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Festival Maritim und Co. Festivalsommer in Gefahr

Umsonst und draußen ließ es sich in Bremen bisher gut feiern. Doch Breminale, La Strada und Summersounds kämpfen mit massiven Geldproblemen. Geht das Modell Festival ohne Eintritt noch auf?
16.09.2022, 11:00 Uhr
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Von Sophia Allenstein
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Nach drei Tagen Shantys, Folk und Rock folgte beim Festival Maritim kürzlich die große Ernüchterung. Die Kosten für Technik, Personal und Energie explodierten, für das nächste Jahr braucht das Festival neue Finanzierungskonzepte. Sonst müsste es erstmalig Eintritt verlangen. Wie sieht die Situation bei anderen eintrittsfreien Festivals in Bremen aus? Und welche Refinanzierungskonzepte gibt es? Die NORDDEUTSCHE hat sich bei Festivalbetreibern umgehört.

Summersounds

Regionale und internationale Acts von Pop bis Jazz und Elektro spielen beim Summersounds in den Neustädter Wallanlagen. Dieses Jahr wäre das beliebte Festival beinahe abgesagt worden. „Wir haben bis vier Wochen vor dem Auftakt nicht gewusst, ob wir die Fehlbedarfsrechnung ausgleichen können. Und das Festival wie geplant stattfinden kann,“ sagt die künstlerische Leiterin des Summersounds, Astrid-Verena Dietze. Der Trägerverein rechnete mit etwa 30 bis 40 Prozent Kostensteigerung bei der Infrastruktur im Vergleich zu 2019. "Es war aber weit mehr. Allein die Gagen für die Künstler und Künstlerinnen haben sich teilweise verdreifacht", erklärt Dietze.

Auf 2023 schaut die Festivalleiterin mit Sorge. Eine feste institutionelle Förderung erhält der Trägerverein nach Angaben von Dietze nicht. Damit es das Summersounds überhaupt geben kann, braucht es ein Netz aus Sponsoren. In diesem Jahr habe Summersounds noch pandemiebedingte Förderung aus dem Aktionsprogramm Innenstadt und der Initiative Musik erhalten. "Wenn die auslaufen, wird es richtig eng". Dann müsse man sich mit der Politik verständigen, wie man eintrittsfreie Veranstaltungen mit Teilhabecharakter weiter ermöglichen könne. Für die Existenzsicherung Eintritt zu nehmen, lehnt das Summersounds kategorisch ab. Möglicherweise muss es sich 2023 auf eine Bühne verkleinern.

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Die Breminale

Niemanden ausschließen, egal wie klein der Geldbeutel auch sein mag – das ist auch den Köpfen hinter der Breminale wichtig. "Jeder der kommen möchte, soll kommen können, “ sagt Esther Siwinski vom Breminale-Team. "Egal ob mit mitgebrachter Stulle von zu Hause, oder ob man sich vor Ort was kauft". Als Geschäftsführerin der veranstaltenden Agentur Concept Bureau ist Siwinski für die Breminale hauptverantwortlich. Geldsorgen kennt Bremens Klassiker unter den Umsonst-und-Draußen-Festivals nur zu gut.

Zwar nimmt die Breminale Geld durch die Verpachtung der Budenplätze ein, auch sie ist allerdings wesentlich auf Sponsoren und politische Hilfen angewiesen. "Wir sind noch in den Abschlusskalkulationen, aber die Breminale war über 30 Prozent teurer als 2019", sagt Esther Siwinski, Geschäftsführerin der veranstaltenden Agentur Concept Bureau. Mehrkosten im fünfstelligen Bereich konnten in diesem Jahr noch durch Gelder von der Wirtschaftsförderung und der Kulturbehörde aufgefangen werden. Und wie beim Summersounds halfen Bundesmittel aus der Initiative Musik, die größten Löcher zu stopfen. Doch die Bundesförderung gibt es im nächsten Jahr nicht mehr. Während der Festivalzeit haben Besucher am Spendenzaun und mit dem Verkauf von Losen Gelegenheit, die Breminale finanziell zu unterstützen.

La Strada

"Letztlich haben alle Festivalbetreiber dieselben Probleme. Strom und Wasser sind teurer geworden, und viele Zulieferer haben während der Pandemie ihre Lager geräumt," sagt Gabriele Koch von La Strada. Lieferkettenprobleme hätten dann dafür gesorgt, dass sich leere Bestände nicht ohne Weiteres auffüllen ließen. Es fehlte an Zeltböden, LKWs, Zeltplanen. "Wir wussten bis zwei Tage vor Aufbau nicht, ob wir wirklich ein Zelt bekommen", sagt die Festivalleiterin. "Und viele Künstlerkollegen haben in der Pandemie ihre Altersvorsorge aufgebraucht. Sie müssen jetzt mehr verdienen und können nicht mehr für einen Obolus auftreten."

Ein Paket verschiedener Maßnahmen hilft schon seit einigen Jahren, die Kosten für das Straßenkunstfestival auszugleichen. So wird die Gage der Künstlertrupps durch Hutspenden aufgestockt. "Sonst könnten wir uns einige Künstler gar nicht leisten", sagt Koch. Am Eröffnungsabend kamen in diesem Jahr durch Hutspenden immerhin 1150 Euro zusammen. Auch der Förderverein, dem man für 20 Euro im Jahr beitreten kann, sowie der Verkauf von Programmflyern und das Spenden von Becherpfand helfen bei der Finanzierung des Festivals.

In Zukunft werde man trotzdem nicht umhinkommen, die Kosten umzulegen, heißt es von der Festivalleitung. Nur auf wen? Koch könnte sich Solitickets für La Strada vorstellen, "damit weiterhin auch die Menschen kommen können, die auch zwei Euro Eintritt nicht schaffen". Das Problem: Wer Eintritt erhebt, muss einen Zaun bauen. Der kostet Geld, der Aufbau ist aufwendig – und muss erst mal durch entsprechende Besuchszahlen refinanziert werden. Vor ähnlichen Hürden stünde auch das Maritim Festival. Sein Festivalgelände samt Fähranleger ließe sich nicht ohne Weiteres einzäunen.

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Der Bremer Karneval

Etwa ein halbes Jahr arbeitet der Verein „Initiative Bremer Karneval" normalerweise an der Planung des Samba-Karnevals. Dass sich etwas verändern muss, haben die Verantwortlichen vor Kurzem beschlossen. "Der Bremer Karneval ist komplett unterfinanziert und wird von Ehrenamtlichen organisiert", erklärt die künstlerische Leiterin Janine Jaeggi. "Er muss auf neue Beine gestellt werden". Während des Karnevals sammelt ein überdimensionales Sparschwein Spenden, daneben stützen Sponsoren die Veranstaltung. Die Finanzierung steht trotzdem Jahr für Jahr auf wackeligen Beinen.

Weil es so nicht weiter gehen kann, fällt der Karneval 2023 aus. Denn der Verein will, dass sich strukturell etwas verändert. "Es ist professionelle Arbeit, die seit vielen Jahren geleistet wird", sagt die Leiterin, die seit dem allerersten Bremer Karneval 1986 dabei ist. Bisher gebe es keine einzige feste Stelle für die Organisation – dabei bedürfe allein das Sponsoring normalerweise einer halben oder ganzen Stelle. "Wir ziehen jetzt die Reißleine – und hoffen, dass die Absage der Start von etwas Neuem sein kann". In Zukunft müsse sich die Stadt Gedanken machen, welche Veranstaltungen sie behalten und fördern wolle, sagt Jaeggi.

Zur Sache

Blick nach Hamburg

Musik, Akrobatik und Comedy ohne Eintritt - das ist ein ehrgeiziges Ziel. Oft haben sich Kulturschaffende ergänzend zum Sponsoring durch private Firmen, Spenden oder politische Förderungen etwas einfallen lassen, damit Kultur und Feierei für Lau Wirklichkeit werden kann. Ganz und gar auf Freiwilligenarbeit setzt etwa das Wutzrock in Hamburg. Vor Festivalbeginn kann man sich für verschiedene Teams, etwa bei der Security, dem Auf- und Abbau oder hinter dem Tresen bewerben. Sämtliche Helfer und Mitorganisatorinnen erhalten kein Geld. Ausrüstung bekommt das Festival kostenlos oder mit Rabatten über solidarische Firmen verliehen, auch die auftretenden Acts spielen nur für einen Teil der Gage. Und Einnahmen generiert das Wutzrock über den Getränkeverkauf sowie Standmieten von Budenbetreibern. Die ultimative Idee zur Finanzierung aller Festivals gibt es jedoch nicht, gibt Gabriele Koch von La Strada zu bedenken. "Man muss immer schauen, welche Möglichkeiten mit Blick auf das eigene Event Sinn ergeben". Freiwillige Helfer müssen zum Beispiel eingearbeitet und angeleitet, gedruckte Flyer auch wirklich verkauft werden.

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