Seit dieser Woche ist die Buslinie 90 der Bremer Straßenbahn AG (BSAG) um eine Attraktion reicher. Nicht etwa die Route hat sich geändert, auch die Busse sind dieselben wie noch vor Wochenfrist – die Fahrt klingt jetzt anders. Aus den Lautsprechern ertönen die Informationen über die Haltestellen nun in der Stimme des Entertainers Jan Böhmermann. Von Neuenkirchen bis Gröpelingen, dem Weg der früheren Linie 70, werden die Reisegäste von der Stimme des gebürtigen Bremen-Norders begleitet.
Für das Ehepaar Helfers war genau das an diesem Montag der Grund, in die Linie 90 zu steigen. „Ansonsten fahren wir kaum mit dem Bus, aber Jan Böhmermann wollten wir einmal hören“, sagt die Bremerin, die ihren Vornamen nicht in der Zeitung lesen will. Und was halten die beiden davon? Das Paar ist nach eigenen Angaben enttäuscht. Die zwei hatten mehr von der Zusammenarbeit der BSAG und Böhmermann erwartet, vielleicht ein paar Anekdoten, wie es Böhmermann in seinem Podcast „Fest & Flauschig“ mal angeboten hatte. Doch so, wie es jetzt läuft, meint die 67-Jährige, mache es die Fahrt zumindest nicht grundlegend spannender als vorher. „Eigentlich ist es egal, wer die Ansagen macht. Die Stimme hört man auch nicht wirklich raus.“
Thomas Burkandt dagegen ist von der neuen Stimme begeistert. „Das ist mal was anderes“, sagt der 35-Jährige. „Der Typ ist ein feiner Kerl.“ Ihm sei die Stimme sofort aufgefallen, denn zuvor hätten die Ansagen neutraler geklungen. Jetzt, so Burkhardt, liefere Böhmermann eine eher „quietschige Stimme“ für die Tour durch den Bremer Norden, die mit all ihren 59 Haltestellen in der Regel knapp 70 Minuten dauert.
Die gemeinsame Aktion von BSAG und Böhmermann sorgte in der Hansestadt für Wirbel: Der Satiriker hatte schon vor längerer Zeit über seine Bereitschaft gesprochen, in die Rolle des Bus-Ansagers schlüpfen zu wollen. Im Oktober hatte er sich im Podcast „Fest & Flauschig“ als Ansager für die Haltestellen in Bremen-Vegesack angeboten. Ein Angebot, das die BSAG laut Mitteilung des Unternehmens nicht ablehnen konnte. Und so wird Böhmermann in den nun folgenden Monaten zur Stimme der Linie 90.
„Ich bin als Kind und Jugendlicher jeden Tag mit der Linie 90 gefahren – damals hieß sie noch 70 und ihre Schwesterlinien waren die 71 und 74“, sagt Böhmermann in einer von der BSAG veröffentlichten Stellungnahme zu seiner Verbindung zu der Buslinie. Auf der Fahrt vom Straßenbahndepot in Gröpelingen bis zur Endhaltestelle Heidstraße könne man sich wunderbar Bremen-Nord angucken, so der Moderator weiter. Kurzum: Die 90 sei „die beste Buslinie der Welt“.
Von seinen Erfahrungen und Gefühlen für den Bremer Norden erfährt man als Fahrgast der Linie 90 allerdings nichts: Böhmermann hat die Namen der Haltestellen eingesprochen, möglichst emotionslos. Wer sich eine ausführlichere Tour von Böhmermann durch Bremen-Nord wünscht, wird auf dessen Youtube-Kanal fündig. Im Dezember 2017 hat der gebürtige Bremer auf der Plattform ein sogenanntes „Let’s Play“ des Videospiels Omnibussimulator 2 (OMSI2) veröffentlicht. Dort gibt es die Strecken von Bremen-Nord als sogenanntes Add-on zum Basisspiel – in erschreckend-realer Darstellung, wie Böhmermann in dem Video kommentiert.
Mehr als eine halbe Stunde lang schlüpft Böhmermann in dem Video in die Rolle eines Busfahrers und fährt vom Bahnhof Vegesack aus auf den Straßen seiner Jugend. Das Besondere: Im Gegensatz zu den Standarddurchsagen der BSAG liefert der Moderator dort zu fast jeder Haltestelle der BSAG eine kleine Anekdote aus seiner Kindheit.
