Wer sich mit dem Thema Ratten und Müll beschäftigt, steht bald vor dem Henne-Ei-Problem. Was war zuerst da? Oder umgekehrt: Was soll zuerst weg? Kleingärtner haben aktuell offenbar mit Rattenbefall zu kämpfen.
Wie ist die Problemlage?
"Man sieht sie ständig", sagt Viola Falkenberg, Vorsitzende des Landesverbandes der Gartenfreunde. Auch in ihrem Verein "Rose am See" in der Vahr würden regelmäßig Ratten gesichtet. Gefühlt hätten sich die Schädlinge von Jahr zu Jahr vermehrt. "Zu den Folgen des Klimawandels gehört auch die Zunahme der Ratten. Denn davon überleben mehr in den wärmeren Wintern." Das berichtete Falkenberg beim Neujahrsempfang der Gartenfreunde Vertretern der Politik. Daraufhin stellte die CDU-Fraktion in der Umweltdeputation Anfang April eine Anfrage an den Senat.
Wie hat der Senat die Anfrage beantwortet?
"Dem Senat ist kein Schädlingsbefall durch Ratten in Kleingartengebieten bekannt", heißt es. Für die Rattenbekämpfung sind Immobilien Bremen und das Gesundheitsamt Ansprechpartner. Bürger können Rattenbefall unter 0421 3611-5551 oder per E-Mail an ortshygiene@gesundheitsamt.bremen.de melden. Zusätzlich sei dort wochentags von 10 bis 12 Uhr eine telefonische Beratungsstelle erreichbar. Immobilien Bremen vergibt die Aufträge an Schädlingsbekämpfer. Der Zusammenhang zwischen Rattenbefall und Vermüllung bringt die Bremer Stadtreinigung (DBS) ins Spiel. "Eine illegale Müllablagerung auf öffentlichen Flächen und Straßen wird von der DBS beseitigt. Für die Reinigung außerhalb der Zuständigkeit der DBS sind die jeweiligen Flächenverantwortlichen in der Pflicht", heißt es weiter.
Wo sehen Experten die Ursachen für Rattenbefall?
Immobilien Bremen hält es für möglich, dass klimatisch wärmere Bedingungen sich positiv auf die Rattenpopulation auswirken. "Rattenproblematiken im öffentlichen Raum sind allerdings auch auf zwei weitere Faktoren zurückzuführen – nämlich zu etwa 2/3 auf Abfälle bzw. falsche Müllentsorgungen sowie etwa zu 1/3 auf Fütterungen anderer Tiere (etwa Enten, Tauben und überwinternde Singvögel)", so Cecere. Meisenknödel stellten etwa auch für Ratten ein Nahrungsangebot dar. Gesundheitsressort-Sprecherin Kristin Viezens spricht insbesondere den Umgang mit Abfällen wie Essensresten an. Wer diese in Toiletten entsorge, locke Ratten an. Zudem sollte man keine unzubereiteten, nicht pflanzlichen, sowie gekochten Speisereste auf dem Komposthaufen entsorgen.
Was kritisieren Kleingärtner und CDU an den Behörden?
Zwiespältig sieht Falkenberg etwa die Empfehlung, das Nahrungsangebot für die Nager zu reduzieren, wie etwa das Gesundheitsamt rät. Denn in Kleingärten würden die Schädlinge stets reichlich Essen finden – "sogar dann, wenn niemals ein Apfel den Boden berührt", so Falkenberg. "Wer ordnungsgemäß Obst und Gemüse anbaut, bekommt die Ratten dazu." Falkenberg findet, dass die Stadt die Vereine und ehrenamtlichen Vorstände mit diesem Problem alleinlasse. "Eindämmen müssen wir die Ratten aus eigener Tasche, also vom Geld der Mitglieder", sagt sie. Eine Dauermaßnahme zur Rattenbekämpfung am Geschäftssitz des Kleingärtner-Landesverbands Horn-Lehe koste 130 Euro pro Monat, erzählt Falkenberg. "Die Probleme werden hin- und hergeschoben", sagt Hartmut Bodeit, Kleingartenbeauftragter der CDU. Er kann nicht nachvollziehen, dass die Behörde angeblich von dem Problem bisher nichts gewusst haben will.
Was fordern die Kleingärtner und die CDU?
Viola Falkenberg sieht als Landesvorsitzende der Gartenfreunde mit rund 100 angeschlossenen Vereinen die Bremer Behörden in der Verantwortung. Kleingartengebiete seien Naherholungsgebiete. Darum gehöre das Wegenetz um die Parzellen zum öffentlichen Grund, auch wenn die Gärten selbst Privateigentum seien. CDU-Sprecher Bodeit vermisst einen zentralen Ansprechpartner, etwa beim Umweltbetrieb Bremen. Es müsse jemanden geben, der Präventionsseminare anbiete. Genauso wie sich die Stadt um von Ratten befallene Spielplätze kümmere, müsse sie auch ein Interesse an der Bekämpfung der Schädlinge in Kleingärten haben. "Wenn sich Ratten vermehren, ist das gefährlich für die Öffentlichkeit, weil sie Keime weitertragen und Krankheiten verbreiten können", sagt Bodeit.
Wie ordnen die zuständigen Behörden das Problem ein?
"Anhand der beauftragten Schädlingsbeseitigungen kann sich keine besonders starke Zunahme von Rattenpopulationen feststellen lassen", teilt IB-Sprecher Fabio Cecere mit. Das Gesundheitsamt habe in den vergangenen fünf Jahren auch keinen vermehrten Zuwachs an Rattenbefall-Meldungen in Bremen verzeichnet, teilt Kristin Viezens mit. Dort gingen wöchentlich rund 15 bis 20 Meldungen ein. Die beauftragten Schädlingsbekämpfer setzten auf zwei Strategien: "So wurden in der Vergangenheit häufig akute und gezielte Einsätze gegen Ratten beauftragt", erklärt Cecere. Die zweite Variante sei eine Langzeitmaßnahme, "die am Ende günstiger und effektiver scheint". Im Jahr 2020 gab es laut Immobilien Bremen 151 Einzelmaßnahmen und 38 Dauerbekämpfungen. 2023 seien es 134 Einzelrechnungen und 21 Dauerbekämpfungen gewesen – Kostenpunkt: rund 69.000 Euro.