„Wir versuchen, die Kinder zu sensibilisieren, zu Fuß zur Schule zu kommen“, sagt Ulrike Wolters, Lehrerin an der Grundschule an der Carl-Schurz-Straße. Zum Thementag Verkehr hat sie einen kleinen Stand aufgebaut, an dem die jungen Grundschülerinnen und Grundschüler angeben können, mit welchem Verkehrsmittel sie zur Schule gekommen sind.
Mittel der Wahl zur Datenerhebung sind dabei Legosteine, die die Kinder wahlweise vor die Fahrrad-, ÖPNV-, Roller-, Fußgänger- oder Autosymbole stecken können. Das Ergebnis überrascht – schnell ergibt sich ein eindeutiges Bekenntnis zum Fußverkehr, die überwiegende Mehrheit läuft also zur Schule.
Dabei hatte sich erst unlängst der Schwachhauser Beirat mit dem massiven Verkehrsaufkommen zu Schulbeginn und Schulschluss vor der Grundschule befasst. In der Sitzung stellte sich unter anderem heraus, dass die Elterntaxis ein Problem darstellten, wobei bei der Legosteinabstimmung das Verkehrsmittel Auto im Vergleich zum Fußverkehr abgeschlagen auf dem zweiten Platz landete, dicht gefolgt vom Roller. Das Fahrrad zur Bewältigung des Schulwegs landete auf dem vierten Platz, danach dann knapp dahinter der ÖPNV.
Aber auch der zweite Platz für das Auto ist immer noch ein Problem und sorgt regelmäßig mit dem elterlichen Schülerbringdienst für unübersichtliche Verkehrsverhältnisse in der eher schmalen Carl-Schurz-Straße. „Es ist sehr eng hier und wir sind mit der Schule mitten im Stadtteil. Wir haben deshalb dazu aufgerufen, möglichst zu Fuß, mit dem Rad oder mit dem Roller zur Schule zu kommen“, sagt Ulrike Wolters.
Mit dem Rad sind auch die Schwestern Ida und Marie aus Schwachhausen gekommen. „Ich komme manchmal mit dem Rad, manchmal aber auch zu Fuß“, meint die neun Jahre alte Ida und ihre siebenjährige Schwester Marie sagt: „Eigentlich ist der Weg nicht gefährlich, das geht ganz gut.“ Ihre Mutter Anne Papendiek meint jedoch, um die jetzige Uhrzeit, also um 7.30 Uhr, sei der Verkehr vor der Schule noch kein Problem, doch auf dem Weg hierher gebe es so einige gefährliche Ecken: „Die erste gefährliche Straße ist der Schwachhauser Ring und dann die Wachmannstraße, dort fahren viele Autos und Radfahrer bei Rot über die Ampel.“ Die größere Tochter meint, dass die Ampel in der Wachmannstraße zudem schlecht zu sehen sei. „Daher begleiten wir die Kinder, da die Ampel beziehungsweise deren Nutzer wenig zuverlässig sind.“
„Hier ist es morgens gefährlich“
Derweil stehen so einige Eltern vor dem Schultor und sehen ihren Kindern hinterher, wie sie erst ihren Legostein setzen und dann in ihrer Klasse verschwinden. „Meine Tochter ist zu Fuß hier und fährt mit dem Roller zurück“, sagt eine Mutter, die nicht namentlich genannt werden möchte. „Hier ist es morgens gefährlich, die Eltern parken überall und es ist viel Verkehr vor der Schule.“ Viele Elterntaxis gebe es, meint sie und vermutet, dass es für viele Eltern zu weit und zu spät sei, mal eine Straße weiter zu parken, um ihre Kinder rauszulassen: „Das wäre besser, als in einem Haufen vor der Schule zu stehen und wäre eine Lösung.“
Abdullah Azerhomaeyon findet auch, dass es morgens recht gefährlich vor der Schule sei: „Mein Kind ist mit der Straßenbahn hier und ich fahre jeden Tag mit.“ Der Iraner lebt seit fünf Jahren hier, seine Tochter hingegen erst ein Jahr. „Sie kennt die Stadt erst ein wenig und manchmal ist es gefährlich.“
Die Schulleiterin Karin Wenz möchte mit dem jährlichen Verkehrsthementag auch für die Schulexpress-Haltestellen werben, wo sich Kinder treffen können, um den Schulweg zusammen zu gehen: „Wir wollen den Kindern zeigen, dass man auch gemeinsam zur Schule gehen kann. Und wir wollen verdeutlichen, dass viele immer noch mit dem Auto zur Schule kommen“, sagt sie und meint außerdem, dass sie sich „den Mund fusselig rede“, viele Eltern aber noch immer uneinsichtig seien: „Wir wollen, dass die Kinder zu Fuß kommen oder sich an einer der Schulexpress-Haltestellen treffen und gemeinsam gehen.“
Aber auch das gemeinsame Gehen kann Gefahren bergen, weiß auch der Kontaktpolizist Jens Vogel: „Ich mache mit den Erstklässlern eine Schulwegbegehung, um den Kindern prägnante Stellen zu zeigen und wo man Kreuzungen gesichert kreuzen kann.“ Das Überqueren der Straße wolle er mit den Kindern einüben „und dass sie lernen, dass die Autofahrer nicht alles sehen können.“ Für eine halbe Stunde sei die Verkehrssituation vor der Schule schon ein „Knackepunkt“, wie er sagt und für die Eltern sei das auch gefühlt ein Chaos: „Aber der Verkehr steht dann und das ist eigentlich gut. Und dadurch, dass viel los ist, passen auch viele Kinder auf. Das Gefühl der Masse der Autos macht sie aber unsicher.“
Derweil ist die mit grellen Warnwesten bekleidete Klasse 1D mit ihrem Lehrer Torben Stieghahn eingetroffen. Die vor der Schule aufgemalten gelben Fußspuren sind dabei die erste Station des Rundgangs durch die Straßen: „Die stehenden Füße bedeuten ,Stehen bleiben‘“, erklärt Jens Vogel, und das bedeutet: nach Autos schauen – „rechts, links und wieder rechts.“ Weiter geht es und der Kontaktpolizist übt das Überqueren einer Straße zwischen den Autos hindurch, das sichere Überqueren der etwas unübersichtlichen Kreuzung an der Georg-Gröning-Straße und das Passieren der Ampel in der Wachmannstraße. Die Kinder machen ihre Sache ganz gut, die Verkehrsteilnehmer verhalten sich vorbildlich – und doch, so die Beobachtung des Klassenlehrers Torben Stieghahn: „Würde Herr Vogel hier jetzt nicht stehen, dann würden die Radfahrer und die Autos bei Rot durchfahren.“