Das Hartmannstift ist eine der Vegesacker Problem-Immobilien. Investoren, die auf dem über 10.000 Quadratmeter großen Gelände ursprünglich Wohnungen bauen wollten, sind inzwischen wieder abgesprungen. Komplett beendet sind die Gespräche mit dem Projektentwickler allerdings nicht, heißt es aus dem Ortsamt. Das ist der aktuelle Stand. Der Vegesacker Herbert Peschel jedoch hat in die Vergangenheit geblickt, intensiv recherchiert und ist jetzt überzeugt: Bremen darf das Hartmannstift nicht so ohne Weiteres verwerten.
Peschel ist mit dem Verkauf des Hartmannstifts an den Höchstbietenden nicht einverstanden. Er ist Mitglied der Gesellschaft für Familienforschung „Die Maus“ und hat sich mit einem Antrag an den Beirat Vegesack gewandt. Peschel ist der Auffassung, dass das Hartmannstift ursprünglich eine Stiftung war und deshalb für den Umgang mit der Immobilie noch heute bestimmte Regeln gelten müssten.
Er hat eine knapp 30 Seiten umfassende Zusammenfassung vorgelegt, in der er auch die Geschichte des Gebäudes darlegt. Danach verdankt das Hartmannstift seine Existenz dem 1844 in Aumund geborenen Wilhelm Hartmann, der es den Vegesackern 1885 stiftete. Das Grundstück wurde von der Stadt Vegesack erworben. Hartmann hat zusammen mit namhaften Bürgern wie beispielsweise der Familie Schröder, der Familie Danziger, der Familie Bischoff und dem Vulkan-Mitbegründer Victor Nawatzki den Geldbetrag für die Gründung des Krankenhauses gegeben. Es eröffnete im September 1887, wurde 1961 zur Frauenklinik umgewandelt und zog 1988 ins Zentralkrankenhaus Bremen-Nord um. Auch nach der Eröffnung kamen Spenden hinzu, unter anderem aus den USA.
Gemälde abgehängt
Der Vegesacker Ehrenbürger Hartmann legte 1877 in London einen entsprechenden Eid ab und wurde britischer Staatsbürger. Bis zu seinem 80. Geburtstag spendete er regelmäßig an die Stadt Vegesack, damit das Krankenhaus ausgebaut werden konnte. Am 7. Mai 1915 wurde ein britisches Passagierschiff von einem deutschen U-Boot abgeschossen, woraufhin sich Wilhelm Hartmann in einem öffentlichen Brief in der „Times“ von dem Angriff distanzierte. Als Folge hängte der Vegesacker Stadtrat das Gemälde von Hartmann ab. Dieser reagierte enttäuscht und stellte seine Spenden zu seinem 80. Geburtstag ein.
Peschel stellt in diesem Zusammenhang mehrere Fragen: Wurden die Einzelbeträge der damaligen Spender in Form einer „Stiftung als Engagement für das Gemeinwesen“ zur Verfügung gestellt, oder welche Form wählten sie für das Bereitstellen des Gründungskapitals? Wenn es eine Stiftung war, wie gelangte sie in den Besitz des Landes Bremen? Und ist die Besitzübertragung nach heutiger Rechtslage einwandfrei erfolgt?
Handelte es sich beim Hartmannstift tatsächlich um eine „Stiftung als Engagement für das Gemeinwesen“, hätte dies nach Ansicht Peschels Folgen bis heute. Er beruft sich auf den Bundesverband Deutscher Stiftungen, der dies so beschreibt: „Den Zweck einer Stiftung bestimmt der Stifter. Dieser Zweck ist fortan festgeschrieben und darf nicht wesentlich verändert werden.“ Peschel sieht den Vegesacker Beirat in der Pflicht, diese Frage juristisch prüfen zu lassen.
Peschel schreibt: „Bei dieser doch erheblichen Anzahl von namhaften Vegesacker Personen und Beträgen ist es eigentlich unvorstellbar, dass diese sich nicht in Form einer Stiftung, eines Vereins oder einer nicht genannten Form des Zusammenschlusses zu einer Spende vereinigt hätten. Auch Hartmann stellte die Bedingung, dass die Summe von 50 000 RM (Reichsmark, Anmerkung der Redaktion) in einem Reservefonds zu erhalten ist und nur die Zinsen zum Betrieb des Krankenhauses verwendet werden sollten. Der Bremer Vulkan knüpfte an seine Spende die Bedingung, dass Mitarbeiter des Vulkan anderen Kranken aus der Umgebung vorgezogen werden. Unvorstellbar, dass derartige Übereinkünfte ohne Rechtsgrundlage und Vertrag vereinbart wurden.“
Einen Bruch gab es Peschels Forschungen zufolge mit Beginn der NS-Herrschaft. „Ich bin nach wie vor fest der Überzeugung, dass die Hartmann-Stiftung in der NS-Zeit enteignet wurde und das Vermögen dem Müttergenesungswerk Weser-Ems übertragen worden ist.“ Dafür hat er nach eigenen Angaben Indizien gefunden, will aber weitere Unterlagen einsehen. Er ist der Meinung, dass das Vermögen nach dem Krieg wieder hätte zurückgegeben müssen. Das Vermögen sei bis heute verschwunden.
Verwertung des Hartmannstifts durch die Senatorin für Finanzen beenden
Herbert Peschel forscht nach eigener Aussage auf eigene Faust. Er hat einen Antrag an die Mitglieder des Beirats Vegesack gerichtet. Ziel ist es, die Verwertung des Hartmannstifts durch die Senatorin für Finanzen zu beenden. „Die Senatorin für Finanzen verscherbelt das Hartmannstift zum Nutzen der Staatskasse und zum Nachteil der Stiftung, falls sie denn eine war.“ Er schlägt vor, das Hartmannstift wieder zu einer sozialen Einrichtung für Vegesack zu machen. Und er regt an, eine neue Vegesacker Stiftung ins Leben zu rufen.
Zwar hat der Beirat inzwischen den Antrag an die Senatorin weitergeleitet, aber damit ist Peschel unzufrieden. Er hat seine Forschungen zu einem Büchlein zusammengetragen und möchte diese nach Abschluss der Forschungen der Öffentlichkeit zugänglich machen.
Peschel ist Mitglied der Gesellschaft für Familienforschung „Die Maus“ und der Geschichtswerkstatt der Burg Hagen. Er hat in verschiedenen Archiven recherchiert und beruft sich auf zahlreiche Quellen, unter anderem den Bundesverband Deutscher Stiftungen, auf das Ortsfamilienbuch Vegesack aus dem Staatsarchiv Bremen, auf die Biografie von Wilhelm Hartmann von Thomas Begerow aus Berlin und auf den Ehrenbürgerbrief aus dem Jahr 1887. Demnächst will er seine Arbeit im Bremer Staatsarchiv fortsetzen.
Ausstellung im Schloss
Zum Leben und Wirken Wilhelm Hartmanns gibt es ab Mittwoch, 20. März, bis zum 22. April eine Ausstellung im Schloss Schönebeck, die den Namen „Wilhelm Hartmann – Geboren vor 175 Jahren“ trägt. Weitere Informationen im Internet auf der Homepage des Heimatmuseums: museum-schloss-schoenebeck.de. Es ist dienstags, mittwochs und sonnabends von 15 bis 17 Uhr geöffnet, sonntags von 10.30 bis 17 Uhr. Der Eintritt beträgt für Erwachsene drei Euro. Kinder, Jugendliche und Vereinsmitglieder haben freien Eintritt. Für die Betreuung der Ausstellung im Museum werden ehrenamtliche Schlossherren und Schlossdamen gesucht. Rund 50 Männer und Frauen engagieren sich zurzeit im Schloss.