Volker Afflerbach mag jedes Wetter, vor allem aber Unwetter: Gehen andere lieber rein, geht er raus. Der frühere Blumenthaler und jetzige Vegesacker ist nicht bloß Hobby-Meteorologe, sondern auch Stormchaser – Sturmjäger. Für ihn kann es nicht genug blitzen und donnern. Darum war Dienstagnacht eine gute Nacht. Afflerbach hat so viel Beute gemacht wie selten zuvor. Dreieinhalb Stunden fotografierte und filmte er Blitze. Nach seinen Worten gab es mehr Entladungen als bei anderen Gewittern. Und werden Wetterextreme wahrscheinlich häufiger vorkommen.
Seine Technik hat schon früh angezeigt, dass etwas auf den Norden zukommt. Während Wetter-Apps auf Mobiltelefonen noch von einem normalen Abend ausgingen, deuteten Afflerbachs Messinstrumente längst einen unnormalen an. Früher, als er in Blumenthal wohnte, hatte er eine Wetterstation im Garten und eine oben auf dem Haus – jetzt, in Vegesack, sind beide Anlagen auf einer Dachterrasse. Alles wird erfasst: die Luft-, Blatt- und Bodenfeuchte, die Außen- wie die Bodentemperatur, die Windrichtung und -stärke, der Taupunkt, die UV-Strahlung, der Luftdruck. Seine Apparate sind so gut, dass der Deutsche Wetterdienst auf die Daten, die sie sammeln, regelmäßig zurückgreift. Genauso wie das Internetportal von Fernsehmoderator Jörg Kachelmann.
Geht es um Gewitter, dann immer auch um Zahlen. Afflerbach, 63, Ruheständler, nennt so viele, dass man meinen könnte, er hätte Dienstagnacht genau Buch geführt. Er kann auf Anhieb sagen, wie viele Entladungen es gab – "185 in der Minute". Und wie viel Regen mancherorts runtergekommen ist – "165 Liter pro Quadratmeter in zwei Stunden". Er spricht von einem Altenheim in Aurich, das wegen der Wassermassen evakuiert werden musste. Von einer Blitzfrequenz, die eigentlich bei 50 bis 60 Entladungen in einem Zeitraum von zehn Minuten liegt. Und davon, dass er so ein Gewitter wie am Dienstag nur selten erlebt hat. Jedenfalls in Deutschland. Afflerbach vergleicht es mit Unwettern auf Kuba. Dreimal war er dort, immer aus demselben Grund: karibische Gewitter zu erleben.

Auswertung am Computer: Hobby-Meteorologe Volker Afflerbach stellt seine Messdaten online.
Dass es in dieser Woche am nördlichen, südwestlichen und teilweise östlichen Himmel von Deutschland ähnlich zugegangen war wie im Inselstaat, kommt für den Hobby-Meteorologen nicht von ungefähr. Er sagt, dass ein Gewitter umso heftiger wird, je feuchter die Luft ist – und dass die Werte schon vor Dienstag mehrere Tage infolge hoch waren. Eine andere seiner Formeln lautet: Je wärmer es ist, desto mehr Gewitter kann es geben. Dieser Sommer ist für ihn allerdings noch kein regelrechter Gewitter-Sommer. Afflerbach hat die Zahlen verglichen: In diesem Jahr kommt er bisher auf acht Tage mit Temperaturen über 30 Grad, im vergangenen waren es ein gutes Dutzend. Und bis zu 25 Grad wurde es nach seiner Statistik in diesem Sommer bislang an 43 Tagen, im vorherigen an 50.
Extrem ist das Wetter für ihn trotzdem – nämlich was die Mengen angeht, die es in manchen Gebieten regnet. Wie kürzlich im Bremer Norden, wo die Autobahn gesperrt werden musste. Wie neulich in Oldenburg, wo die Kanäle überliefen. Und wie jetzt am Dienstag im Kreis Karlsruhe, wo in mehreren Orten die Rettungskräfte mit Booten ausrücken mussten. Afflerbach meint, dass so etwas in den nächsten Jahren wahrscheinlich häufiger vorkommen wird. Und dass sich die Behörden deshalb umstellen müssen. Er findet, dass sie nicht nur früher warnen, sondern auch mehr über die Risiken informieren müssten. Vieles, glaubt er, sei inzwischen vergessen worden. Zum Beispiel, keinen Schutz unter einem Baum zu suchen, wenn es blitzt. So wie es im Juli eine Familie in Delmenhorst getan hat und eine 14-Jährige gestorben ist.
Afflerbach hat viel über Unwetter gesprochen. Er saß in Livesendungen im Fernsehen. Er war bei RTL, bei Sat.1, beim NDR. Kamerateams begleiteten ihn. Sie machten Reportagen, Homestorys und Porträts über ihn. Er gab Interviews und hielt Vorträge, auch an der Bremer Uni. Er erklärte den Studierenden, was nicht alle von ihnen wussten. Etwa dass Blitze im Extremfall eine Strecke von 150 Kilometern zurücklegen können. Dass sie mitunter auch dort einschlagen, wo sie kurz zuvor schon einmal eingeschlagen sind. Und dass ein Gewitter so abrupt enden kann, als hätte jemand einen Schalter umgelegt. So wie am Dienstag. Afflerbach hat auf die Uhr geschaut: Um kurz vor Mitternacht war am Nordbremer Nachthimmel alles vorbei. Und ging es andernorts mit Wetterleuchten wieder los.

Zwei Wetterstationen auf einer Dachterrasse: Auf die Daten, die sie in Vegesack erfassen, greift auch der Deutsche Wetterdienst zu.