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Seit fast 100 Jahren Bremer Buchhandlung "Otto und Sohn" setzt auf Kultur und Kreativität

"Otto und Sohn" will mehr als eine Buchhandlung sein und entwickelt sich durch kreative Formate zu einem kulturellen Veranstaltungsort in Vegesack. Inhaber Martin Mader setzt mit Erfolg auch andere Ideen um.
29.09.2024, 05:00 Uhr
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Bremer Buchhandlung
Von Ulrike Troue

In den Abgesang mancher Buchhändler auf das gedruckte Buch angesichts des Aufstiegs digitaler Medien mag Martin Mader partout nicht einstimmen. Alles rund um Bücher macht dem Inhaber der 1927 gegründeten Vegesacker Traditionsbuchhandlung "Otto und Sohn" einfach zu viel Spaß. "Ich hätte Lust, den Laden 100 werden zu lassen, wobei Wirtschaftlichkeit oberstes Gebot ist", entfährt es dem begeisterungsfähigen Mann der Tat mit vielen pfiffigen Ideen.

"Wir sind eine Buchhandlung und wollen den Schwerpunkt auch halten", gibt Martin Mader als klares Statement ab. Schließlich behauptet sich das Traditionsunternehmen seit über 90 Jahren durch den Verkauf von Büchern am Markt. 1992 hat der einstige Angestellte des Großhändlers von "Otto und Sohn" den Laden mit seiner Frau Sabine übernommen, die gelernte Buchhändlerin ist. Seinerzeit deckten die Firmengründer mit Bürobedarf noch eine zweite Branche ab. Doch diese bezeichnet Martin Mader als "schwierig". Somit haben sich die neuen Inhaber im Jahr 2005 davon verabschiedet.

Ihr Geschäft soll mehr als eine Buchverkaufsstelle sein. Deshalb arbeitet der 64-jährige Chef kontinuierlich und kreativ weiter daran, "Otto und Sohn" auch als Kulturstätte in Bremen-Nord fest zu verankern. "Wir wollen durch vielfältige Aktivitäten andere Interessen wecken, um Aufmerksamkeit für die Buchhandlung zu gewinnen", ist Maders Ansatz. Genauer: "Alleinstellungsmerkmale schaffen".

Gute Unterhaltung, die Spaß macht und bestenfalls noch Wissen vermittelt, ist sein Ansatz, um Kunden zu halten und neue dazuzugewinnen. Denn in Konkurrenz zu vielen leicht zu konsumierenden Freizeitangeboten sei es mit nachwachsenden Viellesern schon schwierig, verhehlt der Einzelhändler nicht.

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Weil Mader in seiner Freizeit als Amateurschauspieler beim Statt-Theater-Vegesack auf der Bühne steht, hat der 64-Jährige ein neues kulturelles Format entwickelt: "Literatur erzählt". "Da kommen Beruf und Hobby zusammen", sprudelt spontan persönliche Begeisterung aus ihm heraus.

Klassische Literatur würde zwar vielfach gelobt, aber kaum noch gelesen, erklärt er. Deshalb hat der Theaterfreund Werke ausgewählt, die ihn besonders interessieren, und Skripte für szenische Vorträge über Inhalt, Autor und die jeweilige Epoche geschrieben. Die präsentiert Mader höchstselbst einem interessierten Publikum in seiner Buchhandlung. Denn vom mehrfach umgebauten, heute 300 Quadratmeter großen Verkaufsraum lässt sich der hintere Bereich mit relativ geringem Aufwand als Kulturforum mit 60 Plätzen abtrennen.

In diesem Jahr hat der Geschäftsführer von "Otto und Sohn" mit dieser Reihe bereits rund 600 Besucher in den Laden mit seinen zwölf großen Schaufenstern an der Breiten Straße gelockt. Er hofft, dass zum Jahresende die 1000er-Marke zu knacken. Denn mit Mark Twain am 5. Oktober und Sophokles' Antigone am 23. November stehen noch zwei Premieren ins Haus.

Zu Autorenlesungen lädt "Otto und Sohn" ebenfalls von Zeit zu Zeit ein. Bei der Auswahl der Schriftsteller setzt Mader bewusst eine eigene Marke und auf die aus der Region. Dass sich der vor über 30 Jahren aus Köln nach Vegesack gezogene Literaturfreund in seiner Wahlheimat heute pudelwohl und fest verwurzelt fühlt, spiegelt ferner die Spezialisierung auf Kalender und Lektüre aus Vegesack und umzu.

Auch in dieser Sparte hebt sich Maders Buchhandlung durch eigene Produkte von der Konkurrenz ab. 1997 hat der Chef begonnen, für jedes Jahr Monatskalender von Vegesack herauszugeben. Für 2025 liegt bereits ein neuer mit Schwarz-weiß-Aufnahmen aus den 1950er- und 60er-Jahren des Bremer Stadtteils mit Herz und Hafen an der Lesummündung in die Weser vor.

Die stammen allesamt aus dem Archiv des verstorbenen Fotografen Helmut Schröder. Da dessen Sohn Kai Röcker wahre "Hingucker" ans Licht gebracht hat, hat der geschäftstüchtige Chef gleich noch einen Fotoband herausgebracht. "Da musste man einfach zugreifen", sagt Martin Mader und schwärmt von Aufnahmen von Sandstränden, alten Schloten oder Havarien, "bei denen es Spaß macht, sie anzugucken, auch wenn man nicht hier geboren ist."

Das Gleiche gilt seines Erachtens für den 2020 aufgelegten und von ihm betexteten Bildband mit Aquarellen der im angrenzenden Burglesum lebenden Künstlerin Katarina Noack. Selbst geschriebene Kinderbücher mit Heimatbezug hat der 64-Jährige übrigens auch schon veröffentlicht.

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Eine weitere originelle Idee ist die glamourös inszenierte Otto-Verleihung für die vom Team ausgewählten besten Bücher des Jahres in fünf Genres als Äquivalent zur Oscar-Verleihung beim Film. Und für unterhaltsame Corona-Chroniken als erste Instagram-Aktivität wurden Martin und Sabine Mader und ihre vier engagierten Mitarbeiterinnen 2021 mit dem Bremer Buchhandlungspreis ausgezeichnet. Als sie ihre zwölf stationären Schaufenster um dieses zweite digitale ergänzt haben, gehörte der Online-Shop mit Buchempfehlungen längst zum Servicepaket.

"Wir haben schon so einige Klippen umschifft", erinnert sich Martin Mader mit Stolz. Als die Eheleute den Laden übernommen haben, "hatte die Fußgängerzone große Strahlkraft". Doch außer Pandemie, Inflation und sich verändernder Kundenstruktur mussten sie viele Vegesack-spezifische, "einschneidende Punkte" bewältigen. Als Beispiele führt Mader die Vulkan-Pleite, "Totgeburt Haven Höövt" und drastische Veränderungen der Altstadt an.

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