Für 32 Millionen Euro ist das Lesumsperrwerk in Grohn als Folge der Sturmflut von 1962 gebaut worden, jetzt wird weiteres Geld in das Bauwerk fließen. Das Sperrwerk, das als Brücke zwischen Grohn und dem Werderland dient, soll mit Blick auf zukünftige Hochwasserkatastrophen erhöht werden.
Die Pegelstände werden im Voraus berechnet. „Borkum, Fedderwardersiel und Bremerhaven sind eher von der Hochwasserwelle betroffen als wir“, berichtet Wilfried Döscher. Er ist Geschäftsführer des Deichverbands, der das Sperrwerk in Grohn betreibt. „Das Sperrwerk schließt seit über 40 Jahren zuverlässig“, sagt Döscher. Dass das Lesumsperrwerk hält, habe sich auch am 28. Januar 1994 gezeigt. „Da war das Wasser höher als bei der Sturmflut 1962, und zwar genau einen Zentimeter: 5.42 Meter, gemessen an der großen Weserbrücke.“ Doch dank der Hubschütze seien lediglich einige Autos bei Meyer Farge weggeschwommen, die nicht rechtzeitig entfernt worden seien.
Steigende Pegelstände
Dennoch soll das Bauwerk nun erhöht werden. „Oberkante der blauen Hubschütze ist bei 6,60 über Normalnull“, sagt Döscher. Jeder dieser vier Stahltafeln ist 15 Meter breit. Doch immer häufiger müssen die Mitarbeiter des Sperrwerks rausfahren und die Tore schließen. Der Grund liegt laut Döscher in steigenden Pegelständen. Der Fluss sei den Schiffen angepasst worden, das habe Folgen.
„Wir haben die Nordsee eingeladen, ungebremst nach Bremen zu kommen. Deswegen sind die Fluten regelmäßig höher auflaufend als früher“, so Döscher. „Als wir das Sperrwerk 1979 in Betrieb genommen haben, da war das mittlere Tidenhochwasser bei plus 2,10 Meter über Normalnull. Heute ist es ausbaubedingt auf 2,42 über Normalnull gestiegen.“ Das Wasser habe sich in 40 Jahren also um mehr als 30 Zentimeter aufgebaut, wie Döscher formuliert. „Das bedeutet im Umkehrschluss, die Spanne zwischen Schließ- und Normalwasser ist auf etwa 30 Zentimeter geschrumpft.“
Die steigenden Pegel manifestieren sich auch an den Schließfrequenzen des Lesum-Sperrwerks. „Wir haben statistisch gesehen eine deutliche Steigerung der Sperrfälle“, so Döscher. Im ersten Betriebsjahr sei das Sperrwerk auf 105 Sperrungen gekommen. Im Vergleich dazu: „Heute liegen wir bei 130 Sperrungen pro Jahr“, so Döscher. Im Spitzenjahr 2007 hätten seine Mitarbeiter 254 Sperrungen vermerkt.
„Wir merken deutlich, dass der Meerwasserspiegel angestiegen ist. Wir haben in Bremen den höchsten Tidenhub an der gesamten deutschen Nordseeküste. Er ist höher als in Hamburg. Dazu kommt die Flussverbreiterung“, sagt Döscher. Nun soll zudem ein Antrag wiederbelebt werden, nachdem der Fluss von Bremerhaven bis Brake um 90 Zentimeter vertieft wird. „Das würde rechnerisch zu deutlich mehr Sperrfällen führen.“
Der Geschäftsführer hat längst prüfen lassen, ob das Sperrwerk den Dauerbelastungen standhält. „Der Tidenhub liegt jeden Tag bei 4,20 Meter zwischen Hoch- und Niedrigwasser. Bremen ist ein Hotspot im Hochwassergeschehen. Das sind enorme Wassermassen, die hier einströmen und das Sperrwerk ist der Eckpfeiler unseres Hochwasserschutzes“, sagt Döscher. Der Deichverband hatte das Sperrwerk 2001 von Bremen übernommen. „Es ist 100 Prozent in Ordnung.“
Doch um für die Zukunft gerüstet zu sein, soll das Sperrwerk erhöht werden. „Wir gehen von 6,60 auf 7,10 Meter über Normalnull, eventuell auf 7,70 Meter“, sagt Döscher. Diese Investition wird aus Bundes- und Landesmitteln bezahlt werden müssen. „Wir rechnen damit, dass die Erhöhung 2025 kommt.“ Erste statische Überprüfungen hätten stattgefunden, ob die Pfeiler dem Druck standhalten würden. Es sollen auch die Hubschütze erneuert werden. „Die Tore werden derzeit an Kettenzüge rauf und runter gefahren und sollen auf eine hydraulische Steuerung umgestellt werden.“ Zu den Kosten könne Döscher derzeit nichts sagen. Finanziert werde die Neuerung als Gemeinschaftsausgabe Agrarstruktur und Küstenschutz. Derzeit läuft beim Deichverband erst die Detailplanung. Darauf aufbauend wird ein Planfeststellungsantrag vorbereitet, den die Fachleute des Verbands beim Umweltsenator einreichen werden.
Ein genauer Termin des Umbaus werde derzeit zwischen dem Land Bremen und Niedersachsen verhandelt. Hintergrund: Das Land Niedersachsen muss laut Döscher mit seinen Sperrwerken in Ochtum und Hunte gleichziehen. Beim Umbau selbst werde Eile geboten sein: „Wir können nur von Mai bis Oktober arbeiten. Im Winterhalbjahr muss der Hochwasserschutz funktionieren.“
Denn das Bremen immer wieder auch von schweren Sturmfluten überrascht werde, habe sich Ende Januar gezeigt, als die Schotten an der Hafenstraße in Vegesack geschlossen werden mussten. Wilfried Döscher: „Das Wasser stand 4,60 über Normalnull.“