Ein Verbot von Rattengift würde bedeuten, dass Mäuse, Ratten und Co. künftig zum ständigen Begleiter auch beim Einkaufen in Supermärkten werden, warnt der Bundesverband der Lebensmittelkontrolleure Deutschlands. Dessen Vorsitzender, Maik Maschke, kritisiert die Absicht der Europäischen Kommission, Giftköder als Mittel zur Schadnagerbekämpfung aus dem Verkehr zu ziehen. Deutsche Behörden würden schon prüfen, ob sie die Zulassung bereits in diesem Sommer auslaufen lassen.
Ohne Fraßköder auszukommen, hält auch der Delmenhorster Schädlingsbekämpfer Stefan Grobbin für grundverkehrt: Seit 2012 wird das Unternehmen des 35-Jährigen gerufen, wenn sich Schädlinge eingenistet haben. "Das kann in einer Zwischendecke oder auf dem Dachboden der Fall sein", so Grobbin. Während beispielsweise die Stadt Delmenhorst für die Rattenbekämpfung im öffentlichen Raum zuständig ist, besteht auf privaten Grundstücken eine Verpflichtung der Eigentümer, tätig zu werden.
Verbot diesen Sommer oder Ende 2026
Darüber, dass geplant sei, Rodentizide zu verbieten, hat nach Angaben von Stadtsprecher Timo Frers der Delmenhorster "Fachdienst Veterinär- und Ordnungswesen keine Kenntnis". Grobbin verfolgt die Debatte über seinen Branchenverband, die Begründung werde aus dem "Green-Deal" von EU-Kommissarin Ursula von der Leyen abgeleitet. In Brüssel unterstütze man Maßnahmen zur Verringerung der Verwendung chemischer Pestizide. Bis zum Jahr 2030 soll der Einsatz um 50 Prozent gesenkt werden. Die Mitgliedsstaaten sollen dafür auch neue Vorschriften zur umweltfreundlichen Schädlingsbekämpfung einplanen. "Nach meinen Informationen ist das Ziel, Rattengift schon in diesem Sommer die Zulassung zu entziehen, vom Tisch, es soll wohl erst zum 31. Dezember 2026 zum Verbot kommen", so Grobbin. Für ihn gebe es aber keine Alternative zum Einsatz blutgerinnungshemmender Wirkstoffe zur Schädlingsbekämpfung, "Gift tilgt", sagt er.
Grobbin kennt in Delmenhorst die Hotspots der Rattenverbreitung. Dort, wo eine regelmäßige Bekämpfung passiere, würden die Bestände zurückgehen. Noch immer würde manch ein Bürger, der die Schädlingsbekämpfer ruft, verlangen, dass Grobbin und Kollegen das mit Firmenwerbung plakatierte Dienstfahrzeug lieber eine Straßenecke weiter wegzuparken. "Darauf lassen wir uns gar nicht ein, wir transportieren schließlich unsere Instrumente und Einsatzmittel. Ratten gäbe es überall, "ob in der Stadt oder auf dem Lande". Fraßköder kämen ausschließlich in sogenannten Köderstationen zum Einsatz. Auch um Haustiere davor zu schützen, Köder aufzunehmen. Würde eine Katze ein mit Rattengift kontaminiertes Tier fangen, könnte es sich übrigens nicht selbst daran vergiften, "dafür wäre die Konzentration viel zu gering", sagt Grobbin.
Seit 2013 dürfen Rodentizide mit den Biozid-Wirkstoffen Difencoum und Difethialon nicht mehr an Privatpersonen abgegeben werden und können legal nur noch von sachkundigen Personen eingesetzt werden. Darauf weist auch Timo Frers hin: "Rodentizide der zweiten Generation dürfen nicht mehr verwendet werden". Die Anwendungsbeschränkungen soll künftig aber auch die Schädlingsbekämpfer betreffen. "Schon nach sechs Monaten würden wir dann wohl eine solche Mäuse- und Rattenplage vorfinden, dass es ganz schnell wieder zu einer Notzulassung der bewährten Mittel kommt", schüttelt Grobbin den Kopf. Ob seine Branche eine solche, giftlose Übergangszeit aber überhaupt überleben würde, bleibt für ihn fraglich.
Grobbin benutzt auch Schlagfallen. Er setze auf eine Kombination unterschiedlicher Bekämpfungsmittel, auch um der Entstehung von Resistenzen entgegenzuwirken. Wenn vermeintliche Tierfreunde empfehlen, Nager mit Lebendfallen zu fangen, um die Tiere dann im Wald auszusetzen, schüttelt er nur mit dem Kopf. Wer sich mit dem Verhalten von Ratten auseinandergesetzt habe, würde wissen, dass eine Ratte beim Eindringen in ein fremdes Revier von seinen Artgenossen nicht geduldet werde. Da wäre eine sachgerechte Tötung wohl wesentlich tiergerechter.
In Delmenhorsts Stadtverwaltung empfiehlt man bei Rattenbefall auf dem eigenen Grundstück die Hinzuziehung von professionellen Schädlingsbekämpfern. Der zuständige Fachdienst würde sogar zur Hinzuziehung solcher Spezialisten auffordern, einem solchen Hinweis "wird meist umgehend nachgekommen".
In der Gemeinde Ganderkesee wird die Bekämpfung von Schadnagern übrigens von der Kommune geleistet, "auch auf privaten Grundstücken", bestätigt Rathaussprecher Hauke Gruhn. Sogar die Kosten würden aus Steuergeld übernommen, Gruhn erklärt dies damit, dass die Gemeindebereiche Stenum und Ganderkesee-Mitte als Erholungsorte anerkannt sind. Und dort sei die Kommune zur Rattenbekämpfung auch auf privaten Grundstücken verpflichtet. Es mache aber keinen Sinn, diese Regelung nur auf Teile der Gemeinde zu beschränken. "200 Meldungen über Rattenbefall registrieren wir pro Jahr", sagt Gruhn. Auch die milden Winter nennt er als Grund dafür, dass innerhalb der zurückliegenden vier Jahre eine Steigerung der Meldungen verzeichnet wird.