Eine hohe Zahl an Alleinerziehenden mit minderjährigen Kindern, die von staatlicher Unterstützung leben müssen, lässt die Regierungen in Bremen und Berlin sowie die Europäische Kommission in Brüssel nicht kalt. Das jüngste Produkt der Anstrengungen: Im Mai nahmen die Mitarbeiter des Projekts VIA – Vermittlung von Alleinerziehenden in Arbeit – ihre Beratungsarbeit in Tenever und Lesum auf.
Andere Anlaufpunkte sind die Mütterzentren. Jobkick Plus heißt ein Beratungsprojekt der Wabeq, das beim Ein- oder Wiedereinstieg in den Beruf hilft. Auch das Jobcenter unterbreitet Alleinerziehenden diverse Angebote. Bremische Unternehmen stellen sich auf Ein-Eltern-Familien ein. Es gibt die „Kitaplatz-Offensive“ mit dem Namen „Sopromob“, das Sofortprogramm Mobilbau.
Zu den Erfolgsgeschichten, die Margaretha Gröninger vom Mütterzentrum Vahr erzählen kann, gehört die einer Zuwandererin und Mutter dreier Kinder, deren Wunsch es war, Busfahrerin zu werden. Nach einer Vorqualifizierung im Mütterzentrum Tenever absolvierte sie die Ausbildung zur Berufskraftfahrerin, und seit zwei Jahren sitzt sie laut Margaretha Gröninger am Steuer eines Busses der Bremer Straßenbahn AG.
Die BSAG bemühe sich, Alleinerziehenden besondere Arbeitszeitmodelle zu bieten, sagt ihr Sprecher Jens-Christian Meyer. „Wir finden Lösungen, wenn auch vielleicht nicht immer sofort. Das tun wir aus unserem Selbstverständnis heraus, eine moderne und soziale Arbeitgeberin zu sein. Das tun wir aber auch, weil wir bei der angespannten Arbeitsmarktlage keine Mitarbeitenden verlieren möchten.“ Vor allem im Fahrdienst gäbe es „sehr individuelle Bedürfnisse“ und entsprechende Lösungen.
Das Ressort für Wirtschaft und Arbeit verweist auf eine Vielzahl von Anstrengungen, von denen nicht nur, aber verstärkt Alleinerziehende profitierten. Dazu zähle auch das „Beschäftigungspolitische Aktionsprogramm“ – 21 Prozent der Teilnehmer seien alleinstehende Mütter und Väter mit Kind oder Kindern. Eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe wurde eingerichtet, in die auch der Magistrat Bremerhaven eingebunden ist. Das Netzwerk Alleinerziehende, das Hilfen bündeln und koordinieren soll, wird wieder installiert.
Das Projekt VIA wurde ebenfalls vom Arbeitsressort angestoßen. Es wird vom Berufsförderungswerk Friedehorst und dem Mütterzentrum Osterholz-Tenever getragen und unterscheidet sich von anderen Unterstützungsangeboten: Die Frauen, die dort gemeinsam mit den VIA-Profis nach ihrem Weg in den Arbeitsmarkt suchen, können sich darauf verlassen, dass VIA für ihren Nachwuchs eine Betreuung organisiert.
Das mit gut 1,2 Millionen Euro aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) für vorerst drei Jahre finanzierte Projekt wendet sich in erster Linie an Alleinstehende im SGB-II-Bezug, die also von staatlicher Hilfe abhängig sind. Es gehe vor allem darum, die Hindernisse zu identifizieren, die überwunden werden müssen, um die Frauen in Arbeit zu bringen, erläutert Projektleiter Antonius Scheuermann. Dann würden gemeinsam Wege gesucht, um eben diese Barrieren aus dem Weg zu räumen. Die Zusammenarbeit mit dem Jobcenter sei eng, der Vernetzungsgrad mit anderen Einrichtungen zur Unterstützung Alleinerziehender hoch.
Angebote für Mütter, die "wollen und können"
Das Modellprojekt rage aus ähnlichen Programmen nicht nur wegen der Kinderbetreuung heraus, sondern auch, weil es wenig voraussetze, sagt Susanne Ahlers, Geschäftsführerin des Jobcenters Bremen. Wichtig sei auch, dass das Angebot freiwillig sei. Derartige Unterstützung nutze nur, wenn die Teilnehmerinnen „wollen und können“.
Auf der Liste, die vor Susanne Ahlers liegt, ist VIA eines von einer Reihe von Projekten für Ein-Eltern-Familien. Sie reichen von Einzelcoaching bis zu Gruppenseminaren, von mehrwöchigen bis zu mehrmonatigen Programmen. Das Gros beinhaltet Trainings und Vorqualifizierungen, Beratungen und Eingliederungshilfen. Es gibt aber auch Teilzeit-Ausbildungsplätze für Einzelhandels- und Bürokauffrauen.
Die Anforderungen einer Teilzeit-Ausbildung seien hoch, sagt Susanne Ahlers. Sie dauert vier Jahre, die Beanspruchung der Mütter sei beachtlich. Sie hätten zunächst auch nichts von ihrer Doppelbelastung, da sie im SGB-II-Bezug bleiben. Biete sich die Alternative, mehr Geld durch einen Job zu verdienen, fackelten viele Mütter nicht lange. Negative Schulerfahrungen und insgesamt wenig Selbstvertrauen seien weitere Hemmnisse.
Laut Arbeitnehmerkammer handelt es sich bei 0,8 Prozent der Ausbildungsplätze in Bremen um Teilzeit-Stellen, damit liegt Bremen über dem Bundesdurchschnitt (0,4 Prozent). Die Handelskammer bewerbe das Thema Teilzeit-Ausbildung in Gesprächen mit Unternehmen und bei Veranstaltungen seit vielen Jahren, sagt Karlheinz Heidemeyer, Geschäftsführer des Bereichs Aus- und Weiterbildung. Die derzeitige Lage am Arbeitsmarkt und der Fachkräftemangel böten Anlass für vorsichtigen Optimismus, was die Bereitschaft von Arbeitgebern angehe, diese Chance zu nutzen und Bedenken zu überwinden. Die Handelskammer informiere auch die andere Seite, potenzielle Teilzeit-Azubis. Sein Eindruck sei, dass es mehr an Teilzeit-Azubis als an -Ausbildungsplätzen fehle oder sie nicht zueinanderfänden. „Ich glaube, dass mehr Unternehmen in Teilzeit ausbilden würden, wenn geeignete Bewerber zur Verfügung ständen.“
Bei Jobkick Plus stehen Alleinerziehende im SGB-II-Bezug seit zehn Jahren im Zentrum der Bemühungen, insbesondere „An- und Ungelernte“, sagt Karin Hauffe, Leiterin des Bereichs berufliche Bildung und Beschäftigung. Die Angebote sind „niedrigschwellig“ und auf die Lage der Frauen zugeschnitten. Kontraproduktiv sei, zu viel zu verlangen und damit für Frustrationen zu sorgen, auf allen Seiten.
In den zehn Jahren habe das Team von Jobkick Plus viel dazu gelernt, sagt Karin Hauffe. Die Unterstützung müsse länger andauern als ein halbes Jahr, wie zunächst vorgesehen. „Die Frauen brauchen eine längere Zeit der Stabilisierung, bevor es in Richtung Vermittlung geht.“ Wegen der psychischen, aber auch physischen Belastungen der Mütter zähle inzwischen auch eine Gesundheitspädagogin zum Team.
Auch Jobkick Plus wird vom ESF gefördert. Die neue Förderperiode, die 2018 begonnen habe, währe drei Jahre – „ein absolutes Novum“, sagt Karin Hauffe. „Das Thema Alleinerziehende hat Konjunktur.“