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DRK erntet Kritik Tagesgruppe vor dem Aus

Das Deutsche Rote Kreuz schließt die Heilpädagogische Tages-Gruppe (HTG) in Aumund, in der Kinder mit besonderem Förderbedarf betreut werden und erntet dafür Kritik. Die Politik arbeitet an einer Lösung.
25.05.2020, 07:52 Uhr
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Von Mario Nagel und Iris Messerschmidt

Aumund-Hammersbeck. Im November gab das Deutsche Rote Kreuz (DRK) bekannt, dass das DRK-Gelände an der Meinert-Löffler-Straße in Aumund verkauft werden soll. Der ursprüngliche Investor sprang jedoch ab, ehe im Januar mit M-Projekt ein neuer Käufer übernahm (wir berichteten). Der Verkauf hat allerdings nicht nur für die zahlreichen Gruppen, die sich in der Begegnungsstätte trafen, große Folgen.

Auch die Heilpädagogische Tages-Gruppe (HTG), in der Sozialpädagogen und Ehrenamtliche Kinder mit besonderem Förderbedarf betreuen, wird zum 31. August geschlossen. Während viele Gruppen der Begegnungsstätte nach öffentlichem Druck auf andere Einrichtungen umverteilt wurden, soll die HTG jedoch ersatzlos gestrichen werden. „Das ist verantwortungslos“, sagt Klaus Reppich und kritisiert damit das DRK und die Politik scharf.

Der Rentner arbeitet seit vier Jahren als Ehrenamtlicher in der Gruppe und hat kein Verständnis dafür, dass die förderbedürftigen Kinder ab September einfach fallen gelassen werden. „Hinter den Kindern stehen auch Familien, die jetzt mit ihren Problemen alleine gelassen werden“, sagt Reppich. Die HTG gelte als letzte Chance für Kinder mit einem besonderen Förderbedarf, bevor sie vom Jugendamt in Obhut genommen werden.

Neun Kinder werden derzeit betreut, die Kapazität der Einrichtung ist damit ausgereizt. „Das Sozialamt weiß, dass die Einrichtung voll ist und fragt deshalb nur die wirklich schweren Fälle an. Trotzdem stehen so viele Kinder auf der Warteliste, dass wir eine zweite HTG öffnen könnten.“ Drei Sozialpädagogen, ein Ehrenamtlicher und ein Praktikant widmen sich den Kindern im Alter zwischen sechs und 14 Jahren, die vor allem im sozialen Umgang Unterstützung brauchen.

„Wir bieten den Kindern einen strukturierten Tagesablauf, machen mit ihnen Deeskalations- sowie Anti-Aggressionstraining und arbeiten an ihrer Konfliktbewältigung.“ Vor allem in einem Problemgebiet wie Bremen-Nord seien solche Einrichtungen notwendig, sagt Klaus Reppich. Die Eltern und Familien seien für die Hilfe dankbar, das wäre auch in der Corona-Krise deutlich geworden. „Wir mussten zwei Wochen schließen. Als wir wieder geöffnet haben, hieß es nur: Endlich, das wird Zeit“, sagt Reppich.

Die ersatzlose Streichung der HTG sei seiner Meinung nach auf zwei Gründe zurückzuführen. Zum einen käme dem DRK der Verkauf des sanierungsbedürftigen Geländes finanziell gelegen, zum anderen sei das Konzept nicht mehr gewünscht. „Die Kinder sollen in die Betreuungsgruppen der Schulen inkludiert werden, aber der immense Förderbedarf kann dort überhaupt nicht geleistet werden“, sagt Reppich. Außerdem seien die Schulen dafür weder baulich noch personell ausgestattet.

Die Mitarbeiter der HTG baten Bernd Blüm, den Geschäftsführer des Deutschen Roten Kreuzes Bremen, Mitte März deshalb zu einem Gespräch. „Wir wollen das Konzept unbedingt fortführen. Unsere Einrichtung muss auch einen bleibenden Eindruck hinterlassen haben, denn er hat uns zugesichert, nach einer alternativen Lösung schauen zu wollen.“ Für die HTG solle nach einer geeigneten Immobilie gesucht werden, dann könne der Betrieb aufrecht erhalten werden. „Aber bisher wurde jede vorgeschlagene Immobilie abgelehnt“, sagt Reppich und fügt an: „Das DRK und die Politik wollen die ersatzlose Schließung dieser Einrichtung im Sande verlaufen lassen.“

Bernd Blüm will das so nicht stehen lassen. „Wir wollen das funktionierende Konzept der HTG fortsetzen, wenn wir eine geeignete Immobilie finden“, sagt der DRK-Geschäftsführer. Auf lange Sicht mache es jedoch mehr Sinn, die Kinder in den Schulen zu inkludieren und die Maßnahmen direkt an der Schule anzusiedeln. Um die Förderung gewährleisten zu können, sieht Blüm zudem die Schulen und Behörden in der Pflicht. „Sie müssen ein Zielkonzept entwickeln.“

Dass beim Verkauf des DRK-Geländes rein wirtschaftliche Interessen verfolgt wurden, sei „einfach falsch“, sagt Bernd Blüm und fügt an: „Der Verkauf des Geländes war notwendig, hatte aber nichts mit der HTG zu tun.“ Die Einrichtung habe sich schließlich selber getragen. Das galt jedoch nicht für die Begegnungsstätte, die in einem maroden Gebäude auf dem Gelände untergebracht war.

Auch die Familien würden nicht vom DRK alleine gelassen, so der DRK-Chef. Man sei hier in Gesprächen, um für jedes Kind individuell eine Lösung zu finden. Blüm könne den Unmut und die Verärgerung verstehen, schließlich würden die Mitarbeiter viel Herzblut in die Arbeit stecken. „Aber wir haben uns bislang um gute Lösungen bemüht und unser bestmögliches getan“, so der DRK-Geschäftsführer.

Das Ressort von Sozialsenatorin Anja Stahmann (Grüne) will unterdessen an der Platzzahl für Heilpädagogische Tages-Gruppen in Bremen-Nord festhalten. „Die Maßnahme ist aus unserer Sicht sehr sinnvoll, aber sie ist nicht die einzige, und Familien werden so gut wie nie nur mit einer einzigen Maßnahme unterstützt. Es gibt Bestrebungen, an einer anderen Stelle im Einzugsgebiet eine neue HTG zu eröffnen“, sagt Sprecher Bernd Schneider.

Finanziell stehe einer Fortführung der HTG laut dem Sozialressort jedenfalls nichts im Weg. „Die Finanzmittel werden weiterhin zur Verfügung stehen, es kann also ein neues Angebot finanziert werden.“ Das könne, müsse aber nicht zwingend mit dem DRK verknüpft sein. „Sollte das DRK kein neues Angebot vorlegen, kommen grundsätzlich auch andere Träger in Betracht“, sagt Schneider. Sollte in Bremen-Nord keine neue Immobilie gefunden werden, würden die Kinder allerdings nicht „fallen gelassen“ werden.

Die Heilpädagogischen Tages-Gruppen seien eine überaus sinnvolle und wirksame Hilfe in den vielfältigen Angeboten der Jugendhilfe, aber man dürfe sie nicht isoliert betrachten, sagt der Sprecher des Sozialressorts und fügt hinzu: „Die Kinder bleiben nicht unversorgt. Welche Hilfe im Einzelfall für das Kind alternativ in Frage kommt, entscheiden die Sorgeberechtigten und das Case Management in Kooperation mit den anderen Beteiligten. Je nach den Gegebenheiten des Einzelfalles können notwendige Hilfen durch andere Maßnahmen angeboten und sichergestellt werden.“

Die Schließung der Heilpädagogische Tages-Gruppe und der Verkauf des DRK-Geländes an der Meinert-Löffler-Straße können nach Einschätzung der Beteiligten nicht mehr verhindert werden. Ersatzlos gestrichen soll das Angebot für Kinder mit besonderem Förderbedarf aber nicht.

Klaus Reppich erwartet eine Lösung: „Wir haben die Hoffnung, dass eine Alternative gefunden wird. Die Kinder haben eine total positive Entwicklung genommen, das wollen wir nicht einfach aufgeben.“ Bis zum 31. August haben das Deutsche Rote Kreuz und die Politik noch Zeit, an einer Lösung für die betroffenen Kinder zu arbeiten.

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