Vegesack. Ab nächster Woche wollen sie wieder in die Riemen greifen. „Step by step“, sagt Trainer Uli Temmen vom Vegesacker Ruderverein (VRV) und macht damit deutlich, dass wegen der Corona-Pandemie auch im Wassersport Vorsicht oberstes Gebot bleibt. Dennoch ist er froh über die Entscheidung des Senats, das seit Mitte März andauernde totale Sportverbot auf dem Wasser etwas zu lockern. Den Anfang sollen beim VRV die Einer machen.
Auf die schrittweise Belebung des Sportbetriebs im kleinsten Bundesland hatte sich der Senat auf Vorschlag von Sportsenatorin Anja Stahmann noch einmal am Freitag verständigt und eine Allgemeinverfügung beschlossen. Danach sollen Freiluftsportanlagen wieder genutzt werden können, wenn die allgemeinen Corona-Verordnungen wie Kontakt- und Versammlungsverbote sowie die Hygieneregelungen eingehalten werden. Diese Strategie, so die Sportsenatorin vor der Presse, sei mit dem Landessportbund abgesprochen worden. Stahmann verhehlte allerdings nicht, dass auch der Bremer Sport trotz dieser Lockerungen „noch weit von der Normalität entfernt ist.“
Der Deutsche Ruderverband hat bereits seit geraumer Zeit auf eine schrittweise Öffnung der Vereine für das Rudern hingearbeitet. Und dafür, wie er unterstreicht, mit dem ärztlichen Leiter der Sektion Sport- und Rehabilitationsmedizin der Universität Ulm, Professor Dr. Jürgen M. Steinacker, verbindliche Regeln erarbeitet. Sie sollen eine schrittweise Wiederaufnahme des Ruderbetriebs bundesweit ermöglichen. Die Übergangsregeln sehen insbesondere vor, Gesundheitsrisiken in allen Bereichen zu minimieren.
VRV-Vorsitzender Uwe Vielstich und Ruder-Trainer Uli Temmen haben sich denn auch in den vergangenen Tagen eingehend mit Vorsichtsmaßnahmen befasst, wonach zum Beispiel auf Krankheitssymptome, Kontaktvermeidung, Mindestabstand von anderthalb Metern auf dem Vereinsgelände im Grohner Yachthafen, bei der Materialpflege und dem Transport der Boote zu achten ist. Gewohnte Rituale wie Begrüßungen oder Verabschiedungen müssen ohne Berührungen, das Duschen und Umkleiden zu Hause erfolgen.
Auch in den Ruderbooten ist der Sicherheitsabstand einzuhalten. Temme: „Wir werden die Abstände der Sitzplätze in einem Boot für zwei, vier oder acht Personen genau ausmessen.“ Wobei Trainingsfahrten der VRV-Leistungssportler in mehrsitzigen Booten momentan aus Sicherheitsgründen nur im Ausnahmefall möglich sind. Wenn zum Beispiel zwei Brüder oder Schwestern aus einem Haushalt in einem Zweier-Boot trainieren wollen, dürfen sie ohne Schutzmaske zu den Skulls greifen. Erläutert ihr Trainer: „Hochleistungsruderer benötigen eine Sauerstoffmenge, die durch das Gewebe von Mund- und Nasenschutz nicht einzuatmen ist.“
Zur Leistungsgruppe des Vegesacker Rudervereins gehören rund 30 Sportler. Sie haben sich seit dem Corona-bedingten Boote-Tabu mit dem Ruderergometer zu Hause fit gehalten. Der ebenso wie die Videokonferenz freilich kein Ersatz für Gespräche vor Ort und das Training auf dem Wasser sein kann, wie Uli Temme erklärt und anfügt: „Die Sportlerinnen und Sportler sollen jetzt erst einmal das Medium Wasser wiederentdecken.“ Mit anderen Worten: Auch die VRV-Ruderer müssen nach wochenlanger Abstinenz ein neues Gefühl für das Boot im nassen Element entwickeln, wieder eine Einheit mit ihm werden.
Vielstich und Temme sind aber grundsätzlich froh, dass der Rudersport, wenn auch zunächst „Schritt für Schritt“ oder Zug um Zug, wieder aufgenommen werden kann. Damit ist für die Leistungsruderer vor allem das Training auf dem Wasser gemeint. Wenngleich Vorstand und Trainer beim VRV die Rennsaison noch nicht gänzlich abschreiben wollen. Temme: „Vielleicht können ja noch einige Regatten organisiert werden.“
Nicht gleich Alarm schlagen
Auf alle Fälle dürften die Spaziergänger auf beiden Seiten der Lesum, aber auch an der Weser demnächst wieder Ruderer in Aktion sehen können. Mit Sicherheit im Einer, in der VRV-Spitzenfrau Luise Asmussen in jüngster Vergangenheit international für Schlagzeilen gesorgt hat, konnte sie doch bei den U23-Meisterschaften die Goldmedaille, bei den U23-Europameisterschaften die Bronzemedaille und bei den U23-Weltmeisterschaften im Leichtgewichts-Doppelzweier der Frauen ebenfalls die Bronzemedaille gewinnen.
Und wenn kritischen Beobachtern in den nächsten Tagen und Wochen ein mit zwei „unmaskierten“ Personen besetztes VRV-Boot auffallen sollte, dann handelt es sich nach den Worten von Uli Temme um eine Crew, die aus einem Haushalt stammt. Damit will der Coach des vor 120 Jahren im damaligen Hotel „Bellevue“ in der Weserstraße gegründeten Vereins sagen: „Alarmmeldungen sind nicht nötig. Wir halten alle Regeln ein, um unseren Sport trotz Corona-Virus ausüben zu können.“