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Anwohnerprotest in Schönebeck Ärger in der Alhardstraße

Bald soll er kommen, der Ausbau der Alhardstraße. Und mit ihm auch die Rechnungen für die Anwohner der Straße. Sie sollen 90 Prozent der Kosten tragen. Eine Initiative wehrt sich dagegen.
06.03.2020, 06:39 Uhr
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Von Simon Wilke

Es gibt ganz offensichtlich Probleme in der Alhardstraße. Die Straße liegt gleich neben der viel befahrenen Vegesacker Heerstraße und dem Bahnhof Schönebeck, von dem aus die Studentinnen und Studenten der Jacobs University täglich zu den Hörsälen strömen. In der Alhardstraße aber ist es ruhig. Gerade einmal zehn Autos in der Stunde sollen hier hindurchfahren, sagen die Anwohner. Und schon der erste Blick in die Straße zeigt, womit das zu tun haben könnte. „Achtung Straßenschäden!“ steht auf den Hinweisschildern an den Einfahrten.

Das erste Problem, der Zustand der Straße, soll nun angegangen werden. Die Zeit des Löcherstopfens und provisorischen Ausbesserns ist vorbei, jetzt wird von Grund auf saniert. Erstmaliges Erschließen wird dies im Behördendeutsch genannt. Soll heißen: Von der Fahrbahn über Geh- und Radwege bis hin zu Straßenentwässerung und Grünflächen wird alles hergerichtet. Denn das ist bisher niemals geschehen, heißt es im Amt für Straßen und Verkehr (ASV), obwohl die Straße schon seit Jahrzehnten existiert. Das Planungsverfahren findet in diesem Jahr statt, im nächsten Jahr soll dann der Ausbau beginnen.

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Und anschließend folgt das zweite Problem. Es ist die Frage der Kostenübernahme. Sie ist der eigentliche Anstoß für all den Ärger rund um die Alhardstraße. Denn laut Gesetz kann fast die gesamte Höhe der Kosten auf die Anlieger umgelegt werden. 90 Prozent tragen dann die Eigentümer der Grundstücke, zehn Prozent die Stadt. Was für Außenstehende unfair klingt, ist rechtens. Das wissen auch Katharina Zacher, Marcel Dieck und Jörn Schönberger. Abfinden wollen sie sich damit trotzdem nicht. Und deshalb haben sie gemeinsam mit anderen Anwohnern im Januar die Alhardstraßeninitiative gegründet. Und worum es ihnen geht, hört man schnell heraus: Transparenz. Ihre Fragen: Wieso hier? Warum jetzt? Wie teuer wird es?

In der Alhardstraße muss bald etwas passieren

Die erste Frage lässt sich beantworten, die zweite wohl auch. Schlaglöcher, tiefe Pfützen, kein Fußweg – dass in der Alhardstraße bald etwas passieren muss, um die Verkehrssicherheit zu gewährleisten, ist ersichtlich. Und das wissen auch die Anwohner. Aber wie teuer es für den einzelnen Anlieger wird, ist völlig ungewiss. Die Alhardstraße ist kurz. Wenige Anwohner also müssen für viel Fläche aufkommen.

Das schürt die Sorge vor den Kosten. Vier, vielleicht fünf Menschen, schätzen die Mitglieder der Initiative, würden durch die finanzielle Belastung in ihrer Existenz bedroht. Wie viele genau, sei schwer zu sagen, denn es gebe keine Auskünfte über die zu erwartende Höhe der Umlage. Nur so viel: Der Anteil berechnet sich nach der baulichen Nutzbarkeit eines jeden Grundstücks – also zum Beispiel an der Grundflächen- und Geschosszahl.

Die Bewohner der Straße haben begonnen, sich zu vernetzen. Erste Gespräche mit der Anwohnerinitiative Turnerstraße wurden aufgenommen. Hier steht man vor dem gleichen Problem und wartet derzeit auf die Rechnungen der Stadt, um dagegen zu klagen. Und nach Memmingen in Bayern wurde Kontakt aufgenommen. Dort, sagen Zacher, Dieck und Schönberger, hätte man sich mit der zuständigen Kommune darauf geeinigt, dass die Grundstückseigentümer lediglich 50 Prozent der Kosten übernehmen.

Letzter Ausweg: Hausverkauf

Denn Bremen ist kein Einzelfall. In fast allen Bundesländern treiben Kommunen die Kosten für die sogenannte endgültige Erschließung ihrer Straßen von den Anwohnern ein. Und wie viele Menschen in Bremen möglicherweise unvorbereitet vor solchen Zahlungen stehen könnten, ist unklar. Etwa 420 Straßen in Bremen seien noch nicht erschlossen, hieß es in einem Bericht der Baubehörde aus dem Jahr 2017.

Besonders betroffen sind demnach Menschen in den nördlichen Stadtteilen Bremens. Es könne davon ausgegangen werden, so die Auskunft damals, dass bei rund 390 Straßen noch kein erstmaliger Ausbau stattgefunden habe. Eine Information über bereits geleistete oder künftig noch zu erhebende Erschließungsbeiträge kann beim ASV gegen eine Gebühr von 40 Euro beantragt werden.

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Für die betroffenen Anwohner in der Alhardstraße ein schwer erträglicher Zustand. Denn ungewiss bleibt zunächst sogar auch, ob überhaupt und wann tatsächlich saniert wird. Das entscheidet der Spielraum, den der jeweilige Haushaltsplan für derartige Maßnahmen hergibt. Deshalb möchte die Anwohnerinitiative zumindest mitreden, wenn es um den Ausbau geht. Eine Idee: Statt eines neuen Gehwegs könnte der Bereich für die Fußgänger durch Pfosten von der Fahrbahn getrennt werden. Die Mindestforderung der Initiative lautet so: ein Mitspracherecht bei der Neugestaltung der Straße. Die erste Gelegenheit dazu wurde ihnen bereits versprochen. Das Ortsamt hat mitgeteilt, dass zu einer Anwohnerversammlung eingeladen werde.

Bis es so weit ist, warten die Bewohner der Straße. Und manche beginnen vielleicht schon damit, Rücklagen zu bilden. Zacher, Dieck und Schönberger glauben allerdings nicht, dass jeder ihrer Nachbarn dazu in der Lage sein wird. Einige werden das Geld zusammenkratzen, andere werden ihre Häuser verkaufen müssen, vermuten sie. Vor allem die älteren Nachbarn und junge Familien. Deshalb versuchen sie, sich zu organisieren und sich zur Wehr zu setzten. Stellvertretend, sagen sie, für all diejenigen, deren Straßen vielleicht auch noch saniert werden müssen.

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