Sorgen um die finanzielle Situation, psychische Erkrankungen, Konflikte zwischen den Elternteilen oder Eltern und Kindern – Probleme und Krisen in Familien können zahlreiche Auslöser haben. Ob die Situation eskaliert, kann auch davon abhängen, ob sich die Familienmitglieder Rat und Hilfe holen. Das Hilfsnetzwerk in Bremen und auch im Bremer Norden ist groß. Für die unterschiedlichen Problemlagen gibt es vielfältige Unterstützungsangebote. Eine gute erste Anlaufstelle für Kinder, Jugendliche und Familien ist die Erziehungsberatungsstelle Nord.
Das Angebot ist kostenlos, die Beraterinnen und Berater unterliegen der Schweigepflicht und auf Wunsch ist auch eine anonyme Beratung möglich, erläutert Diplom-Psychologe Nikolai Geils-Lindemann, der zum fünfköpfigen Beraterteam gehört. Es sind Fachkräfte aus den Bereichen soziale Arbeit, Psychologie und Psychotherapie. "Wir sind zwar Teil des Jugendamtes, aber ein eigenständiger Fachdienst", betont er. Im Frühjahr wird sich die Adresse der Erziehungsberatungsstelle ändern. Sie zieht in das Neubaugebiet am Aumunder Bahnhof.
Wer eine Beratung möchte, bekommt sie zügig und unkompliziert – ohne Antrag und lange Wartezeit. "In der Regel gibt es innerhalb von vier Wochen den ersten Termin. In dringenden Fällen geht es auch schneller. Jugendliche werden vorgezogen", so Geils-Lindemann. Ein Krisendienst ist die Beratungsstelle allerdings nicht. "Wir gehen auch nicht zu den Familien nach Hause." Beratungen für Paare ohne Kinder bietet das Team ebenfalls nicht an.
Das Team hat den Eindruck, dass sich die Belastung von Familien durch die Corona-Pandemie und weitere Krisen wie Inflation und Energiekrise erhöht hat. "Wir merken derzeit, dass die Nachfrage nach den Beratungen zunimmt. Das kommt jetzt etwas zeitversetzt", sagt Geils-Lindemann. Die Zahl der Neuanmeldungen liegt seinen Worten zufolge bei etwa 150 bis 200 im Jahr. "Derzeit geht es eher in Richtung 200."
Pandemie hat bestehende Probleme verstärkt
Die Pandemie hat bereits vorhandene Probleme in Familien verstärkt, meint Geils-Lindemann. "Es kommt natürlich niemand und sagt: Wegen Corona haben wir uns getrennt. Wegen Corona sitzt unser Kind nur noch zu Hause und spielt Computer. Wegen Corona wirkt unser Kind seit einiger Zeit depressiv." Die Zeiten der Isolation habe viele Konflikte aber potenziert. "Bei Kindern und Jugendlichen wurden wichtige Entwicklungsschritte unterbrochen", erläutert der Psychologe. Für Jugendliche in der Pubertät sei es beispielsweise wichtig, sich abgrenzen zu können, Erfahrungen außerhalb der Familie zu machen und eigene Wege zu gehen. "Das war in der Pandemie nicht möglich." Auch Schulschwierigkeiten bei Grundschülern und Konflikte wegen zu häufigem Medienkonsum haben zugenommen, ist die Beobachtung des Teams.
Gut die Hälfte der Beratungen dreht sich um die Themen Trennung und Scheidung und daraus resultierende Probleme. "Dabei geht es um Fragen wie: Wie können wir uns gut trennen? Oder: Wie sagen wir es den Kindern? Auch unterschiedliche Erziehungsvorstellungen und Konflikte bei Umgangsregeln spielen häufig eine Rolle", erläutert Geils-Lindemann. Die "klassische Erziehungsberatung" macht einen weiteren großen Teil der Gespräche aus. Dabei kann es um den Umgang mit Medien, Geschwisterkonflikte, Schulprobleme oder Sorgen um die Entwicklung des Kindes gehen. Wenn es sich um Kinder unter drei Jahren handelt, verweist das Team an die Frühberatungsstelle im Haus der Familie Lüssum.
Es kommt eher selten vor, dass sich Jugendliche selbst an die Erziehungsberatungsstelle wenden. Dabei ist das Angebot ausdrücklich auch für sie gedacht. "Jugendliche können auch alleine zu uns kommen", betont Geils-Lindemann. Probleme mit den Eltern, Geschwistern, Freunden, sich selbst oder der Schule könnten thematisiert werden. Auch in diesem Fall gilt für die Beraterinnen und Berater die Schweigepflicht. Auf Wunsch sind zudem Online-Beratungen per Video möglich sowie Beratungstermine am Nachmittag und in den frühen Abendstunden.
Der Rat des Psychologen ist: "Es lohnt sich, rechtzeitig zu kommen – bevor die Konflikte zu schlimm werden und eskalieren." Manchmal, das ist seine Erfahrung, reichen schon zwei bis drei Termine. "Häufig sind es Missverständnisse und es hilft, wenn eine neutrale Person als Vermittler anwesend ist."