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Selbstversuch in Bremen-Nord "Noch nie gehört": Mehrwegangebot in der Gastro bleibt unübersichtlich

Seit 2023 müssen Unternehmen, die Essen und Getränke to go anbieten, auf Mehrwegbehälter setzen: selbst angeschafft oder von Kunden mitgebracht. Wir haben in Vegesack gefragt: Funktioniert das schon?
14.01.2023, 08:00 Uhr
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Von Iris Messerschmidt
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Pappkarton, Pappbecher, Styroporboxen oder gar Plastikbehälter. Sie verursachen nicht nur seit Jahren einen riesigen Müllberg, sondern sind – von Umweltfrevlern einfach im Gelände, auf und neben überquellenden Abfallbehältern entsorgt – seit langem ein Ärgernis. Das soll sich laut Gesetzgeber ändern.

Seit dem 1. Januar 2023 gilt die im Mai 2021 beschlossene Mehrwegangebotspflicht. Doch es gibt Ausnahmeregelungen, da sind Mitarbeiter und Unternehmer nicht selten überfordert. Auch für die Kunden ist es unübersichtlich. Ein nicht repräsentativer Gang durch Vegesack zeigt so manche Irritation.

Wie ist die Regelung?

Restaurants und Imbisse müssen nun jedem Kunden, der das wünscht, Mahlzeiten und Getränke in einem Mehrweg- oder Pfandbehälter mitgeben. Ausnahmen gelten nur für kleinere Anbieter mit weniger als fünf Mitarbeitern oder weniger als 80 Quadratmetern Fläche. Diese Anbieter müssen dafür Gefäße akzeptieren und befüllen, die die Kunden mitbringen. Die Ausnahme von der Ausnahme: Wenn die Verkaufsstätte Teil eines Filial- oder Franchise-Unternehmens ist, das insgesamt über dieser Grenze liegt, greift wieder die Mehrwegangebotspflicht.

Wer hält sich daran?

Das ist für Kunden derzeit schwer nachzuvollziehen. Hinweisschilder finden sich vor entsprechenden Läden so gut wie gar nicht zum Thema. Darüber hinaus: Von "noch nie etwas davon gehört", bis zu "betrifft uns nicht" reichen einige Antworten von Imbissbetreibern beispielsweise im Kontor Vegesack oder auf der Gerhard-Rohlfs-Straße bei entsprechenden Nachfragen. Das Essen in den vom Kunden mitgebrachten Behälter mitzugeben, wird dabei nicht akzeptiert.

Mitgebracht und befüllt?

In der Pizzaria Montanaro sind gerade die Mitnahme-Steinofen-Pizzen sehr beliebt – was sich auch durch wartende Menschen in der Fußgängerzone zeigt. Pfandbehälter sind hier nicht zu finden, nur der übliche Pizzakarton. Trotz mehrfacher Gesprächsversuche war der Inhaber immer gerade dann nicht da. Allerdings: Die mitgebrachten Mehrwegbehälter wurden sofort akzeptiert und mit der Pizza befüllt.

Ohne Probleme ging es auch beim Imbiss schräg gegenüber: Schefflers Wurstbude. Die Brat-Currywurst samt Pommes Majo findet sofort ihren Weg in die mitgebrachte Lunchbox. Und der Kaffee to go? Ist an diversen Stellen gar kein Problem, wird per Porzellanbecher in den mitgebrachten Mehrwegkaffeebecher umgefüllt.

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Wie kann es sonst noch gehen?

Schon seit drei Jahren hat die Fleischerei Rudolph die Eco-Box eingeführt: ein hochwertiger Mehrweg-Vakuumbehälter. "Die Menüschalen sind als Pfandsystem sehr teuer", gesteht Inhaber Jörg Rudolph und spricht in der Anschaffung von 27 Euro pro Box für den Kunden. Das werde in seinen beiden Filialen in der Dobbheide und Gerhard-Rohlfs-Straße sehr gut angenommen, "aus diesem Grund werden die Boxen dort sofort befüllt, so kann jeder Kunde seine eigene Box gleich wieder mitnehmen". In den Filialen in Lesum und Aumund ginge das Essen eher in der Tausch-Eco-Box über den Tresen. "Das ist in diesen Fällen die bessere Alternative, weil die Küche eine Bevorratung bis 13 Uhr vorhalten müsste, damit würde ich eine Menge Arbeitskraft sperren."

Wo gibt es die Eco-Boxen?

Allerdings hat Jörg Rudolph gerade ein Nachschub-Problem. Die Mehrwegboxen sind derzeit ausverkauft, "eine weitere Lieferung ist erst ab Ende Januar möglich", hat Jörg Rudolph erfahren. Glück im Unglück: "Bislang hat noch kein weiterer Kunde danach gefragt", so seine Erfahrungen. Außerdem könne selbstverständlich jeder sein eigenes Behältnis mitbringen. Sollten die Eco-Boxen wieder neu erhältlich sein, plant Jörg Rudolph einen Informationsangriff: "mit Plakaten und Extra-Ansprache der Kunden". Denn seiner Meinung nach ist das Mehrweg-System noch immer viel zu wenig bekannt.

Macht die derzeitige Handhabung einen Sinn?

"Schön wäre es gewesen, wenn die Einwegbehälter gleich ganz verboten worden wären", sagt Rudolph. Das hätte ja auch als Übergangslösung, "ähnlich wie bei den Krankschreibungen, dem sogenannten gelben Schein" laufen können. Doch frei nach dem Motto, "ich muss nicht, ich kann", das käme bei vielen Kunden gar nicht richtig an. Jörg Rudolph ist überzeugt: "Akzeptanz bei den Menschen für das Mehrwegsystem zu schaffen, ist auf diese Weise gar nicht so einfach." Nur die Politik könne sich mal wieder auf die Schulter klopfen, frei nach Motto: "Wir haben ja etwas getan." Das sei wie mit dem Vorstoß, auf Fleisch zu verzichten. "Wir müssen einfach umdenken. Wie wäre es, schon in der Grundschule mal auf die Ernährungslehre zu setzen, statt den Fleischverzicht zu predigen?" Alles in Maßen ist für Jörg Rudolph die richtige Devise, gutes Fleisch vom Metzger, statt Billigfleisch vom Discounter, mehr Obst und Gemüse und auch mal veganes Essen – und das im Mehrwegbehälter eingekauft. "Mehrweg muss dann aber auch für alle gelten."

Wird das Mehrwegsystem überprüft?

Auf Nachfrage beim Senatsressort für Inneres, ob das Ordnungsamt für die Überprüfung zuständig ist, gab es aus dem Pressereferat eine Antwort. Karen Stroink: "Wir gehen davon aus, dass die Zuständigkeit beim Lebensmittelüberwachungs-, Tierschutz- und Veterinärdienst des Landes Bremen liegt. Die haben auch einen eigenen Außendienst." Auf Nachfrage bei der dortigen Amtsleiterin, Frau Dr. Bärbel Schröder, gab es zur Antwort: Das Senatsressort für Klimaschutz, Umwelt, Mobilität, Stadtentwicklung und Wohnungsbau sei zuständig.

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