Esniyan Coskun holt auf: Die 44-Jährige und dreifache Mutter geht den Weg, den ihre Kinder ebenfalls gerade gehen – sie macht eine Ausbildung. Genau gesagt, absolviert sie im Mütterzentrum Vahr eine berufsbegleitende Ausbildung zur Sozialassistentin. Als Grundschulkind kam die Türkin nach Deutschland. Die Schule hat sie als Jugendliche nicht beendet, ein Fehler, aus heutiger Sicht. Damals habe sie sich nichts dabei gedacht. Sie heiratete mit 18, wurde als 19-Jährige Mutter. Der Mann versorgte die Familie. „Ich war damit zufrieden, ich hatte ja genug zu tun. Aber dann kam die Scheidung, und dann stand ich ohne was da.“
Das war vor 13 Jahren. Der älteste Sohn ist heute 20, der jüngste ist 16 Jahre alt. 2011, als er aus dem Gröbsten raus war, habe sie sich ein Herz gefasst und in zwei Jahren ihren Hauptschulabschluss nachgeholt. „Bei mir hat es einfach klick gemacht. Ich möchte meinen Kindern ein Vorbild sein.“ Das Jobcenter habe ihr geholfen und sie ermuntert, wieder zur Schule zu gehen. Der Unterricht fand vormittags statt. „Das hat gut geklappt, meine Mama hat mich auch sehr unterstützt.“
Mit dem Abschluss gab sich Esniyan Coskun nicht zufrieden. Sie wurde beim Mütterzentrum Vahr vorstellig, um dort ehrenamtlich in der Kinderkrippe zu helfen. „Je mehr ich mit den Kindern gearbeitet habe, desto größer wurde der Wunsch, mich in diesem Bereich zu qualifizieren.“
Ehrenamtliche Tätigkeit
Dass sie selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen will, hat mehrere Gründe. Stolz spiele eine Rolle, der Wille, es sich selbst zu beweisen. Außerdem wolle sie sich „den ewigen Stress mit dem Amt“ ersparen. Heute könne sie sich auch nicht mehr vorstellen, den ganzen Tag zu Hause zu sein, „nur putzen, kochen, waschen und Kinder. Ich will Neues lernen.“
Esniyan Coskun sei „ein hervorragendes Beispiel für alleinerziehende Frauen, die einen tollen Weg beschritten haben“, sagt Margaretha Gröninger, die im Mütterzentrum Vahr berufsorientierte Beratung für Frauen und Eltern anbietet. Sie kenne eine ganze Reihe solcher Beispiele, das sei das Beglückende an ihrer Arbeit. Dabei seien es gar nicht immer die großen Schritte, die zählten, auch kleine Erfolge machten Mut, die Teilnahme an einem Sprachkurs beispielsweise.
„Die Frauen, die zu uns kommen, wollen weiterkommen, sind aber oft unsicher, wie sie vorgehen sollen.“ Entsprechend helfe sie bei den ersten Schritten, weise auf Möglichkeiten hin, bremse aber auch bei zu hohen Erwartungen. Der überwiegende Teil der Frauen, die sich beraten ließen, seien mit ihren Kindern allein. Im nächsten Jahr wird Esniyan Coskun Sozialassistentin sein. Das reicht ihr nicht: Sie möchte sich anschließend zur Erzieherin weiterqualifizieren.