Seit mehr als fünfzig Jahren fesselt und begeistert die Geschichte um das Findelkind Mowgli, Kinder und Erwachsene gleichermaßen. Der Junge wird im Dschungel von einem Wolfsrudel aufgezogen und lebt anschließend im Einklang mit den Tieren und der Natur des Dschungels. Unsterblich wurde die Geschichte durch die Disney-Verfilmung aus dem Jahr 1967. Dabei dürften sich heute allenfalls noch Literaturexperten daran stören, dass sich diese sehr frei an vereinzelten Motiven der Erzählungen des britischen Schriftstellers Rudyard Kipling orientierte, diese aber zu einer völlig anderen, eigenständigen Geschichte verarbeitete.
Im kollektiven Bewusstsein hat die Disney-Adaption die literarische Vorlage seither nahezu verdängt und avancierte nicht nur zu einem der erfolgreichsten Kinofilme aller Zeiten, sondern diente über die Jahrzehnte selbst als Grundlage zahlreicher Bühnenfassungen. 2010 nahm sich auch der Wahlbremer, Autor, Schauspieler und Regisseur Dirk Böhling des Stoffes an. Diese Bühnenfassung dient nun dem Vegesacker Statt-Theater als Grundlage für das diesjährige, vorweihnachtliche Kinderstück.
Das avancierte bereits vor der Premiere zu einem absoluten Erfolg: „Wir spielen in diesem Jahr sogar vier Vorstellungen mehr als in den Jahren zuvor. Trotzdem sind bereits alle Vorstellungen ausverkauft“, gibt Christina Richter zu Protokoll. Sie teilt sich die Regiearbeit mit Kathy Wonnenberger und tritt auf der Bühne selbst mehrfach in Erscheinung: sowohl als der schwarze Panther „Bagheera“ als auch als Affenkönigin „Loui“.
„Das 'Dschungelbuch' zählt seit Jahren zu meinen absoluten Wunschstücken, und Böhlings Fassung ist endlich mal eine, die sich auch mit verhältnismäßig wenig Mitwirkenden umsetzen lässt“, ergänzt Wonnenberger. Schließlich verfügt der Theaterverein insbesondere zu den vormittäglichen Aufführungszeiten im Regelfall nur begrenzt über Bühnenpersonal.
Detailreiches Bühnenbild
So sind es gerade einmal acht Darsteller, welche die bekannte Geschichte an insgesamt 17 Spielterminen im Kulturbahnhof zum Bühnenleben erwecken. Bereits die Premiere am Dienstag machte dabei überdeutlich, mit wie viel Liebe und Herzblut sämtliche Produktionsbeteiligten hierbei zu Werke gehen: Angefangen beim detailreichen Bühnenbild, für das erstmals Neumitglied Andrea Tiedemann zuständig war, über die putzigen Tierkostüme von Regina Fasana bis hin zum beherzten und sichtlich motivierten Aufspielen des Ensembles, dem die temporeiche Inszenierung alles abverlangt: Schließlich sind nahezu alle Mitwirkenden in wechselnden Bühnenrollen zu sehen.
So müssen verschiedenste Tierkostüme hinter der Bühne bisweilen in Sekundenschnelle gewechselt werden, in denen anschließend auch nahezu unentwegt gesungen, getanzt wird.
Ensemble bringt Freude auf die Bühne
Die eigene Begeisterung für das Stück ist allen Akteuren in jedem Bühnenmoment förmlich anzumerken. Diese überträgt sich entsprechend auf die jungen Zuschauer, die – wie vom Statt-Theater gewohnt – immer mal wieder als Stichwortgeber ins Geschehen eingebunden werden und ihre Bühnenlieblinge ebenso lautstark vor drohenden Gefahren warnen – beispielsweise vor der hinterlistigen Schlange Kaa oder dem Tiger Shir Khan.
Während ein Großteil der Mitwirkenden zumindest langjährigen Begleitern des Theatervereins bekannt vorkommen dürfte, sorgt Paul Morten Richter als Mowgli für eine echte Überraschung, steht er doch erstmals unter der Regie der eigenen Mutter auf der Bühne; lässt durch sein beherztes Spiel an seiner Eignung für die Hauptrolle jedoch zu keiner Sekunde Zweifel aufkommen. „Dass er schauspielen und singen kann, wusste ich ja schon lange. Bislang hatte ich mit meinen Versuchen, ihn für das Statt-Theater zu begeistern, jedoch keinen Erfolg“, kommentiert Christina Richter schmunzelnd.
So lässt das „Dschungelbuch“ in der Inszenierung des Statt-Theaters auch für langjährige Fans der Disney-Zeichentrickinterpretation kaum Wünsche offen – mit einer Ausnahme: Die bekannte Filmmusik und Gassenhauer wie Colonel Hathi's Elefantenmarsch, Kaas hypnotisches „Hör auf mich“ und Louis Eingeständnis „Ich wäre gern wie Du“ wurden in Böhlings Fassung samt und sonders durch Neukompositionen ersetzt, die der Autor in Zusammenarbeit mit dem Komponisten Hans Steinmeier entwickelte – bisweilen jedoch stark an die Songs aus dem Disney-Film angelehnt. Statt „Probier's mal mit Gemütlichkeit“ lautet das Credo des gemütlichen Bären Baloo in dieser Variante nun eben „Nur die Ruhe, keinen Stress“. „Die Aufführungsrechte für die Songs aus dem Disney-Film wären für uns vermutlich nicht bezahlbar gewesen“, erklärt Christina Richter.
Wer sich die Nordbremer „Dschungelbuch“-Adaption zu Gemüte führen möchte, bislang jedoch eine rechtzeitige Kartenreservierung versäumte, darf dennoch hoffen: „Obwohl alle Vorstellungen eigentlich ausverkauft sind, kommt es zu dieser Jahreszeit häufiger mal vor, dass manche Karten krankheitsbedingt kurzfristig zurückgegeben werden. Es kann sich also durchaus lohnen, einfach mal über die Homepage des Statt-Theaters oder bei der Buchhandlung 'Otto & Sohn' nach Kartenrückläufern zu fragen“, rät Wonnenberger.