In der Ostpreußischen Straße in der Vahr und Schwachhausen wächst der Widerstand gegen eine geplante Klimaschutzsiedlung. Bis zu 150 Wohnungen, eine Senioreneinrichtung und eine Kita sollen dort entstehen. Das Problem: Auf dem Gelände wächst ein Wald. Eine Bürgerinitiative fragt, wie viel Sinn es macht, einen Wald zu fällen, um dann ein Klimaquartier zu bauen.
Felix Hoffmann ist Anwohner der Ostpreußischen Straße und Mitglied der Bürgerinitiative. Er wohnt mit seiner Familie nicht unmittelbar an dem künftigen Baugebiet, ist also nicht direkt betroffen. Dennoch hat er Bedenken, was das Projekt angeht. "Es geht darum, dass da ein Wald abgeholzt werden soll, um dann eine Klimaschutzsiedlung zu bauen." In seinen Augen sei das in gewisser Weise eine Irreführung. "Das ist ein innerstädtischer Wald und es ist eine Augenwischerei zu sagen, dass man dort etwas klimaneutraler baut und dann eine Klimaschutzsiedlung hat."
Grundsätzlich begrüßt Hoffmann aber Klimaschutzsiedlungen. "Aber bisher hat man die auf ohnehin schon versiegelte Flächen gebaut." Dort würde es Sinn machen. Auch das Argument des notwendigen Wohnungsbaus lässt er an der Stelle nicht gelten. "Das ist kein bezahlbarer Wohnraum, der dort entsteht mit den Townhouses", meint Hoffmann, der Mitglied im Bund für Umweltschutz Deutschland (Bund) ist. Gemeint sind mit Townhouses Reihenhäuser im südlichen Bereich des geplanten Baugebiets. "Ja, es gibt auch sozialen Wohnungsbau", ergänzt er. "Aber die fallen irgendwann auch aus der Bindung raus." Tatsächlich gilt in Bremen eine Preisbindung von 20 Jahren – eine Ursache der sinkenden Quote an gefördertem Wohnraum in Bremen.
Kritik äußert die Bürgerinitiative außerdem an der ungeklärten Entwässerung des Baugebiets, der Zufahrt zum Quartier entlang der Radpremiumroute sowie dem Zugang der Parzellisten zum Kleingartengebiet Tanneberg.
"Wir nehmen die Stellungnahme der Bürgerinitiative auf", sagt Jens Tittmann, Pressesprecher des Bauressorts. Die Einwände würden eingehend geprüft und abgewogen. Zum Baumbestand sagt er: "Die Bäume wurden kartiert, viele sind nicht mehr vital." Ein Großteil der Bäume werde auf dem Gelände selbst ausgeglichen. Ein Grobkonzept für die Entwässerung existiere bereits.
Zuletzt waren die Pläne Thema in der zuständigen Baudeputation, in der Sitzung konnte auch die Bürgerinitiative ihre Bedenken äußern. Von den Reaktionen ist Felix Hoffmann nach wie vor enttäuscht. "Es gab wenig bis keine Reaktion der Deputierten, da hätte ich mir schon mehr kritische Nachfragen gewünscht", beschreibt Hoffmann seinen Eindruck der Sitzung. "Wir waren auch mit Deputierten vor Ort, aber der Tenor war: Sie haben Recht, aber wir brauchen die Wohnungen." Für ihn sei das allerdings ein Totschlagargument.
"Die Zukunft ist die Sanierung von Altbauten und die Umnutzung von Leerstand", ist Hoffmann überzeugt. "Es kann ja nicht sein, dass wir hier eine Klimasenke abholzen und gleichzeitig haben wir in der Innenstadt Leerstand." Sein Blick geht in die direkte Nachbarschaft. "Wir haben an der Stresemannstraße das alte Telekomgebäude und den leer stehenden Baumarkt."
In eine ähnliche Richtung argumentiert auch die Bremer Architektenkammer, die sich zuletzt mehrfach für eine stärkere Sanierung von alten und leer stehenden Gebäuden stark gemacht hatte. Der Hintergrund: Ein Neubau, egal wie energieeffizient, hat durch den Bau und der Herstellung der Baumaterialien zum Beispiel Dämmstoffe, gebrannte Ziegel und Betonfundamente, in der Summe in der Regel eine schlechtere Energiebilanz als ein sanierter Altbau. Ein Zusammenschluss von Architekten, die sogenannten Architects for Future, hatten in diesen Zusammenhang den Abriss des Schulgebäudes Alter Postweg in Hemelingen kritisiert.
Nach Auskunft von Energiekonsens, eine gemeinnützige Klimaschutzagentur, die das Siegel Klimaschutzsiedlung vergibt, spiele der Energieverbrauch und CO2-Ausstoß beim Neubau einer Klimasiedlung derzeit keine Rolle bei der Zertifizierung "Die Idee hinter den Klimaschutzsiedlungen ist, die Standards dort zu erhöhen, wo ohnehin gebaut würde", sagt Henrik Unrath von Energiekonsens.
Die Graue Energie, die beim Bau aufgewendet werden muss, werde nicht direkt eingepreist. Mit Grauer Energie ist die Energie gemeint, die zum Bau eines Gebäudes benötigt wird. Diese spiele aber sehr wohl eine Rolle in den Überlegungen bei Energiekonsens. "Wir sehen die Problematik", so Unrath. In der Diskussion sei außerdem, wie man Bestandsgebäude besser in den Fokus nehmen könne.
Die Bauindustrie gilt als einer der größten Verursacher des klimaschädlichen Gases Kohlenstoffdioxid. Laut Angaben des Umweltbundesamts ist die Bauindustrie für 40 Prozent der Treibhausgas-Emissionen in Deutschland verantwortlich.
Mit der Zustimmung durch die Baudeputation ist das Vorhaben Klimaschutzsiedlung Ostpreußische Straße einen Schritt vorangekommen. Felix Hoffmann mag die Hoffnung dennoch nicht aufgeben. "Unser Ziel ist, dass dort nicht gebaut wird und wir würden nicht weitermachen, wenn wir dafür nicht die Chance sehen würden."