Die teilweise zwölfstündigen „Wohnzimmerkonzerte“, die Ralf "Ralli" Ziemer seit etwa zehn Jahren mit einer stetig wachsenden Anzahl befreundeter Musiker und Musikfreunde aus der Region in unregelmäßigen Abständen in seiner Aumunder Behausung zelebriert, sind längst mehr als ein offenes Geheimnis, über das auch DIE NORDDEUTSCHE bereits im Januar vergangenen Jahres berichtete.
Es lässt sich sogar guten Gewissens von einer lokalen, teils sogar überregionalen Musikszene sprechen, die sich auf diese Weise über diese Zeitspanne herausgebildet hat – mit dem Ziemer'schen Wohnzimmer als Dreh- und Angelpunkt. Welch eine Dynamik diese mit den Jahren entwickelt hat, ließ sich am vergangenen Sonnabend auch erstmals öffentlich und außerhalb des Ziemer'schen Grundstücks beim zehnstündigen Benefiz-Konzertmarathons nachvollziehen.
Mehr als 500 Besucher über den Tag verteilt
Nicht nur dank der „Farger Rocknächte“ ist der Saal der evangelischen Gemeinde Rönnebeck-Farge bereits vielfach konzerterprobt – und stellte auch hinsichtlich des großzügigen Außenbereichs die optimale Kulisse für das erste Auswärtsspiel der Wohnzimmerkonzertclique dar, das bereits in quantitativer Hinsicht beeindruckte.
Neben mehr als 50 Musikern fanden sich auch mehr als 25 Helfer, die sich sowohl um Veranstaltungstechnik als auch die leibliche Wohl der über den Tag verteilt mehr als 500 Besucher kümmerten – ob mit selbstgebackenen Kuchen, als Temporärtresenkräfte oder sogar mit einer zwölfstündigen Dauerschicht am Bratwurstgrill. Dennoch verzichteten durchweg alle Beteiligten auf jegliche finanzielle Entlohnung. Schließlich ging es neben der Musik und der Atmosphäre auch darum, Spenden für den wohltätigen verein „Hospiz Bremen-Nord“ zu sammeln.
Musikalisches Familientreffen
Dass somit auch die Veranstaltungstechnik mehr oder minder ein Sammelsurium aus Bestandteilen verschiedener Musikerbestände darstellte und an eine derartige Veranstaltung – zumal bei freiem Eintritt – keine hochprofessionellen Maßstäbe angelegt werden dürfen, ist nahezu selbstverständlich – und wäre dem ursprünglichen, familiären Charme der Veranstaltung möglicherweise sogar eher abträglich gewesen.
So präsentierten sich bei vielleicht nicht optimalen, aber durchweg guten Ton- und Lichtverhältnissen insgesamt zehn Bands und Künstler inklusive vielen langjährig bekannten Gesichtern der nordbremer Musikszene durchgehend von ihrer allerbesten Seite, während im Saal und dem Außenbereich eine familiäre Atmosphäre vorherrschte. Sätze wie „Mensch, Dich habe ich ja ewig nicht gesehen“, „Wen man hier so alles wieder trifft“ und auch „Das ist ja wie ein Familientreffen“ waren häufig zu vernehmen.
Eine kleine Sensation stellten sowohl für Organisator Ziemer als augenscheinlich auch für zahlreiche Besucher der Auftritt der lokalen Bluesrocklegende „Harpface & the Heat“ dar, die sich diesen Rahmen für ihren ersten Auftritt seit 27 Jahren auswählten – obwohl sie sich bereits vor etwa fünf Jahren reformierten. „Corona hat natürlich vieles ausgebremst“ erklärt Sänger Rüdiger Estrup, nachdem er gemeinsam mit Rainer „Harpface“ Söchting, Gitarrist Andreas Linke, André Rabini am E-Bass und dem neuen Schlagwerker Friedemann Bartels im halbakustischen Setup nachdrücklich demonstrierte, dass die Bluesrocker über die Jahre nichts verlernten.

Ralf "Ralli" Ziemer (Mitte) freut sich über 600 Euro Spendengeld.
Mit 25 überwiegend eigenen Stücken im Gepäck soll es für die Band nach diesem gefeierten Startschuss bald wieder auf die Bluesrockbühnen des Landes gehen: „Wir arbeiten derzeit daran“, erklärt Estrup, der auch ohne seine Bandkollegen ebenfalls zu den regelmäßigen Mitwirkenden der Wohnzimmerkonzerte zählt.
Als „The Awful Hungry Hash House“ präsentierten sich mit Axel Rosenbaum an der Harp, Gitarrist Klaus Busse und Bassist Volker Haese weitere wohlgelittene Szenebekannte in neuer Form, nämlich als betont puristisch agierendes Bluegrass-Trio. Alle drei traten – wie viele weitere an diesem Tag – auch in weiteren Konstellationen in Erscheinung, ebenso viele Mitglieder der abschließend nicht nur mit zahlreichen Genreklassikern, sondern auch stilistisch angepassten Rock-Coversongs aufwartenden „Soulala“.
Viele Mitglieder beider Formationen fanden sich zudem in der „Sitzgrubbe“, die neben spaßig umgetexteten Coversongs auch als Begleitband des Songschreibers und Multiinstrumentalisten Tjard Cassens fungierte, als auch in stetig wechselnden Konstellationen unter dem Namen „Ralli und Freunde“ in Erscheinung, bei denen selbstverständlich der Initiator selbst beherzt in die Saiten griff.
Auch das Trio „Dry Klang“ mit entsprechend dreistimmig vorgetragenen und bisweilen sehr individuell arrangierten Versionen bekannter Pop- und Rocksongs zählte ebenso wie das junge Duo „Sound On“ und Mitmusiker sowie Chormitglieder um Pianistin Ella Winkelmann sowohl zu den regelmäßigen Gästen im Ziemerschen Wohnzimmer.
So blieben nach mehr als zehn Stunden Musik durchgehend glücklich Besucher und Musiker sowie ein erschöpfter und nicht minder glücklicher Initiator – und nicht zuletzt eine Spende in Höhe von etwa 6000 Euro an den nordbremer Hospizverein. Auch Gemeindepastor Dittmar Schütt, der die Räumlichkeiten für dieses Ereignis recht kurzfristig zur Verfügung stellte, zeigte sich rundum begeistert. Eine mindestens jährliche Fortsetzung dieses „Wohnzimmer-Auswärtsspiels“ scheint nahezu beschlossen.