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Rudersport mit fast 90 Jahren "Man sitzt nicht allein im Boot"

Fritz Benjes kennt Lesum und Weser so gut wie kaum ein zweiter in Bremen. Sein Leben verlief immer nah am Fluss. Jetzt hat er mit 88 Jahren das Rudern gelernt.
02.09.2022, 16:32 Uhr
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Von Sophia Allenstein

Morgens um 9 ein Ruf – „An die Boote!“. Zwölf Hände packen zu: Sechs vorne, sechs hinten. Und ein Handpaar sticht dabei heraus. Stück für Stück trägt das Team des Vegesacker Rudervereins ihr über elf Meter langes Boot vom Lager über den Rasen und eine Rampe hinunter. Der Himmel ist bedeckt an diesem Morgen, als die dunkelblaue „Harriersand“ in das graue Lesumwasser eintaucht. Nur ein zarter Streifen Türkis über dem Horizont, benachbarte Boote liegen noch schlafend am Anleger.

Rund 40 Kilometer wird die Mannschaft der "Harriersand" an diesem Tag zurücklegen. Einmal nach Oberhammelwarden  – und zurück. Das Besondere: Ruderanfänger Fritz Benjes ist fast 90 Jahre alt. Im Frühling 2022 begann er mit der Ruderausbildung in der vereinseigenen Ruderschule, mittlerweile gehört er zu einer Gruppe, die sich immer Dienstagsmorgens trifft, fest dazu.

Erstaunlich findet es der hagere Mann mit schlohweißem Haar, leicht nach vorne gebeugter Haltung und Vollbart nicht, dass er das Rudern noch in diesem Alter gemeistert hat. Und eigentlich dürfte es niemanden groß überraschen, der den 88-Jährigen etwas besser kennt. Denn das Wasser hat sich stets seinen Weg durch das Leben des Bremers gebahnt.

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Benjes Mutter stirbt früh, er wächst bei den Großeltern auf. Ihr Haus steht direkt an der Lesum, der kleine Fritz und seine Geschwister bringen sich an Flussstränden selbst das Schwimmen bei. An Land fühlt sich der Junge ungeschickt, hat manchmal motorische Schwierigkeiten. Eigentlich ist er Linkshänder, wird jedoch zum Rechtshänder umerzogen. "Ich pflegte über meine eigenen Beine zu stolpern. Aber beim Schwimmen konnte mit keiner folgen," sagt Fritz Benjes jetzt über diese Zeit. Schon als Fünfjähriger rudert er im Arbeitsboot des Großvaters mit, ein Jahrzehnt später steigt er in den Segelsport ein.

Wenn Benjes heute in das blaue Ruderboot in Vegesack klettert, sind seine Bewegungen etwas langsamer als die seiner Ruderkollegen. Aber ein Zögern vor dem Schritt ins wacklige Gefährt bleibt aus. Ist es nicht gefährlich, im hohen Alter noch einen kraftzehrenden Wassersport auszuüben? "Man sitzt ja mit 88 nicht allein im Boot," sagt der Vorsitzende des Vegesacker Rudervereins, Uwe Vielstich, dazu. Die Mannschaft sei permanent mit dabei. "Ein Jogger geht dagegen alleine laufen. Und im Winter ist die Schwimmweste bei uns im Verein für alle Pflicht".

In fast neun Lebensjahrzehnten hat Fritz Benjes viel Wasser durch Lesum und Weser fließen sehen. Und miterlebt, wie die Flüsse und ihre Ufer sich wandelten. In seinem Job als Landvermesser ermittelte er die Breite und Tiefe von Flüssen für den Sperrwerksbau. Nach der Sturmflut von 1962, die in Bremen sieben Menschen das Leben kostete, wurde der Hochwasserschutz verbessert, neue Sperrwerke in Ochtum, Lesum und Hunte entstanden. Benjes erlebt die Weservertiefung mit, die Rückkehr der Aale nach dem Bau eines Klärwerks, aber auch den Tod eines Jungen im Fluss, für den jede Hilfe zu spät kam.

Dass Benjes heute noch so fit ist, führt er auf seinen früheren Job im Katasteramt zurück. "Beim Landvermessen ist man die ganze Zeit draußen, man muss laufen und sich bewegen", sagt der Bremer. Bei längeren Ruderstrecken merkt er mittlerweile, dass seine Kraft und Konzentration nachlässt. Dann rudert er einen Teil der Strecke, und steuert den anderen Teil. Und auch auf längere Trips muss er nicht mehr mit. "Das ist mir zu anstrengend," sagt Benjes.

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An diesem Morgen hat das Team in der "Harriersand" langsam seinen Takt gefunden. Benjes streckt die Arme durch, und die Skullen, die Paddel des Ruderbootes, pflügen in ruhigen, synchronen Bewegungen durch das Lesumwasser. Vor und zurück, vor und zurück. Vier Skullen rechts, vier Skullen links. "Beim Rudern ist es wie bei einem Uhrwerk," versucht es der Vorsitzende des Rudervereins mit einem Vergleich. "Es kommt nicht auf die Kraft des Einzelnen an. Sondern darauf, dass alle im selben Rhythmus fahren".

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