdachlosigkeit umzugehen. "Im Mittelpunkt steht, dass jemand eine Wohnung bekommt, alles andere soll danach folgen." Sprich: Erst das Dach über den Kopf, dann sollen bei Bedarf andere Hilfsangebote folgen.
Im Unterschied zu anderen Programmen zur Bekämpfung von Obdachlosigkeit müssen sich Wohnungslose beim Housing First also nicht über verschiedene Ebenen der Unterbringungsformen, zum Beispiel Notunterkünfte und vorübergehende Unterbringungen, für eigene Wohnungen „qualifizieren“. Sie können stattdessen direkt in eine eigene ziehen.
Bezahlbarer Wohnraum als Menschenrecht
Die Wohnungsfrage beschränke sich aber nicht nur auf Obdachlose. "Es geht auch um die Frage der Mieten, der Mieterhöhungen und Eigenbedarfskündigungen", sagt Barloschky, der in den 70-Jahren in die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) eingetreten war. Deswegen sei die Arbeit des Bündnisses wichtiger denn je. "Entscheidend ist, dass man bezahlbaren Wohnraum schafft", sagt Barloschky. Maximal 30 Prozent ihres Netto-Einkommens sollten Menschen aufbringen müssen. "48 Prozent der Bremerinnen und Bremern zahlen aber mehr als 30 Prozent ihres Einkommens", sagt er. Für ihn sei dann auch das Schönste gewesen, dass die Berliner am Wahltag sich für den Mietenstopp entschieden hätten.
Klimaschutz und günstiger Wohnraum – Barloschky will dies nicht als Konkurrenz zueinander sehen. "Wir verbinden Klimaschutz mit dem Menschenrecht auf Wohnen", sagt er. Aber es gehe auch darüber hinaus. "Im Bereich Mobilität kann man noch viel tun, zum Beispiel mit einem kostenlosen Nahverkehr."
Auch wenn der basisdemokratische Kampf für die Sanierung Tenevers ein Erfolg war, bleibt ein großes Ziel bisher unerreicht. "Nicht alles ließ sich lösen, wie zum Beispiel die Armut in Tenever." Schlaflose Nächte sollte es den Politikern bereiten, dass Bremens kinderreichster Ortsteil zugleich auch einer der ärmsten sei. Und die Corona-Krise verstärkt seiner Meinung nach einen Trend. "Die Reichen werden reichen, die Armen ärmer." Seine Forderung: "Man muss dringend an die Vermögen ran, die Großen müssen zur Kasse gebeten werden." Da spricht der Klassenkämpfer Barloschky.
Lyrik und Wanderschaft
Der Klassenkampf, wenn man so möchte, geht für Barloschky also weiter. Im Privaten aber geht es ruhiger, ja lyrisch, zu. "Ich lese leidenschaftlich gerne Poesie", erzählt er. Derzeit fessele ihn die Dichterin Rosa Ausländer. Auf dem Tisch liegt außerdem eine Postkarte, adressiert an eine Adresse in Bremen-Nord, dort wo die Barloschkys wohnen. "Ich schreibe fast jeden Tag eine Postkarte an meine Frau", sagt Barloschky über die Karte auf dem Tisch. Mehr als 3000 seien so im Laufe der Jahre zusammengekommen. "Ich habe jetzt ja auch mehr Zeit dafür."
Ebenfalls leise ist ein anderes Hobby von Barloschky: das Wandern. "Ich erlaube mir, mit dem Rucksack durch Deutschland zu wandern, von Jugendherberge zu Landgasthaus." In diesem Jahr sei Schleswig-Holstein dran. Ein Ziel verliert er dabei nicht aus den Augen: "Ich bleibe ein engagierter Mensch, der sich für das Menschenrecht auf Wohnen einsetzt."