Als in der Silvesternacht um Mitternacht über Vegesack Feuerwerk leuchtete und Böller knallten, mag es für eine feiernde Gruppe ein ganz besonders emotionaler Moment gewesen sein. So berichtet es jedenfalls Vegesacks Pastor Volker Keller. Und auch seine Kollegin, Pastorin Jennifer Kauther, hatte es so empfunden.
Um Mitternacht begann für vier ehemals eigenständige Gemeinden ein gemeinsamer Weg. Nach einem langen Planungs- und Entscheidungsprozess wurde am 1. Januar aus der Evangelisch-Reformierten Kirchengemeinde Aumund, der Evangelisch-Lutherischen Christophorusgemeinde, der Vereinigten Evangelisch-Protestantischen Kirchengemeinde Vegesack sowie der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde Alt-Aumund eine Großgemeinde unter dem neuen Namen Evangelische Kirchengemeinde Aumund-Vegesack. Bei einer gemeinsamen Silvesterfeier hatten Haupt- und Ehrenamtliche aller vier Gemeinden darauf angestoßen. "Mit dem Gefühl: Wir gehören jetzt zusammen", berichtet Pastor Keller. Als die Böller knallten, habe er gedacht: "Es kracht jetzt auch für uns."
Einen krachenden Neuanfang wird es nach der Gemeindefusion aber dennoch nicht geben. Alles Neue kommt Schritt für Schritt, versichern die Pastorinnen und Pastoren. Eine Veränderung "Knall auf Fall" sollen die Gemeindemitglieder nicht erleben, sagt Pastor Jan Lammert. Die Menschen sollen langsam in das neue Gemeindeleben hineinspüren können. Es werde noch rund zwei Jahre dauern, bis Gebäude verkauft und das Gemeindezentrum an der Menkestraße aufgegeben wird. "Wir als Pastoren bleiben auch für unsere Bezirke zuständig", erklärt Jennifer Kauther. Erst wenn er Ende September 2025 in den Ruhestand geht, blickt Volker Keller voraus, "werden auch die Bezirke neu gestaltet". Seine Pastorenstelle wird dann nicht mehr neu besetzt. "Es geht langsam in Richtung Änderung", sagt auch er.
Von heute auf morgen umgewöhnen müssen sich die Geistlichen und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aber schon, wenn sie sich am Telefon melden. Gerade erst sei ihm dabei noch ganz selbstverständlich der bisherige Gemeinde-Name über die Lippen gekommen, erzählt Jan Lammert. Und Pastor Keller verweist auf die 206-jährige Geschichte der Kirchengemeinde Vegesack, deren Name seit 1817 ein fester Begriff war. Der geht so schnell nicht aus dem Kopf.
Eine erste konkrete neue Erfahrung werden die Gemeindemitglieder aber demnächst mit den Gottesdiensten sammeln. In Vegesack werde es einen zweiwöchentlichen Gottesdienst-Rhythmus im Wechsel mit Alt-Aumund geben, kündigt Pastor Keller an. Einmal im Monat komme in der Vegesacker Kirche ein Donnerstagabend-Gottesdienst hinzu. Auch die beiden anderen ehemaligen Gemeinden wechseln sich bei ihren Gottesdiensten ab, sagt Pastorin Kauther: eine Woche in der Pezelstraße, eine Woche in der Menkestraße. Bis der Standort aufgegeben werde, bleibe das erstmal so. "Jeder behält so ein Stück von dem, was ihm und ihr wichtig ist." Es solle auch weiterhin möglich sein, dass der Gottesdienst zu den Menschen kommt, die nicht so mobil sind, ergänzt Pastor Lammert und denkt an einen Scheunen- oder Zelt-Gottesdienst in Beckedorf und in der Apoldaer Straße.
Friedhöfe bleiben bestehen
Zu den Dingen, die sich jetzt schon ändern, gehören auch die Seniorennachmittage. Zu denen treffen sich nun alle Senioren aus der Großgemeinde und die Geburtstagskinder reihum in den Gemeindehäusern. Auch die Besuchsdienstkreise werden an die neue große Gemeinde angeglichen, und es wird einen gemeinsamen Förderkreis geben, sagt Jennifer Kauther. Die Verwaltung der Evangelischen Kirchengemeinde Aumund-Vegesack hatte zuvor schon für die vier Gemeinden gearbeitet. Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bedeutet die Fusion keine große Veränderung. Es sei aber möglich, dass die Aufgaben neu zugeschnitten werden, berichtet die Pastorin. Auch der Gemeindebrief bekommt ein neues Gesicht. Waren die Veranstaltungen zuvor nach den Standorten der Gemeinden aufgeführt, werde es künftig eine themenbezogene Struktur geben, kündigt Pastor Lammert an. Somit können die Gemeindemitglieder sich daran orientieren, wo ihre Interessen liegen.
Bleiben wird es bei den zwei Friedhöfen und auch dabei, dass die Kinder- und Jugendarbeit in der Pezelstraße angesiedelt ist. Für die Friedhöfe werde die Verwaltung vereinheitlicht. "Wir entwerfen eine gemeinsame Friedhofsordnung", sagt Jan Lammert. Allerdings werde es unterschiedliche Gebührenordnungen geben. Der Pastor nimmt eine "abwartende Haltung" wahr, wenn er an die Stimmung unter den Gemeindemitgliedern denkt. Den Prozess der Veränderung und die Planung der Fusion haben sie miterlebt. Nun wird sich nach und nach zeigen, wie das neue Gemeindeleben aussieht.