Magdalena Hedenkamp ist gelernte Pflegekraft und damit auf dem Arbeitsmarkt gefragt. Als alleinerziehende Mutter kann sie jedoch nicht im Schichtbetrieb einer Klinik arbeiten. Damit steht sie nicht allein: Immer mehr Krankenhaus-Beschäftigte ziehen die Anstellung bei einer Leiharbeitsfirma vor, um Schichten, Überstunden und Wochenenddiensten zu entgehen. Damit Fachkräfte wie die 37-Jährige nicht in die besser bezahlte Leiharbeit abwandern, bietet der Klinikverbund Gesundheit Nord (Geno) inzwischen individuelle Arbeitszeiten. Für die Geno ein Rechenmodell. Für Magdalena Hedenkamp ein Glücksfall.
„Das Thema Leiharbeit ist – wie bundesweit für die meisten Krankenhäuser – auch für uns eine echte Herausforderung“, sagt Geno-Sprecher Timo Sczuplinski. Wie viele Kräfte das Klinikum Bremen-Nord verlassen haben, um sich von einer Zeitarbeitsfirma teuer an diese oder andere Kliniken verleihen zu lassen, weiß Sczuplinski nicht. Er nennt eine andere Zahl: Der Klinikverbund hat für den Einsatz von Leiharbeit in der Pflege im ersten Halbjahr 2022 bereits rund sechs Millionen Euro bezahlt.
Wie viele Leiharbeiter arbeiten im Klinikum Nord?
Darüber macht die Geno keine Angaben. In allen vier Bremer Kliniken des Verbunds sind nach ihren Angaben – bei knapp 3000 Mitarbeitern im Pflegedienst – im Schnitt jeden Tag etwas mehr als hundert Leiharbeiter im Einsatz. Timo Sczuplinski: „Durch Corona und häufigere Ausfälle von Pflegekräften aus den festen Teams ist der Bedarf in Sachen Pflege in den zurückliegenden Monaten wieder gestiegen.“
In Zeitarbeitsfirmen herrsche zurzeit Goldgräberstimmung, so Pflegedirektorin Anne Stradtmann. Doch: "Man darf nicht vergessen, dass die Gehaltsstrukturen dazu führen, dass nicht alles beim Zeitarbeiter ankommt. Zeitarbeit ist heute ein lukratives Geschäft für die Firmen, denn die Patientenversorgung muss aufrechterhalten werden. Die Bundespolitik hat es versäumt, es anders zu regulieren. Ich würde mir wünschen, dass Zeitarbeit im Gesundheitswesen nur eingeschränkt erlaubt würde.“
Bedeutet Leiharbeit für Patienten einen Pflegeverlust?
„Wenn wir mit Leiharbeit höhere Ausfälle kompensieren müssen, dann ist das für mich ein notwendiges Übel, weil ich damit meine Mitarbeiter unterstützen kann. Die Patientenversorgung muss sichergestellt sein“, sagt Pflegedirektorin Anne Stradtmann.
Zeitarbeiter seien für sie zwar keine Pflegekräfte zweiter Klasse. "Aber wenn ich es mir aussuchen könnte, würde ich das Problem anders lösen. Wenn ich auf Zeitarbeit verzichten kann, habe ich viel gewonnen: Pflegequalität, ein besseres Zugehörigkeitsgefühl der Mitarbeiter und Frieden unter den Mitarbeitern.“ Es sei schwierig, wenn Zeitarbeitskollegen und Geno-Kollegen darüber sprechen, warum ein Zeitarbeiter mehr verdient, aber weniger Verantwortung übernimmt: "Für mich bedeutet das auch einen Verlust der Pflegequalität.“
Wie steuert die Geno gegen den Pflegenotstand?
„Wir müssen lernen, mit unserer Wertschätzung gegenüber unseren Mitarbeitern zu punkten. So versuchen wir, die Leute an uns zu binden und manchmal haben wir damit sogar Erfolg“, sagt Pflegedirektorin Anne Stradtmann. Ich habe schon Leiharbeiter eingestellt. Dann muss ich den Firmen eine Ablösesumme zahlen, aber das machen wir gerne, das ist ein Benefit.“
Der Klinikverbund steuert zudem mit flexiblen Arbeitszeitmodellen gegen. Geno-Sprecher Timo Sczuplinski nennt als Beispiel den Zentralen Springerpool des Verbunds, in dem mehr als 60 Mitarbeiter beschäftigt sind. Jedes der vier Geno-Krankenhäuser hat zudem einen internen Springerpool. Auf diese Weise kommt die Geno nach eigenem Bekunden weniger schnell in die Situation, Beschäftigte von Leiharbeitsfirmen einzusetzen. „Abgesehen davon setzen wir natürlich auch auf eigene Ausbildung.“ Allein 450 Pflegeausbildungsplätze bietet die Bremer Geno. Und auch das Anwerben ausländischer Pflegekräfte zum Beispiel aus Mexiko helfe, die Zahl der Pflegekräfte stabil zu halten.
Wie funktioniert der Springerpool?
Die Mitarbeiter können angeben, zu welchen Zeiten sie arbeiten möchten und springen ein, wo Bedarf ist. Das bietet Vorteile: "Ein Argument für die Mitarbeiter, zur Zeitarbeitsfirma zu gehen ist, dass sie dort mehr verdienen. Wir sind hingegen ein kommunales Haus, tarifgebunden. Wo wir Spielmöglichkeiten bei den Gehältern haben, ist der Pool. Die Kräfte sind normal in den TVÖD eingruppiert, aber hier gibt es eine Flexibilitätszulage, wenn die Springerkräfte in allen drei Schichten arbeiten und in allen vier Häusern der Geno eingesetzt werden können“, erklärt die Pflegedirektorin.
Was sagt eine Springerkraft über ihre Arbeit?
Für den Springerpool zu arbeiten, sei die beste Entscheidung ihres Lebens gewesen, sagt Magdalena Hedenkamp. „Ich kann mir aktuell nichts anderes vorstellen. Meine Motivation ist super gestiegen.“ Sie könne die Zeiten angeben, in denen sie einen Babysitter hat und dann arbeiten. Sie überwache in der Notaufnahme Monitore oder helfe auf Station, Patienten zu waschen. "Die Kollegen sind froh, dass ich da bin, denn ich kann ihnen durch meine Qualifikation alles abnehmen. Ich bin überall gern gesehen, das macht Spaß!" Von Zeitarbeitsfirmen hält sie nichts: "Das ist mir zu unpersönlich, da gibt es auch nicht diese Flexibilität. Die locken mit viel Geld, aber die Arbeitszufriedenheit ist auch nicht besser als bei uns."